Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Jetzt glaubte sie ihn endlich fassen zu können, da ergriff er sie mit beiden Armen, hob sie bis zur Decke empor und rief:
»Gefangen, gefangen!«
Die Kleine strampelte entzückt mit den Beinchen, um sich zu befreien, und lachte dabei aus vollem Herzen.
Als Madame de Marelle eintrat, war sie verblüfft:
»Aber Laurine! … du spielst? Sie sind ja ein Zauberer, mein Herr!«
Er setzte die Kleine wieder zu Boden und küsste der Mutter die Hand. Sie setzten sich, die Kleine saß dazwischen. Sie wollten plaudern, aber Laurine, die sonst immer schwieg, war wie berauscht und schwatzte unaufhörlich, sodass die Mutter sie auf ihr Zimmer schicken musste. Sie gehorchte, ohne zu antworten, aber mit Tränen in den Augen.
Sobald sie allein waren, sagte Madame de Marelle mit gedämpfter Stimme:
»Sie wissen noch nicht, ich habe eine große Sache vor und ich habe an Sie gedacht. Sie wissen, ich speise jede Woche einmal bei Forestiers und ich revanchiere mich von Zeit zu Zeit, indem ich sie in ein Restaurant einlade. Ich sehe nicht gern Gesellschaft bei mir, ich bin dafür nicht geschaffen, außerdem kann ich keinen Haushalt führen und von der Küche verstehe ich absolut gar nichts. Ich lebe gern ins Blaue hinein. Deshalb lade ich sie hin und wieder in ein Restaurant ein, aber wenn wir nur zu dritt sind, ist die Sache nie recht lustig. Und meine Bekannten passen gar nicht zu ihnen. Ich sage Ihnen das, um Ihnen meine etwas außergewöhnliche Einladung zu erklären. Sie fassen es also nicht falsch auf, wenn ich Sie bitte, am Sonnabend um acht im Café Riche zu speisen. Sie kennen doch das Restaurant?«
Er nahm die Einladung erfreut an und sie fuhr fort:
»Wir werden nur zu viert sein, eine richtige Partie carré. Solche kleine Feste sind sehr amüsant für uns Frauen, die wir selten in die Restaurants kommen.«
Sie trug ein dunkelblaues Kleid, das ihre Taille, ihre Hüften, ihre Brust und ihre Arme in aufreizender und verführerischer Weise hervortreten ließ, und Duroy fühlte ein verwirrtes Erstaunen, ja fast eine Verlegenheit, deren Grund er sich nicht erklären konnte, über das Missverhältnis zwischen dieser sorgfältig gepflegten Eleganz ihrer Toilette und der sichtlichen Verwahrlosung ihrer Wohnung, in der sie lebte.
Alles, was ihren Körper umgab, was sie unmittelbar berührte, war fein, zart und peinlich sauber, aber um ihre weitere Umgebung schien sie sich gar nicht zu kümmern.
Er verließ sie und bewahrte noch stärker als das erste Mal das Gefühl ihrer fortdauernden Gegenwart in einer Art Fieberwahn seiner Sinne. Er wartete mit wachsender Ungeduld auf den verabredeten Tag.
Er lieh sich zum zweiten Male einen Frackanzug, da seine Mittel ihm noch immer nicht erlaubten, einen solchen zu kaufen. Er erschien als erster einige Minuten vor der Zeit.
Man ließ ihn zum zweiten Stockwerk hinaufsteigen und führte ihn in einen kleinen, rot tapezierten Salon, dessen einziges Fenster nach dem Boulevard hinausging.
Auf einem viereckigen Tisch mit blendend weißem Tischtuch waren vier Kuverts gedeckt, und die Gläser, das Tafelsilber und der Schüsselwärmer blitzten lebhaft im Schein von zwölf Kerzen, die von zwei hohen Leuchtern getragen wurden.
Vor dem Fenster sah man einen sehr großen, hellgrünen Fleck, der von den Baumblättern herrührte, auf die aus den einzelnen Separés helles Licht fiel.
Duroy setzte sich auf ein niedriges Sofa, das ebenso rot war wie die Tapete. Die abgenutzten Federn gaben stark nach, sodass er das Gefühl hatte, als stürze er in ein Loch hinein. In dem ganzen, großen Gebäude vernahm er ein verworrenes Getöse, das Geräusch der großen Restaurants mit ihrem Geschirr und Tellergeklapper, dem Klingen von Silberzeug, den schnellen Schritten der Kellner auf den Gängen, deren Schall durch die Läufer gedämpft wird, dem Knarren der Türen, die sich einen Augenblick öffneten und den Stimmenlärm aller Insassen der engen Salons herausdringen ließen.
Nach einer Weile kam Forestier und drückte ihm die Hand mit einer herzlichen Vertraulichkeit, wie er sie ihm niemals auf der Vie Française gezeigt hatte.
»Die beiden Damen kommen zusammen,« sagte er, »solche Diners sind immer sehr nett.«
Dann besah er sich den Tisch, ließ eine Gasflamme, die wie ein Nachtlicht brannte, ganz ausdrehen, schloss einen Fensterflügel wegen des Luftzuges, suchte sich den geschütztesten Platz aus und sagte:
»Ich muss mich sehr in acht nehmen. Seit einem Monat ging es mir besser, aber vor einigen Tagen habe ich einen Rückfall bekommen. Ich muss mich am Dienstag erkältet haben, als ich aus dem Theater kam.«
Die Tür ging auf und die beiden Frauen erschienen, gefolgt von dem Oberkellner. Sie waren verschleiert und eingehüllt, mit jenem reizenden geheimnisvollen Wesen, wie es Frauen an Orten, die nicht ganz angebracht sind, so gern anzunehmen pflegen.
Als Duroy Madame Forestier begrüßte, machte sie ihm heftige Vorwürfe, warum er sie nicht besucht hätte. Dann sah sie ihre Freundin lächelnd an und fügte hinzu:
»Natürlich, Sie ziehen Madame de Marelle mir vor; für sie haben Sie also Zeit übrig.«
Man setzte sich, und als der Oberkellner Forestier die Weinkarte reichte, rief Madame de Marelle:
»Geben Sie den Herren, was sie wollen; uns bringen Sie Champagner in Eis, aber süßen Champagner, bitte, die beste Sorte, die Sie haben; sonst nichts!«
Als der Mann gegangen war, erklärte sie mit aufgeregtem Lachen:
»Heute will ich mir einen Schwips antrinken. Wir wollen ein Gelage veranstalten, ein richtiges Gelage.«
Forestier, der anscheinend nicht zugehört hatte, fragte:
»Würde es Ihnen recht sein, wenn ich das Fenster schlösse. Seit ein paar Tagen habe ich