Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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Ohren aus und schmol­zen zwi­schen Zun­ge und Gau­men wie sal­zi­ge Bon­bons. Nach der Sup­pe gab es Lachs­fo­rel­le, ro­sig wie das Fleisch ei­nes jun­gen Mäd­chens, und nun be­gann die Un­ter­hal­tung in Fluss zu kom­men. Man sprach zu­erst über einen Stadt­klatsch, der da­mals über­all be­spro­chen wur­de; es war die Ge­schich­te ei­ner Dame der Ge­sell­schaft, die vom Freund ih­res Man­nes da­bei über­rascht wur­de, wie sie mit ei­nem aus­län­di­schen Fürs­ten im Se­paré sou­pier­te.

      Fo­res­tier lach­te sehr über das Aben­teu­er, die bei­den Da­men aber er­klär­ten den in­dis­kre­ten Schwät­zer für einen Lüm­mel und Feig­ling. Du­roy schloss sich ih­rer Mei­nung an und er­klär­te laut und deut­lich, in der­ar­ti­gen Fäl­len wäre für den Ehren­mann strengs­te Dis­kre­ti­on ge­bo­ten, gleich­gül­tig, ob er Be­tei­lig­ter, Ver­trau­ter oder bloß zu­fäl­li­ger Mit­wis­ser sei. Er füg­te hin­zu, wie voll von wun­der­vol­len Din­gen das Le­ben wäre, wenn wir im­mer auf eine ge­gen­sei­ti­ge, un­be­ding­te Ver­schwie­gen­heit rech­nen könn­ten. Was die Frau­en nur zu oft, ja fast im­mer zu­rück­schreckt, ist die Ent­hül­lung des Ge­heim­nis­ses. Er lä­chel­te und fuhr fort:

      »Nicht wahr? — Wie vie­le wür­den sich, dem hef­ti­gen Ver­lan­gen und der vor­über­ge­hen­den Lau­ne ge­hor­chend, zur Lie­be hin­rei­ßen las­sen, wenn sie nicht fürch­te­ten, ein. leich­tes, kur­z­es Glück mit ewi­ger Schan­de und schmerz­li­chen Trä­nen be­zah­len zu müs­sen. Er sprach mit an­ste­cken­der Über­zeu­gungs­kraft, als plä­dier­te er für sich selbst, als woll­te er sa­gen: »Bei mir hat man der­ar­ti­ge Ge­fah­ren nicht zu fürch­ten! Bit­te, pro­bie­ren Sie es nur ein­mal!«

      Die bei­den Frau­en sa­hen ihn an und ihre Bli­cke schie­nen ihm zu­zu­stim­men. Sie fan­den, er sprä­che gut und zu­tref­fend, und ver­rie­ten durch ihr wohl­wol­len­des, zu­stim­men­des Schwei­gen, dass ihre un­beug­sa­me Moral der Pa­ri­se­r­in­nen nicht lan­ge aus­hal­len wür­de, wenn ab­so­lu­te Ver­schwie­gen­heit im Voraus ga­ran­tiert wäre.

      Fo­res­tier, der fast auf dem Sofa lag, ein Bein an sich ge­zo­gen und die Ser­vi­et­te in die Wes­te ge­steckt, um den Frack nicht zu be­fle­cken, er­klär­te plötz­lich mit dem über­zeug­ten La­chen ei­nes Skep­ti­kers:

      »Weiß Gott! Das wür­den sie aus­nüt­zen. Wenn man nur der Ver­schwie­gen­heit si­cher wäre. Don­ner­wet­ter! Und die Ehe­män­ner! Die ar­men Ehe­män­ner!«

      Das Ge­spräch kam nun auf die Lie­be im All­ge­mei­nen. Du­roy hielt sie zwar nicht für ewig, aber für dau­er­haft. Sie muss­te zu ei­ner zärt­li­chen Freund­schaft und ge­gen­sei­ti­gem Ver­trau­en füh­ren. Die Ve­rei­ni­gung der Sin­ne sei nur ein Sie­gel zur Ge­mein­schaft der Her­zen. Vor pei­ni­gen­den Ei­fer­suchtss­ze­nen da­ge­gen und vor all den Qua­len, die das Ende ei­ner sol­chen Lie­be zu be­glei­ten pfle­gen, hat­te er einen hef­ti­gen Ab­scheu.

      Dann schwieg er. Ma­da­me de Ma­rel­le seufz­te:

      »Ja, die Lie­be ist das ein­zig An­ge­neh­me und Schö­ne im Le­ben und wir ver­der­ben sie nur all­zu oft durch un­mög­li­che For­de­run­gen.«

      Frau Fo­res­tier spiel­te mit dem Mes­ser und sag­te:

      »Ja … ja … es ist so schön, ge­liebt zu wer­den!«

      Träu­me­risch schweif­ten ihre Bli­cke um­her, und sie be­gann über Din­ge nach­zu­den­ken, von de­nen sie nicht zu spre­chen wag­te.

