Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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mit de­nen er die be­schmutz­ten Stel­len der Ta­pe­te ver­deck­te. Auf die Fens­ter­schei­ben kleb­te er durch­schei­nen­de Bil­der von Flüs­sen mit Käh­nen, von Vo­gel­schwär­men auf glü­hen­dem Him­mel, von bunt­ge­klei­de­ten Da­men oder von ei­ner Rei­he klei­ner, schwar­zer Ge­stal­ten, die auf ei­ner schnee­be­deck­ten Ebe­ne wan­der­ten.

      Auf die­se Wei­se sah sein Zim­mer, das ge­ra­de groß ge­nug war, um dar­in zu schla­fen und zu sit­zen, sehr bald wie das In­ne­re ei­ner be­mal­ten Pa­pier­la­ter­ne aus. Er hielt die Wir­kung für hin­rei­chend und ver­brach­te den Abend da­mit, aus ko­lo­rier­ten Blät­tern, die er noch be­saß, ei­ni­ge Vö­gel aus­zu­schnei­den und an die De­cke zu kle­ben. Dann leg­te er sich schla­fen, ein­ge­wiegt durch das Pfei­fen der Ei­sen­bahn­zü­ge.

      Am nächs­ten Tage kehr­te er früh­zei­tig heim und brach­te Ge­bäck und eine Fla­sche Ma­dei­ra mit, die er beim Ko­lo­ni­al­wa­ren­händ­ler ge­kauft hat­te. Dann muss­te er noch­mals hin­un­ter, um zwei Tel­ler und zwei Glä­ser zu be­sor­gen, wor­auf er al­les auf den Wasch­tisch stell­te, des­sen schmut­zi­ge Plat­te er durch eine Ser­vi­et­te ver­deck­te. Das Wasch­be­cken und den Was­ser­krug hat­te er dar­un­ter ver­steckt.

      Und nun war­te­te er.

      Um vier­tel nach fünf er­schi­en sie; die bun­ten Bil­der­chen ge­fie­len ihr sehr, und sie rief:

      »Es ist nett bei Ih­nen, nur auf der Trep­pe trifft man zu viel Leu­te.«

      Er nahm sie in sei­ne Arme und küss­te lei­den­schaft­lich ihre Haa­re durch den Schlei­er hin­durch zwi­schen Stirn und Hut.

      An­dert­halb Stun­den spä­ter be­glei­te­te er sie zu ei­ner Drosch­ken­hal­te­stel­le in der Rue de Rome. Als sie im Wa­gen saß, sag­te er lei­se:

      »Diens­tag um die­sel­be Zeit.«

      Sie wie­der­hol­te:

      »Um die­sel­be Zeit Diens­tag.«

      Da es schon dun­kel­te, zog sie sei­nen Kopf noch ein­mal an sich und küss­te ihn auf den Mund.

      Der Kut­scher hieb auf sein Pferd ein; sie rief:

      »Leb’ wohl, Bel-Ami!«

      Der Schim­mel be­gann lang­sam zu tra­ben und die Drosch­ke roll­te da­von.

      Drei Wo­chen lang be­such­te Frau de Ma­rel­le je­den zwei­ten oder drit­ten Tag ih­ren Freund, manch­mal des Mor­gens, manch­mal des Abends.

      Ei­nes Nach­mit­tags, als er sie er­war­te­te, hör­te er lau­ten Lärm auf der Trep­pe und eil­te nach der Tür. Ein Kind heul­te. Eine wü­ten­de Män­ner­stim­me schrie:

      »Willst du Ha­lun­ke wohl das Maul hal­ten.«

      Eine schril­le, kei­fen­de Wei­ber­stim­me ant­wor­te­te:

      »Die dre­cki­ge Hure, die im­mer zum Jour­na­lis­ten hin­auf­läuft, hat mei­nen Ni­co­las um­ge­sto­ßen. So ein Ge­sin­del läuft hier frei her­um und gibt nicht mal auf die Kin­der auf der Trep­pe acht.«

      Du­roy war ent­setzt und zog sich zu­rück, denn schon hör­te er das Rau­schen von Rö­cken und has­ti­ge Schrit­te die letz­te Trep­pe hin­auf­ei­len.

