Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46. Rainer Huhle

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Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46 - Rainer Huhle

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zugebilligt werden müsse. Wir nehmen daher die Last auf uns, zu beweisen, daß verbrecherische Taten unter der Verantwortung der Angeklagten begangen worden sind.

      Wenn ich sage, daß wir einen Schuldspruch nur für erwiesene Verbrechen verlangen, meine ich nicht eine bloße äußere oder zufällige Verletzung internationaler Abkommen. Wir erheben Anklage wegen eines Verhaltens, das nach Plan und Absicht im moralischen und im rechtlichen Sinne Unrecht bedeutet. Und wir meinen damit nicht, daß die Angeklagten es nach Menschenart nicht immer mit allen Satzungen so genau genommen haben mögen, wie vielleicht viele von uns, wären wir in ihrer Lage gewesen, es nicht anders getan hätten. Nein, nicht weil sie gewöhnlichen menschlichen Schwächen unterlegen sind, klagen wir sie an. Ihr ungewöhnliches und unmenschliches Verhalten bringt sie vor diese Schranken.

      Wir werden Sie, meine Herren Richter, nicht auffordern, sich Ihr Urteil über diese Männer nach dem Zeugnis ihrer Feinde zu bilden. Die Anklageschrift enthält nicht einen Punkt, der nicht durch Bücher und Aufzeichnungen belegt werden kann. Die Deutschen waren von jeher peinlich genau in ihren Aktenaufzeichnungen, und die Angeklagten teilten durchaus die teutonische Leidenschaft für Gründlichkeit, Dinge zu Papier zu bringen. Auch waren sie nicht ohne Eitelkeit, und deshalb häufig darauf bedacht, daß das Bild ihr Tun bezeuge. Wir werden Ihnen ihre eigenen Filme zeigen. Sie werden ihr eigenes Gehaben beobachten und ihre eigene Stimme hören, wenn die Angeklagten Ihnen von der Leinwand her noch einmal einige Ereignisse aus dem Verlauf der Verschwörung vorführen werden.

      Wir möchten ebenfalls klarstellen, daß wir nicht beabsichtigen, das ganze deutsche Volk zu beschuldigen. Wir wissen, daß die Nazi-Partei bei der Wahl nicht mit Stimmenmehrheit an die Macht gelangt ist. Wir wissen, daß ein unseliges Bündnis sie an die Macht gebracht hat, ein Bündnis, zu dem sich die Besessenen des wütenden Umsturzwillens unter den Nazi-­Revolutionären mit der Hemmungslosigkeit unter den deutschen Reaktionären und der Angriffslust unter den deutschen Militaristen zusammengetan hatten. Wenn die breite Masse des deutschen Volkes das nationalsozialistische Parteiprogramm willig angenommen hätte, wäre in den früheren Zeiten der Partei die SA nicht nötig gewesen, und man hätte auch keine Konzentrationslager und keine Gestapo gebraucht, beides Einrichtungen, die sofort geschaffen wurden, nachdem die Nazis sich des Staates bemächtigt hatten. Erst nachdem sich diese Neuerungen, aller gesetzlichen Bindung ledig, im Innern als erfolgreich erwiesen hatten, wurden sie auch ins Ausland übertragen.

      Das deutsche Volk sollte inzwischen erfahren haben, daß das amerikanische Volk ihm ohne Furcht und ohne Haß gegenübersteht. Es ist richtig, daß die Deutschen uns die Schrecken der modernen Kriegführung erst gelehrt haben; aber die Verwüstung vom Rhein bis zur Donau zeigt, daß wir – gleich unseren Verbündeten – nicht ungelehrige Schüler gewesen sind. Wenn uns daher auch die Tapferkeit und die Tüchtigkeit der Deutschen im Kriege nicht in Schrecken versetzen konnten, und wenn wir auch von ihrer politischen Reife nicht überzeugt sind, so haben wir doch Achtung vor ihrer Geschicklichkeit in den Künsten des Friedens, vor ihren technischen Fähigkeiten und vor dem nüchternen Fleiß und der Selbstzucht der Massen des deutschen Volkes.

      Im Jahre 1933 sahen wir das deutsche Volk nach dem Rückschlag des letzten Krieges sein Ansehen in Handel, Industrie und Kunst zurückgewinnen. Wir beobachten sein Vorankommen ohne Mißgunst oder Arglist. Das Nazi-Regime hat diesen Aufstieg unterbrochen. Sein Angriff ist zurückgeprallt, und Deutschland liegt in Trümmern. Die Bereitwilligkeit der Nazis, das deutsche Wort ohne Zögern zu verpfänden und es ohne Scham zu brechen, hat die deutsche Diplomatie in einen Ruf der Doppelzüngigkeit gebracht, der ihr auf Jahre hinderlich sein wird. Die Prahlerei mit der „Herrenrasse“ ist durch den Dünkel und die Hoffart der Nazis zu einem Hohn geworden, der den Deutschen noch in künftigen Geschlechtern überall in der Welt begegnen wird. Der Alpdruck der Nazi-Zeit hat dem deutschen Namen in der ganzen Welt einen neuen und düsteren Sinn gegeben, der Deutschland um ein Jahrhundert zurückwerfen wird.

