Haushaltsnahe Dienstleistungen für Familien. Mareike Bröcheler
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Die skizzierten Leitbilder werden gestützt von der empirischen Erkenntnis, dass Mütter und Väter heute oftmals mit ihren gelebten Arbeits- und Familienzeiten nicht zufrieden sind. Während Väter ihr aktuelles Erwerbsarbeitsvolumen meist reduzieren wollen (53 %), wünschen sich in Teilzeit erwerbstätige Mütter immer öfter eine Aufstockung (28 %). Diese Unzufriedenheit speist sich aus dem Gefühl der Zeitnot, die ein „zu wenig“ an Zeit für Kinder und auch Hausarbeit bedeutet (vgl. Destatis 2015a).43 Zwar findet sich auch bei kinderlosen Männern (mehr als die Hälfte) und Frauen (rund 50 %) heute immer öfter der Wunsch nach einer Arbeitszeitreduzierung; sobald sie jedoch Kinder haben, steigt dieser Wunsch bei den Männern deutlich an.44 Bei den Frauen zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang von Erwerbsumfang und entsprechenden Wünschen nach Reduzierung oder Erhöhung in Abhängigkeit vom Alter der Kinder. Das Vorhandensein eines Partners sowie ein höheres Alter der Kinder bedingen im Vergleich einen niedrigeren Stundenumfang bei der gewünschten Arbeitszeit. Zwar will die überwiegende Mehrheit der Mütter erwerbstätig sein, jedoch sinkt das gewünschte Erwerbsarbeitsvolumen mit steigendem Alter der Kinder ab – hier wird das Leitbild einer zwar erwerbstätigen Mutter, die nachmittags jedoch für die Betreuung ihrer (Schul-)Kinder zuständig ist, gezeichnet. Allen Modernisierungsdiagnosen zum Trotz, die eine steigende Erwerbstätigkeit junger Mütter sowie das Erstreben partnerschaftlicher Arbeitsteilungsmodelle herausstellen (siehe Exkurs), bleiben familiaristisch orientierte Vorstellungen von der Kinderbetreuung durch die Eltern bestehen: So sollten Mütter, nach mehrheitlicher Ansicht der befragten Frauen, erst wieder in Teilzeit erwerbstätig werden, wenn das Kind über drei Jahre alt ist, eine Vollzeittätigkeit hingegen erst ab einem Alter des Kindes von sieben Jahren anstreben.45 Zwar liegen der genannten Befragung Daten aus dem Jahr 2011 und damit vor dem flächendeckenden Ausbau der U-3-Betreuung zugrunde; damals kann sich jedoch gleichermaßen bereits eine deutliche Mehrheit (rund 60 %) aller Mütter mit Kindern unter drei Jahren eine externe Betreuung vorstellen (vgl. Lietzmann, Wenzig 2017).
Der Ausbau der Betreuungsplätze, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, bringt ein stetig wachsendes Betreuungsangebot und eine noch höhere Nachfrage hervor.46 Auch wenn aktuell bereits viele Kita- und Krippenplätze als erweiterte Halbtags- oder auch Ganztagsplätze angeboten werden, fehlt es oftmals noch an Passgenauigkeit von Elternwünschen und Kinderbetreuungsangeboten in Stundenumfang, in ihren Öffnungszeiten sowie der flexiblen Handhabung derselben. Wenngleich sich die Situation insbesondere im Westen Deutschlands innerhalb der letzten zehn Jahre deutlich verbessert hat, können ein weiterer Ausbau und eine Flexibilisierung der institutionellen Kinderbetreuung zur Realisierung der Erwerbsarbeitswünsche von Eltern und insbesondere Müttern beitragen (vgl. Lietzmann, Wenzig 2017; BMFSFJ 2018b).
