Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien. Mareike Bröcheler
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54 Die beiden Termini gehen auf Bosch und Lehndorf (2005) zurück, die damit unterschiedliche Formen der Dienstleistungsökonomie beschreiben. Heintze (2013) definiert aufgrund dessen die Highroad als „Konfiguration […], bei der ein durch hohe Produkt- resp. Dienstleistungsqualitäten geprägter Output auf einem Arbeitsregime basiert, das durch hohe Qualifikationsanforderungen bei gleichzeitig hohen Arbeitsstandards und guter Entlohnung geprägt ist. Die Lowroad bezeichnet die gegenteilige Konfiguration mit stark schwankenden Dienstleistungsqualitäten auf der Basis eines Arbeitsregimes, das für die meisten Beschäftigten wenig attraktive Bedingungen bietet (hoher Leistungsdruck, schlechte Entlohnung, weniger Weiterbildungsmöglichkeiten).“ (Heintze 2013: 33)
55 Zu den folgenden Ausführungen vgl. auch Bröcheler 2018.
56 Der Trend zu diesem Erwerbsmuster bei Paaren mit Kindern hat in Westdeutschland zu einem Rückgang des traditionellen Ernährermodells geführt, in Ostdeutschland hingegen zu einem Rückgang des bis dato vorherrschenden Zweiverdiener-Arrangements (vgl. BMFSFJ 2017).
3.3 Leitbilder der Familien- und Gleichstellungspolitik
Leitbilder und Geschlechterrollenbilder werden nicht nur sozial entwickelt und geformt, sondern durch Politik und Rechtsprechung maßgeblich beeinflusst. Der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung mahnt daher „[d]ie Herstellung konsistenten Rechts und die Abstimmung von Rollenerwartungen über den Lebensverlauf“ (BMFSFJ 2012a: 53) als wichtige Aufgabe der (Familien- und) Gleichstellungspolitik an, da es gerade juristische Neuerungen zugunsten von Partnerschaft und Familie sind, die Rahmenbedingungen für Familienleben mitbestimmen oder gewisse Normen vorgeben (vgl. ebd.). In enger Wechselwirkung mit politischen Interessenlagen ebenso wie sozialen und demografischen Veränderungen (Geburtenrate, Wandel der Lebensformen oder Erwerbstätigkeit von Frauen und Müttern) verändern sich auch familienpolitische Paradigmen. Nachdem in den Nachkriegsjahrzehnten vor allem die Unterstützung der bürgerlichen Normalfamilie nach dem Konzept des Ernährermodells vorgesehen war, ist auch die deutsche Familienpolitik nach der Jahrtausendwende von einem partnerschaftlichen Familienleitbild geprägt, welches die Etablierung familien- und gleichstellungspolitischer Maßnahmen fokussiert, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, von Erwerbs- und Sorgearbeit zu ermöglichen. Die Einführung des einkommensabhängigen Elterngeldes 2007 stellt hier den ersten Meilenstein dar, gefolgt von der Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf U-3-Betreuung für mindestens 35 % aller Kinder ab 2013.57 Seit 2015 ermöglicht das Elterngeld-Plus zudem einen längeren Leistungsbezug und damit weitere Unterstützung bei Teilzeiterwerbstätigkeit beider Elternteile. Die neue Familienpolitik zeichnet ein modernes Bild von Elternschaft, in der traditionelle, geschlechtsdifferenzierte Arbeitsteilungsmuster nicht mehr selbstverständlich sind und eine Wahlfreiheit für alle Partnerinnen und Partner gegeben sein soll. Rechtlich wird diese Entwicklung einerseits mitgetragen, wie das Veto des Bundesverfassungshofes gegen das Betreuungsgeld („Herdprämie“) verdeutlicht. Andererseits weisen Expertinnen und Experten aus Familien- und Gleichstellungsforschung auf zahlreiche Unstimmigkeiten und Inkonsistenzen in Politik und Rechtslage hin. So konterkariert das nach wie vor unangetastete Ehegattensplitting im Steuerrecht (Unterstützung der „Versorgerehe“) Bemühungen um wirtschaftlich möglichst unabhängige Biografien von Männern und Frauen in Ehen und Lebensgemeinschaften, diese werden wiederum durch andere Gesetze, etwa das Unterhaltsrecht nach seiner Reform 2007, nicht nur gefördert, sondern gefordert (vgl. BMFSFJ 2012a; Gerlach 2017).58 Die Aufforderung zur Abschaffung derartiger Inkonsistenzen lebenslaufbegleitender Institutionen ist daher eine Kernbotschaft des Ersten und Zweiten Gleichstellungsberichtes (vgl. BMFSFJ 2012a, 2017). Eine, wie im Siebten Familienbericht definierte, nachhaltige Familienpolitik soll als Lebenslaufpolitik die Bewältigung verschiedener Lebensphasen jenseits der Rushhour des Lebens (siehe Kapitel 4.2) und tradierter Rollenmuster ermöglichen (vgl. BMFSFJ 2006). Der Zweite Gleichstellungsbericht verweist gleichermaßen auf die normative Kraft von Geschlechterrollen und betont die Notwendigkeit, sich von diesen zu lösen: „Insgesamt muss es ein wichtiges gleichstellungspolitisches Ziel bleiben, dass die Verwirklichungschancen in der Erwerbs- und Sorgearbeit nicht von Geschlechterstereotypen abhängen, sondern auf den individuellen Fähigkeiten gründen“ (BMFSFJ 2017: 102). Ein Paradigma der Geschlechtergerechtigkeit liegt auch der Care-Ökonomie zugrunde (vgl. MeierGräwe, Ohrem, Häußler 2012), sodass langfristig eine Loslösung von ebenjenen Stereotypen und Rollenbildern als unerlässlicher Schritt hin zu einem nachhaltigen gemeinsamenLeben und Wirtschaften anzusehen ist.