      Wahrlich, die Deutschen – nicht weniger als die Welt draußen – haben mit den Angeklagten eine Rechnung zu begleichen.

      Die Tatsache des Krieges und sein Verlauf, die den Hauptgegenstand unseres Prozesses bilden, sind Geschichte.

      Vom 1. September 1939, als die deutschen Armeen die polnische Grenze überschritten, bis zum September 1942, als sie auf den heldenhaften Widerstand bei Stalingrad stießen, schienen die deutschen Waffen unbesiegbar zu sein. Dänemark und Norwegen, Holland und Frankreich, Belgien und Luxemburg, der Balkan und Afrika, Polen, die Baltischen Staaten und Teile Rußlands, sie alle waren mit schnellen, mächtigen und wohlgezielten Schlägen überrumpelt und erobert worden. Dieser Anschlag auf den Frieden der Welt ist das Verbrechen gegen die Gemeinschaft der Völker. Sie unterbreiten daher auch der internationalen Gerichtsbarkeit alle Verbrechen der Beihilfe und Vorbereitung zu diesem Anschlag, die sonst vielleicht nur als innere Angelegenheit angesehen würden. Es war ein Angriffskrieg, und ihn gerade hatten die Völker der Welt geächtet. Es war ein Krieg unter Bruch von Verträgen, die den Frieden der Welt hatten sichern sollen.

      Dieser Krieg kam nicht von ungefähr; er wurde über eine lange Zeitspanne mit nicht wenig Geschick und List geplant und vorbereitet. Die Welt hat vielleicht noch niemals ein solches Zusammentreffen und Aufpeitschen der Kräfte und Leistungen eines Volkes gesehen. Deutschland, das zwanzig Jahre zuvor niedergeworfen, entwaffnet und verstümmelt worden war, ist denn ja auch der Verwirklichung seines Planes, Europa zu beherrschen, so nahe gekommen. Was man auch sonst über die Urheber dieses Krieges sagen mag, an Kraft der Organisation haben sie gewiß Erstaunliches geleistet.

      Zuerst müssen wir daher untersuchen, wie die Angeklagten und ihre Mitverschworenen Deutschland zum Kriege vorbereitet und angetrieben haben.

      Ganz allgemein gesehen, wird unsere Beweisführung ergeben, daß sich die Angeklagten alle zu irgendeiner Zeit gemeinsam mit der Nazi-Partei zu einem Plan zusammengetan hatten, von dem sie wohl wußten, daß er nur durch den Ausbruch eines Krieges in Europa verwirklicht werden konnte. Als sie sich des deutschen Staates bemächtigten, das deutsche Volk unterjochten, eine Schreckensherrschaft errichteten und die Andersdenkenden ausrotteten, als sie den Krieg planten und begannen, als sie ihn mit bewußter Unbarmherzigkeit führten und mit den besiegten Völkern nach dem Vorsatz ihres Verbrechens verfuhren, – immer handelten sie gemeinsam. Und alles in seinen einzelnen Stufen gehört zu ihrer Verschwörung, einer Verschwörung, die sich, kaum daß eine Sache erreicht war, sofort ein neues Ziel von noch größerem Ehrgeiz setzte: Wir werden vor Ihnen auch das verwickelte Gewebe von Organisationen aufdecken, die diese Männer schufen und benutzten, um ihre Ziele zu erreichen. Wir werden beweisen, wie alle diese Ämter und Amtsträger sich zu verbrecherischen Zwecken verbrecherischer Mittel bedienen sollten, ersonnen von den Angeklagten und ihren Mitverschwörern, von denen das Kriegsschicksal oder die eigene Hand viele unserem Zugriff entzogen haben.

      Ich möchte die Beweisführung-besonders zu Punkt Eins der Anklageschrift – eröffnen und mich mit dem gemeinsamen Plan oder der Verschwörung beschäftigen, deren Ziele nur durch Verbrechen gegen den Frieden, durch Kriegsverbrechen und durch Verbrechen gegen die Menschlichkeit erreichbar waren. Ich werde dabei das Hauptgewicht nicht auf einzelne rohe oder entartete Ausschreitungen legen, die sich unabhängig von einem gemeinsamen Plan zugetragen haben mögen. Denn der Prozeß soll nicht durch umständliche Einzelheiten besonderer Untaten in die Länge gezogen werden, so daß wir uns in einem „Dickicht von Einzelfällen“ verlören. Ich werde daher auch die persönliche Tätigkeit der Angeklagten nur dann berühren, wenn dadurch etwa der gemeinsame Plan um so sichtbarer würde.

      Die Anklage, die von den Vereinigten Staaten vorgetragen wird, gilt denen, die all diese Verbrechen erdacht und angeordnet haben. Diese Angeklagten waren Männer von Rang und Stand. Sie haben ihre Hände nicht mit Blut besudelt, sondern es verstanden, sich kleinere Leute als Werkzeuge zu verschaffen. Wir aber wollen die treffen, die, zu allen Ränken bereit, am Plan gearbeitet haben, die Anstifter und Rädelsführer, ohne deren böses Treiben die Welt nicht so lange Zeit unter der Geißel von Gewalttat und Rechtlosigkeit und in der Qual wühlender Schmerzen gelitten hätte in

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