Exkurs: Partnerschaftliche Arbeitsteilung
Unter partnerschaftlicher Arbeitsteilung wird eine Aufgabenteilung von Paaren verstanden, die möglichst egalitär ausgerichtet ist, in der beide Partner/innen zu gleichen Teilen partizipieren. Die gleichgestellte Teilhabe an bspw. der Sorgearbeit (der Begriff findet sich auch bei Fragen zur Aufteilung von Erwerbsarbeit) definiert sich dabei vor allem in Abgrenzung zu einer stark traditionalen Arbeitsteilung (Sorge als alleinige Aufgabe der Frauen) ebenso wie zu einer Arbeitsteilung in umgekehrt traditionaler Teilung (vgl. Grunow, Schulz, Blossfeld 2007: 163). Im breiten Feld der Arbeitsteilungsforschung finden sich auch die Begriffe paritätischer (bspw. Rüling 2008) oder egalitärer Aufteilung (bspw. Possinger 2013; Gerum und Zerle-Elsäßer 2017; Klünder 2018), die jedoch weitestgehend synonym, mitunter auch in Kombination verwendet werden. So werden etwa partnerschaftliche Arbeitsteilungsmuster des Öfteren anhand egalitärer Leitbilder charakterisiert. Bürgisser (Schweiz) spricht ebenfalls synonym von partnerschaftlicher und egalitärer Rollenteilung und definiert diese als „eine Form familiärer Organisation, bei der zwei Elternteile mit Kind(ern) zusammenleben, wobei beide in annährend gleichen Teilzeitpensen erwerbstätig sind und sich daneben Hausarbeit und Kinderbetreuung nach eigenem Ermessen zeitgleich und gleichverantwortlich teilen“ (Bürgisser 1998: 26 f.).
Der Begriff der partnerschaftlichen Arbeitsteilung scheint in der deutschsprachigen Literatur aktuell am weitesten verbreitet und am eingängigsten zu sein (bspw. Schulz, Blossfeld 2006; Grunow, Schulz, Blossfeld 2007; Dechant, Schulz 2014; Trappe, Köppen 2014; Wanger 2015; Bernhardt, Hipp, Allmendinger 2016), weshalb auch ich dieser Nomenklatur folge.
3.1.1 Leitbilder für Frauen
Gender bedingt als wesentlicher Bestandteil von Identität47, dass Mutterschaft für Frauen geprägt ist von wirkungsmächtigen Zuschreibungen, die ihnen neben der rein körperlichen Eigenschaft des Mutterseins diverse Aufgaben und Fähigkeiten als funktionelle Voraussetzungen von Fürsorge zuschreiben. So erfahren Kinder bereits im Heranwachsen immer wieder, wie etwa fürsorgliche Tätigkeiten nicht nur weiblich) sondern mütterlich attribuiert sind, und integrieren sie in ihre eigene Identitätsentwicklung (vgl. Krüger-Kirn 2016). Die im Selbstbild verankerten Normen und Vorstellungen wirken aus (tiefen)psychologischer Sicht in den Lebensentwürfen und Lebensrealitäten erwachsener Frauen weiter), die sie dann in möglicherweise konkurrierende Realitäten integrieren müssen. Die Bildungsexpansion und eine gesteigerte Erwerbsorientierung von Frauen bewirken seit den 1960er Jahren einen kontinuierlichen Wandel von weiblich konnotierten Leitbildern. Das Leitbild von der guten Hausfrau und Mutter (in Deutschland bis dato quasi untrennbar miteinander verbundene Funktionen) scheint zwar durch modernisierte Lebensentwürfe oder Paradigmenwechsel in der Familienpolitik (siehe Kapitel 3.3) überholt zu werden; tatsächlich jedoch wird in (West-)Deutschland immer wieder spürbar, dass etwa ein früher beruflicher Widereinstieg von Müttern oder deren Vollzeiterwerbstätigkeit nach wie vor keine volle gesellschaftliche Anerkennung erfahren. Dass dies ein Ergebnis sozialer, kultureller, ideologischer, historischer und politischer Einflüsse ist, wird im Vergleich mit anderen Ländern deutlich. So fördern etwa sozialpolitisch orientierte Wohlfahrtsstaaten (siehe Kapitel 3.2) ein weniger konfliktreiches Nebeneinander von Mutterschaft und Berufstätigkeit bei Frauen; ebenso ist die starke Erwerbsarbeitsorientierung von Müttern in Frankreich hegemoniales Leitbild mit einer langen Tradition. Die Unterschiede in den Betreuungsbedarfen und der Betreuungsinfrastruktur in Ost- und Westdeutschland repräsentieren ebenfalls die nach wie vor wirksamen, unterschiedlichen Rollenbilder für Mütter in Ost und West. So ist die negative Konnotation von (ganztags) erwerbstätigen Müttern mit dem Stempel als „Rabenmutter“ in Westdeutschland präsenter als in Ostdeutschland, wo dem frühen beruflichen Wiedereinstieg und der Vollzeiterwerbstätigkeit von Müttern auch nach dem Ende der DDR eine größere Selbstverständlichkeit zukommt. Die Sozialisation durch die Herkunftsfamilie beeinflusst das später wahrgenommene Leitbild für die eigene Mutterrolle und wird insbesondere durch das von der eigenen Mutter gelebte Arbeitsmodell geprägt. Diese Sozialisationseffekte erklären daher – sogar ungeachtet infrastruktureller Determinanten –