Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46. Rainer Huhle

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46 - Rainer Huhle страница 23

Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46 - Rainer Huhle

Скачать книгу

gegenwärtigen Regierung zu verhüten. Ich selbst reise in ganz Deutschland herum, um genau das Gegenteil zu erzielen. Deshalb möchte ich bitten, daß meine eigene Zeitung mir nicht mit einem taktisch unklugen Artikel einen Dolchstoß in den Rücken versetzt...“ (047-PS).

      In einem erbeuteten Filmstreifen wird Ihnen der Angeklagte Alfred Rosenberg von der Leinwand her die Geschichte selbst erzählen. Die SA störte gewaltsam den Wahlkampf, und in Berichten des SD, die uns vorliegen, wird im einzelnen geschildert, wie später die Angehörigen des Sicherheitsdienstes das Wahlgeheimnis verletzten, um die Gegner aufzuspüren. Einer der Berichte enthält die folgende Erklärung:

      „... Die Kontrolle wurde derart durchgeführt, daß einige Personen des Wahlausschusses vorher sämtliche Stimmzettel mit Nummern versehen haben. Bei der Wahl selbst wurde dann eine Liste geführt. Da die Scheine den Nummern folgend ausgegeben wurden, war es nachher an Hand der geführten Liste möglich, die Personen herauszufinden, die eine ungültige oder Nein-Stimme abgegeben hatten. Ein Exemplar dieser gezeichneten Scheine ist beigefügt. Die Kenntlichmachung erfolgte mit Hilfe entrahmter Milch auf der Rückseite....“

      Das Auftreten der Partei kam allmählich, neben den allgemein üblichen Erscheinungsformen politischer Auseinandersetzung, einer Probe für den Kriegsfall gleich. Benutzt wurde dazu eine Gliederung der Partei, die „Sturmabteilungen“, gewöhnlich SA genannt. Dies war eine freiwillige Organisation jugendlicher und fanatischer Nazis, die in der Gewaltanwendung unter einer halbmilitärischen Disziplin ausgebildet wurden. Ihre Mitglieder waren ursprünglich zum persönlichen Schutz der Nazi-Führer bestimmt, entwickelten sich aber sehr bald von einem Verteidigungs- zu einem Angriffstrupp. Sie sprengten als ein geübter Haufen von Raufbolden Versammlungen der anderen Parteien und terrorisierten ihre Gegner.

      Sie brüsteten sich damit, daß es ihre Aufgabe sei, die Nazi-Partei zum „Herrn der Straße“ zu machen.

      Aus der SA ging eine Reihe anderer Organisationen hervor. Dazu gehören die „Schutzstaffeln“, gewöhnlich SS genannt, die im Jahre 1925 aufgestellt wurden und sich durch die Bedenkenlosigkeit und Grausamkeit ihrer Mitglieder auszeichneten; ferner der „Sicherheitsdienst“, gewöhnlich SD genannt, und die „Geheime Staatspolizei“, die berüchtigte Gestapo, die im Jahre 1934 nach dem Aufstieg der Nazis zur Macht gegründet wurde.

      Ein Blick auf eine Karte der Nazi-Organisation genügt, um zu zeigen, wie vollkommen sie sich von politischen Parteien unterschied, wie wir sie kennen. Ihr Gesetzgeber war der Führer mit seinen Unterführern. Sie hatte eigene Gerichte und eine eigene Polizei. Die Verschwörer errichteten in der Partei ihre eigene Hoheit und konnten so – außerhalb des Gesetzes – Anordnungen erlassen oder Strafen verhängen, wie sonst nur der rechtmäßige Staat, und in vielen Fällen nicht einmal er. Die Befehlsgewalt in der Partei war militärisch aufgebaut. Ihre Gliederungen waren soldatisch nach Namen und Aufgabe; so die Stürme, in denen Waffenausbildung getrieben wurde, das Kraftfahrkorps, das Fliegerkorps und die berüchtigten „Totenkopf verbände“, die ihren Namen nicht zu unrecht trugen.

      Die Partei hatte eine eigene Geheimpolizei, eigene Schutzabteilungen, hatte einen Nachrichtendienst und einen Abwehrdienst, hatte ihre Rollkommandos und ihre Jugendgliederungen. Sie errichtete einen sorgfältig ausgearbeiteten Verwaltungsapparat, um Spione und Spitzel ausfindig zu machen und zu beseitigen, Konzentrationslager einzurichten, Todeswagen arbeiten zu lassen, oder Gelder für die Bewegung aufzubringen. Durch dieses planmäßig ausgelegte Netz hat die Nazi-Partei, wie sich ihre Führer später rühmten, allmählich mit ihrer Aufsicht jede Einzelheit und jeden Winkel des deutschen Lebens beherrscht. Vorangegangen aber war ein bitterer innerer Kampf, gekennzeichnet durch Brutalität und Verbrechen, die wir hier anklagen. Um ihn vorzubereiten, hatte sich die Partei eine eigene Polizeiorganisation geschaffen. Sie wurde das Muster und das Werkzeug des Polizeistaates, der das erste Ziel in dem Gesamtplan war.