„Lebenslauftheoretisch gesehen geht es deshalb um die Auflösung der traditionell nach Geschlecht getrennten Lebenswege und um eine Neujustierung sämtlicher den Lebenslauf begleitende Institutionen, sodass die Verbindung von Bildungs-, Erwerbs- und Sorgearbeit als Grundmuster der Biografie einer Person – und zwar unabhängig vom Geschlecht – in unterschiedlichen Mischungen und mit flexiblen Übergängen gelebt werden kann.“ (Meier-Gräwe 2018a: 5)
Der „Zukunftsreport Familie 2030“ sieht Familie weiterhin als soziale Mitte der Gesellschaft und prognostiziert u. a. eine Festigung der Leitbilder einer Partnerschaftlichkeit und Vereinbarkeitsorientierung in Familien. Diesen Trends sollte daher auch Familienpolitik durch entsprechende Maßnahmen und Reformen (Anpassung des Steuerrechtes, Einführung der Familienarbeitszeit, Unterstützung haushaltsnaher Dienstleistungen, Anpassung und Flexibilisierung betrieblicher Rahmenbedingungen) Rechnung tragen (vgl. Prognos 2016).
57 Gleichwohl rufen diese Reformen emotionale und ideologisch aufgeladene Debatten um Familien, Eltern und insbesondere („gute“) Mütter hervor, die erneut aufzeigen, wie tief und wirkungsmächtig Rollenbilder verankert sind (vgl. Gerlach 2017; Meier-Gräwe 2007).
58 Ein Fokus der Reform des Unterhaltsrechtes war die Stärkung der ,,nachehelichen Eigenverantwortung“, wonach Ehefrauen nach der Scheidung keinen Anspruch auf Unterhaltszahlungen mehr haben und Mütter nach der Scheidung lediglich bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres (jüngsten) Kindes. Danach sind sie in vollem Umfang für ihren eigenen Lebensunterhalt zuständig (vgl. BMFSFJ 2012a).
3.4 Zwischenfazit: Alltag zwischen alten und neuen Leitbildern
Insgesamt zeigt sich eine Gleichzeitigkeit von Persistenz und Wandel in den Geschlechterrollen und Leitbildern, die Frauen und Männer für ihre Rollen als Mütter und Väter sowie das Zusammenleben als Familie in Politik und Gesellschaft vorfinden. Nicht alle Eltern müssen und wollen diesen Rollenbildern folgen, dies ist unbestritten.59 Diejenigen jedoch, die es versuchen, finden sich oftmals konkurrierenden Ansprüchen und Anforderungen gegenüber. Das Care-Regime einer Gesellschaft hat starken Einfluss sowohl auf politische Rahmenbedingungen als auch auf hegemoniale Leitbilder, die gesellschaftliche Organisationsmuster prägen. Von ihm hängen die Aufteilung, Organisation und Wertschätzung von privater ebenso wie erwerbsförmiger Sorgearbeit ab. Die Herausforderung ist daher, moderne wohlfahrtsstaatliche Leitbilder, wie das Erwerb-und-Sorge-Modell, vor dem Hintergrund einer konservativ geprägten wohlfahrtsstaatlichen Tradition deutscher Politik zu fördern. Schließlich kann eine Neuorganisation der Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit gesamtgesellschaftlich auch durch eine Aufwertung erwerbsförmiger Sorgearbeit vorangetrieben werden. Die Übersetzung von Leitbildern in die (sich langsam ändernde) Realität bleibt jedoch den Eltern selbst überlassen und gelingt nicht immer, wie die gelebten Alltagsarrangements von