      Da das ers­te Zwi­schen­ge­richt auf sich war­ten ließ, so schlürf­ten sie von Zeit zu Zeit einen Schluck Cham­pa­gner und knab­ber­ten ein Stück Krus­te von klei­nen run­den Bröt­chen und ihre Ge­dan­ken weil­ten bei der Lie­be, schwol­len lang­sam an und wirk­ten be­rau­schend auf ihre See­len, wie der hel­le Cham­pa­gner, der Trop­fen für Trop­fen durch ihre Keh­len rann, ihr Blut er­hitz­te und den Geist ver­wirr­te.

      Man ser­vier­te zar­te, leich­te Ham­mel­ko­te­letts, die auf ei­ner dich­ten Un­ter­la­ge von Spar­gel­spit­zen la­gen.

      »Oh, das ist was Fei­nes!« rief Fo­res­tier aus.

      Und sie aßen lang­sam und ge­nos­sen das schö­ne Fleisch und das wei­che cre­me­ar­ti­ge Ge­mü­se.

      Du­roy fuhr fort:

      »Wenn ich eine Frau lie­be, dann ver­schwin­det für mich al­les üb­ri­ge auf der Welt.«

      Er sag­te das aus vol­ler Über­zeu­gung und be­rausch­te sich an die­sem Vor­ge­fühl von Lie­bes­freu­de, wie er sich eben jetzt an dem Ge­nuss und Wohl­ge­schmack der Ta­fel be­geis­ter­te.

      Ma­da­me Fo­res­tier mur­mel­te mit ei­nem un­ver­ständ­li­chen und un­nah­ba­ren Ge­sichts­aus­druck:

      »Es gibt kein grö­ße­res Glück als den ers­ten Hän­de­druck, wenn die eine Hand fragt: ›Liebst du mich?’, und die an­de­re dar­auf mit ei­nem lei­sen Druck er­wi­dert: ›Ja, ich lie­be dich!’«

      Ma­da­me de Ma­rel­le hat­te eben wie­der ein neu­es Glas Cham­pa­gner aus­ge­trun­ken und setz­te es wie­der hin mit den Wor­ten:

      »Ich bin we­ni­ger pla­to­nisch!«

      Alle lach­ten und stimm­ten ihr mit er­reg­ten Bli­cken zu.

      Fo­res­tier lehn­te sich auf dem Sofa zu­rück, stütz­te sich mit aus­ge­brei­te­ten Ar­men auf die Kis­sen und sag­te ganz ernst­haft:

      »Die­se Frei­mü­tig­keit ehrt Sie und be­weist, dass Sie eine of­fen­her­zi­ge, prak­ti­sche Frau sind. Aber dürf­te ich viel­leicht er­fah­ren, wel­cher An­sicht Ihr Herr Ge­mahl ist?«

      Sie zuck­te be­däch­tig die Ach­seln, mit tiefer Ver­ach­tung, dann sag­te sie mit kla­rer Stim­me:

      »Mein Mann hat über die­sen Punkt über­haupt kei­ne Mei­nung … er ent­hält sich …«

      Dann glitt die Un­ter­hal­tung lang­sam von den all­ge­mei­nen Theo­ri­en über Lie­be auf jene schlüpf­ri­gen Ge­bie­te hin­ab, wo man an fei­nen An­spie­lun­gen aus dem Reich des Eros Ge­fal­len fin­det.

      Es kam zu wit­zi­gen, ge­schick­ten Zwei­deu­tig­kei­ten, zu ei­nem Schlei­er­lüf­ten mit Wor­ten. Es über­stürz­ten sich ver­we­ge­ne Scher­ze und pi­kan­te An­deu­tun­gen, die uns al­les blitz­ar­tig klar und scharf vor Au­gen füh­ren, was wir nie­mals aus­zu­spre­chen wa­gen wür­den und uns plötz­lich in lei­den­schaft­li­cher Er­re­gung al­les ent­hül­len, was sonst scham­haft und ver­schwie­gen bei uns im In­nern ver­schlos­sen bleibt, und was der vor­neh­men Ge­sell­schaft eine Art ge­heim­nis­vol­ler Wol­lust ge­währt, eine Art un­keu­scher Berüh­rung der Ge­dan­ken durch die gleich­zei­tig auf­re­gen­de, sinn­li­che Be­schwö­rung al­ler ge­hei­men, scham­lo­sen Trie­be.

      Man brach­te den Bra­ten: Reb­hüh­ner, mit Wach­teln gar­niert,

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