Uwe Johnson. Bernd Neumann

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Uwe Johnson - Bernd Neumann eva digital

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am Krakower See gewesen. Man fuhr mit dem Fahrrad bis Krakow, setzte dann auf die Insel über. Ein Wandervogel-Leben griff Platz. Man schlief auf Heuböden, schwamm in den Seen, sammelte Möweneier und beobachtete Fischreiher auf einer Nebeninsel. Wenn Johnsons Schulkameradin Brigitte Stüwe, damals noch Martens, aus dem Wasser stieg, spielte die Clique auf einem von Hand aufgezogenen Grammophon das allseits beliebte »Kann denn Liebe Sünde sein«. Unbeschwerte Tage, die dann in den Abschlußband der Jahrestage und in das Verhältnis zwischen Pagenkopf und Gesine eingehen durften:

      gemeinsam kamen wir zu dem Rest der Klasse zurückgeschwommen, und offensichtlich hatten wir die ganze Zeit miteinander geredet. War ich da einmal ohne ihn, sangen sie noch manchmal die Frage, ob denn Liebe Sünde sei. (Jahrestage, S. 1588)

      Daneben fanden die von der Schule organisierten Reisen des Chors statt, an denen Uwe Johnson als Begleiter teilnahm. Sie führten vor allem an der Ostseeküste entlang und fanden, wie die Schulkameradin Brigitte Stüwe – ihr Vater kehrt als der Fabrikant »Hünemörder« in den Jahrestagen wieder – sich entsinnt, größtenteils unter den gleichen Wandervogel-Bedingungen statt wie die Privatausflüge der Schüler. Auch bei diesen Reisen mußte man zuweilen in Scheunen übernachten.

      Uwe Johnsons unglückliche Liebe zur Musik, Martin Walser hat sie in Brandung diagnostiziert, bestimmte den Oberschüler zum Ansager bei den Gesangsveranstaltungen des Chors der John-Brinckman-Oberschule. In den Begleitumständen hat der Güstrower über diese Zeit berichtet, dabei das einzige Mal seine frühe »Poeten«-Tätigkeit selbst erwähnt:

      Danach ist für diesen Jugendfreund (denn so war die Titulatur für Angehörige der F.D.J. und ihre Anrede unter einander) vorläufig nur noch etwas zu melden, was aber gedeutet werden kann als zusätzliche »gesellschaftliche Betätigung«: er machte die Ansage für den Chor seiner Schule, wenn dieser Gastspielreisen unternahm. Der Ehrlichkeit halber ist einzugestehen, es war fast eine Conference, in der dem Publikum eine leicht verquere Vorschau auf die dargebotenen Kunst- und Volkslieder geboten wurde. Um ganz ehrlich zu sein: sie war gereimt. Um der letzten Wahrheit die Ehre zu geben: sie wurde in einer Zeitung rezensiert. Wie hiess es da? »In humorigen Zwischentexten versucht sich glückhaft ein junger Güstrower Poet«, folgt ein Name. (Begleitumstände, S. 59 ff.)

      Auch der Erhalt dieser Texte des »jungen Güstrower Poeten« ist der Witwe des damaligen Chorleiters, Louise Hoppenrath, zu danken. Sie seien an dieser Stelle auszugsweise erstveröffentlicht:

      Ein sogenanntes Vorwort

       Der Chor und die Tanzgruppe der John Brinckman-Oberschule Güstrow unternahmen im Auftrag der Landesregierung Mecklenburg vom 14. bis zum 28. Juli 1952 eine Konzertreise durch die mecklenburgischen Ostseebäder Kühlungsborn, Rerik, Wustrow, Dierhagen und Grode. Der Bericht umfaßt weiterhin die Zahlen der Auftritte und der Besucher, die namentliche Aufführung der Mitglieder der Kulturgruppe, des begleitenden Lehrpersonals und natürlich der Leitung sowie eine Beschreibung und Erläuterung des Programms. Das ist alles. Das ist durchaus nicht alles. Es fehlt noch etwas. Es fehlen Dinge, die zwar in keinem offiziellen Bericht stehen dürfen, die ich aber – da sie wahrscheinlich noch keiner von uns vergessen hat – auf meine Art noch einmal zu erzählen mir erlaube. Es sind keine Namen genannt worden, teils aus Pietäts-, teils aus Zweckmäßigkeitsgründen. Nur Herr Mahn kommt namentlich vor, aber der ist ja sowieso blamiert. Wer sich hier nicht wiederfinden sollte, dem sei gesagt, daß das nicht etwa auf die viel bemühte Pietät zurückzuführen ist. Sondern auf Zweckmäßigkeitsgründe. Diese in Skizzenform bereits während der Reise entstandenen Gedichte haben nicht den Zweck, den verlängerten Arm meiner Privatrache zu spielen oder meiner sagenhaften Bosheit ein Betätigungsfeld zu verschaffen. Was man möglicherweise für Bosheit oder Privatrache halten wird, ist ganz etwas anderes. Vielleicht weiß es unsere Kreuzworträtselspezialistin?

      Der soziale Kontext bestimmte neben der Form auch die Themen: schülerhaft gehemmte Liebe; die Eifersucht auf die Erwachsenen; der geraubte Kuß; das Gefühl, das einer nicht zu offenbaren wagt; die Scham, die überwinden muß, wer die Angebetete zum Tanz auffordern will. Es sind die Verse eines Tonio Kröger, der sich noch nicht zum Abseitsstehen entschlossen hat, sondern immer noch versucht, im Kreis der Blonden mitzuhalten:

      Pietät

      Dies war einer Jungfrau Bitte:

       Daß man ihr erlauben täte,

       daß sie zu ihrer Tante ginge,

       an der sie so von Herzen hinge.

       Und Herr Mahn voll Pietät

       gern erlaubt ihr, daß sie geht.

      Leider war man indiskret

       (Was nicht zeugt von Pietät!)

       und man konnte nicht umhin,

       zu bemerken immerhin,

       daß die Tante, welche bärtlich,

       tat sie küssen äußerst zärtlich.

      Wenn man nun mit Pietät

       dies zu untersuchen geht,

       dann ergibt sich sonnenklar,

       daß das wohl ihr Onkel war

       (übrigens, der Onkel sächselt)

       und sie hat das nur verwechselt.

      Und aus dieser Perspektive,

       (die wahrscheinlich eine schiefe)

       sich mit Deutlichkeit ergibt

       (da der halbe Chor verliebt):

       daß der halbe Chor verwandt.

      Dieser Zustand ist bekannt

       als ausschließlich erster Grad,

       was vergnüglich, in der Tat.

      Ewig dem vor Augen schwebt,

       der dies alles miterlebt:

       Verwandtschaftliche Pietät

       oft wunderliche Wege geht.

      Soviel zur poetischen Behandlung erotisch verursachten Neids durch den Abiturienten Uwe Johnson. Eine andere Talentprobe lautete:

      Vorbildlicher Lerneifer

       oder:

       Ich kam, ich sah –: Er siegte

      Um nach stattgehabter Kauung

       zu befördern die Verdauung,

       ging am Abend ich spazieren –

       und tat schöne Waldeslüfte

       durch die angenehmen Düfte

       von der Turf verzieren.

      Plötzlich ward mir augenscheinlich

       (und es war mir schrecklich peinlich!)

       eine Tante und ihr Onkel.

      Denn das Wandern ist ergötzlich

       und

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