      Die Gliederungen der Partei, unter ihnen das Korps der Politischen Leiter, der SD, die SS, die SA und die berüchtigte Gestapo, – sie alle werden vor Ihnen, meine Herren Richter, als verbrecherische Organisationen angeklagt. In ihnen hatten sich, wie wir aus ihren eigenen Dokumenten beweisen werden, nur bedenkenlos ergebene Nazis zusammengefunden, die aus Überzeugung und Veranlagung zu den größten Gewalttaten bereit waren, um das gemeinsame Programm zu fördern. Sie knüttelten jeden demokratischen Widerstand nieder und brachten ihre Gegner zum Schweigen. Am Ende glückte ihnen dann das Bündnis mit Opportunisten, Militaristen, Industriellen, Monarchisten und politischen Reaktionären.

      Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Kanzler der deutschen Republik ernannt. Einer schlimmen Brüderschaft – ihre hervorragendsten Glieder, soweit sie am Leben sind, sitzen hier auf der Anklagebank – war es gelungen, sich des Staates zu bemächtigen. Hinter dem Schutz des neuen Hauses, in das sie eingezogen waren, gingen sie nun daran, den Eroberungskrieg, den sie sich heimlich schon seit langer Zeit in ihren Plänen zurechtgelegt hatten, in Szene zu setzen.

      Der zweite Abschnitt der Verschwörung hatte begonnen.

      Wir wollen nun untersuchen, wie die Verschwörer, Schritt für Schritt und unter scheußlichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit ihre Macht im Staate ausbauten; um Deutschland für den Angriffskrieg bereit zu machen, der nicht zu umgehen war, wollten sie ihre Ziele erreichen.

      Die Deutschen der zwanziger Jahre waren ein durch Niederlage und Zerfall ihrer überlieferten politischen Anschauungen enttäuschtes und verwirrtes Volk. Die demokratischen Teile dieses Volkes, die an der Entwicklung des neuerrichteten und schwächlichen Staatsgebildes der Weimarer Republik arbeiteten, wurden von den demokratischen Kräften der übrigen Welt, einschließlich meines eigenen Landes, nur unzureichend unterstützt. Man kann nicht leugnen, daß Deutschland, als eine allgemeine Krise in der Welt seine Schwierigkeiten noch vermehrte, sich in seinem wirtschaftlichen und politischen Leben einem so starken und verworrenen Druck ausgesetzt sah, daß kühne Maßnahmen notwendig waren.

      Nun ist es gewiß jedem Volk freigestellt, seine inneren Fragen nach eigenem Ermessen zu lösen. Das Programm der Nazis war aber sofort als ein Verzweiflungsruf zu erkennen, bestimmt für ein Volk, das noch unter den Wirkungen eines verlorenen Krieges litt. Die Ziele der von den Nazis verkündeten Politik waren offensichtlich in Europa nur erreichbar, wenn der Krieg von neuem ausbrach und erfolgreicher endete. Denn die Antwort der Verschwörer auf die deutschen Fragen war der Plan, die im ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete zurückzugewinnen und andere fruchtbare Landstriche Mitteleuropas durch Enteignung oder Ausrottung ihrer Einwohner zu erwerben. Sie erwogen auch, alle anderen Nachbarvölker zu vernichten oder dauernd zu schwächen, um die eigentliche Herrschaft über Europa und wahrscheinlich die Welt zu erlangen. Die genauen Grenzen ihres Ehrgeizes brauchen wir nicht zu umschreiben, denn ein Angriffskrieg war und ist gegen Vertrag und Gesetz; gleichgültig ob es um einen großen oder einen kleinen Einsatz geht.

      Es gab nun damals zwei Regierungen in Deutschland, – die wirkliche und die scheinbare. Die Formen der deutschen Republik wurden eine Zeitlang aufrechterhalten; sie war die nach außen sichtbare Regierung. Aber die wirkliche Macht im Staate war außer und über dem Gesetz, sie ruhte im Führerkorps der Nazi-Partei.

      Am 27. Februar 1933, kaum einen Monat nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, wurde das Reichstagsgebäude in Brand gesetzt. Daß dieses Symbol einer freien parlamentarischen Regierung in Flammen stand, kam den Nazis sehr gelegen, so daß man glaubte, sie hätten das Feuer selbst gelegt. Wenn wir die Liste ihrer Verbrechen, die bekannt geworden sind, überdenken, können wir gewiß nicht annehmen, daß sie vor einfacher Brandstiftung zurückschrecken würden. Es ist jedoch nicht notwendig, die Streitfrage zu entscheiden, wer das Feuer angelegt habe. Wichtig ist allein, wer Nutzen aus dem Brande gezogen und welche Wirkung dieser Brand in der öffentlichen Meinung hervorgerufen hat. Die Nazis beschuldigten sofort die Kommunistische Partei, das Verbrechen angestiftet und ausgeführt zu haben, und waren sehr eifrig darauf

Скачать книгу