      Es klopf­te gleich dar­auf an sei­ner Tür, die er wie­der ge­schlos­sen hat­te, und er öff­ne­te. Ma­da­me de Ma­rel­le stürz­te atem­los, ver­stört ins Zim­mer und stam­mel­te: »Hast du ge­hört?«

      Er tat, als ob er von nichts wüss­te:

      »Nein, was denn?«

      »Wie sie mich be­lei­digt ha­ben?«

      »Wer?«

      »Die ab­scheu­li­chen Men­schen, die da un­ten woh­nen.«

      »Aber nein, was gibt es denn? Sage es mir doch!«

      Sie fing an zu schluch­zen und konn­te kein Wort her­vor­brin­gen. Er muss­te ihr den Hut ab­neh­men, ihr Kor­sett öff­nen, sie aufs Bett le­gen und ihre Schlä­fen mit ei­nem feuch­ten Tuch küh­len; sie er­stick­te fast. Dann, als ihre Er­re­gung sich et­was ge­legt hat­te, brach ihre gan­ze Wut und Ent­rüs­tung los. Er soll­te so­fort hin­un­ter­ge­hen, sich mit den Leu­ten schla­gen, sie um­brin­gen.

      »Das sind doch Ar­bei­ter, rohe Men­schen«, wie­der­hol­te er im­mer wie­der. »Be­den­ke doch, man müss­te sie der Po­li­zei an­zei­gen, du könn­test er­kannt und fest­ge­nom­men wer­den, du wä­rest ver­lo­ren. Man gibt sich mit sol­chen Leu­ten nicht ab.«

      Sie kam nun auf einen an­de­ren Ge­dan­ken.

      »Was sol­len wir tun, ich kann nicht wie­der her­kom­men!«

      »Ganz ein­fach,« er­wi­der­te er, »ich zie­he aus.«

      Sie mur­mel­te:

      »Ja, aber das dau­ert zu lan­ge.«

      Dann fiel ihr plötz­lich et­was an­de­res ein und sie sag­te schnell und wie­der ganz hei­ter:

      »Nein, höre mal, ich weiß et­was. Über­lass es mir, küm­me­re dich um nichts. Ich schi­cke dir mor­gen ein blau­es Brief­chen.« — (Blau­es Brief­chen nann­te sie die ge­schlos­se­nen Te­le­gram­me, wie sie in­ner­halb Pa­ris be­för­dert wur­den.) — Jetzt lä­chel­te sie, ent­zückt über ih­ren Ein­fall, den sie nicht of­fen­ba­ren woll­te und trieb tau­send ver­lieb­te Toll­hei­ten.

      Trotz­dem war sie sehr auf­ge­regt, als sie die Trep­pe wie­der hin­un­ter­ging; sie stütz­te sich mit al­ler Kraft auf den Arm ih­res Ge­lieb­ten; ihre Bei­ne tru­gen sie kaum.

      Die Trep­pe war leer, sie tra­fen nie­man­den.

      Da er spät auf­stand, lag er noch im Bett, als ihm am nächs­ten Mor­gen um elf Uhr der Post­bo­te das ver­spro­che­ne »blaue Brief­chen« brach­te.

      Du­roy öff­ne­te es und las:

      »Ren­dez­vous noch heu­te um fünf Uhr in der Rue de Con­stan­ti­no­ple 127. Lass Dich in die von Frau Du­roy ge­mie­te­te Woh­nung füh­ren. Ei­nen Kuss von Clo.«

      Punkt fünf Uhr trat er in die Pfört­ner­lo­ge ei­nes großen Cham­bre-gar­nie-Hau­ses ein und frag­te:

      »Hat hier Ma­da­me Du­roy eine Woh­nung ge­mie­tet?«

      »Ja, mein Herr.«

      »Wol­len Sie mich bit­te dort­hin füh­ren?«

      Der Mann war of­fen­bar an hei­kle Um­stän­de ge­wöhnt, wo man sich klug und vor­sich­tig ver­hal­ten muss­te. Er sah

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