Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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in Algerien wie in Malaysia, auf den Philippinen und in zahlreichen afrikanischen Ländern kennzeichnet, die Schauplätze wahrer Blutbäder wurden (wie der Massenmord an den Mau-Mau in Kenia oder in den portugiesischen Kolonien Angola und Mosambik) ist erst in jüngerer Vergangenheit ans Licht gekommen.

      Dennoch wurden die Regeln, die den direkten Angriff auf Zivilist*innen untersagten, gestärkt; kollaterale Verwundungen und Tötungen wurden einzig in dem Maße als zulässig erklärt, als sie nicht in einer »unverhältnismäßigen« Beziehung zu einem als notwendig beurteilten militärischen Ziel standen. Die Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen (1977) gaben diesen Regeln einen viel klareren Ausdruck, insbesondere aufgrund des Beitrags neuer postkolonialer Staaten, die die bis zu diesem Zeitpunkt auf den Nordatlantikbereich beschränkten Regeln des Krieges an die Situation der Länder des Südens anpassten. Der Sieg ehemals als »terroristisch« beschriebener aufständischer Kräfte erleichterte so die Ausweitung verpflichtender Regeln auf die asymmetrischen und irregulären Kriege.

      Während das Ziel einer rechtlichen Reglementierung der Gewaltanwendung zum Ende des Zweiten Weltkrieges noch populär gewesen war, sank in der Folge die Zustimmung in der öffentlichen Meinung und unter den Juristen. Diese Entwicklung bestätigte sich während des »zweiten« Vietnamkrieges nach dem Rückzug der Franzosen aus Indochina (1954). Im Gegensatz zu den Aufstandsbekämpfungsoperationen der britischen, niederländischen, französischen oder portugiesischen Kolonialmacht lässt sich die amerikanische Gewalteskalation in Südostasien Mitte der 1960er Jahre genau als »Aggression« in dem juristischen Sinne beschreiben, wie ihn die Vereinigten Staaten zwanzig Jahre zuvor selbst definiert hatten. Dennoch wurde dieser Vorwurf schnell mit dem Linksaktivismus assoziiert, der sich während dieser Jahre offen gegen den Krieg stellte (während der Pazifismus zuvor ein breiter geteiltes Anliegen gewesen war). Nach den Enthüllungen zum Massaker von My Lai schien es eher opportun, sich an die Verurteilung der zahlreichen Kriegsverbrechen zu halten, die von den amerikanischen Streitkräften und ihren Alliierten in Südvietnam und anderen Ländern vor Ort begangen wurden. Allgemeiner betrachtet bewirkten die während des Kalten Krieges vorgebrachten Anschuldigungen, Angriffskriege zu führen, eine Schwächung der Idee, dass über den Rahmen der Charta der Vereinten Nationen (1945) hinaus das Recht eines Tages die zwischenstaatlichen Kriege regulieren könnte, indem es die Bedingungen für den Gewalteinsatz selbst kontrollierte.

      Zum Ende der Dekolonisation und des Vietnamkrieges entwickelte sich eine Menschenrechtsbewegung neuen Typs, die die gegen Zivilist*innen verübten Gräuel anprangerte. In dem Maße, wie die Sorge um Gewährleistung individueller Menschenrechte von der Bewegung auf die professionelle Interessenvertretung überging, spielte das Kriegsrecht eine immer zentralere Rolle in ihrer Definition. Noch wichtiger war vielleicht, dass die Armeen, die nun keine schmutzigen Kriege mehr zu führen hatten, die nationalen und völkerrechtlichen Regeln zum Verhalten bei Kampfhandlungen in einer Weise ernst zu nehmen begannen, wie es bei der Aufstandsbekämpfung der jüngsten Vergangenheit noch unvorstellbar gewesen wäre. Mit Niedergang der zwischenstaatlichen Kriege richtete sich der Blick der Kriegsrechts- und Menschenrechtsverteidiger*innen hauptsächlich auf die Bürgerkriege, die nun, insbesondere auf der Südhalbkugel, Schauplatz der schlimmsten Verbrechen wurden. Das Genfer Abkommen von 1949 hatte im berühmten Artikel 3 den erforderlichen Minimalschutz »im Fall eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter aufweist«12, (auch Bürgerkrieg genannt) festgesetzt. Die Revision von 1977 fügte eine Reihe detaillierterer Regeln hinzu: einen Verweis auf die »Menschenrechte«, der im Abkommen von 1949 nicht enthalten war; und ein zweites zusätzliches Protokoll, das sich ausschließlich den nicht internationalen bewaffneten Konflikten widmete, auch wenn der Text im Weiteren Anlass für Kontroversen gab.

      Während der Völkermord an den Jüdinnen und Juden in den Nürnberger Prozessen noch eine sekundäre Rolle gespielt hatte, änderten sich mit dem erneuten Aufkommen von Erlebnisberichten in den 1960er und 1970er Jahren, nun mit der Brille der postkolonialen Konflikte, die Prioritäten sehr grundlegend. Vor einem neuen zwischenstaatlichen Krieg geschützt, waren die Europäer*innen und Nordamerikaner*innen nun Beobachter*innen von Konflikten im Süden, in die ihre eigenen Armeen nicht notwendig involviert waren, die sie aber zu stoppen versuchen konnten. Diese neue Bewusstwerdung über den Völkermord an den Jüdinnen und Juden brachte einige dazu, eine neue Ära der humanitären Interventionen und der Einführung eines Interventionsrechts vorauszusehen, das Kriege, die andere als »Angriffskriege« abgelehnt hatten, als »gerechte Kriege« neu bestimmen würde.

       Der große Traum von der Zivilisierung des Krieges

      Das Ende des Kalten Krieges und besonders die Anschläge vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten markierten den Anfang einer neuen Welle von Interventionen der Großmächte auf der Welt. Der Krieg im Irak hat gezeigt, in welchem Maße die Frage nach der »Aggression« aktuell geblieben ist; doch es lässt sich auch nicht leugnen, dass die Aufmerksamkeit vor allem der Folterfrage, dem Internierungslager Guantánamo und dem Einsatz von Drohnen galt (im Allgemeinen wegen der dadurch verursachten Schädigung von Zivilist*innen): Der Übergang vom ius ad bellum zum ius in bello ist tatsächlich vollzogen. Aufgrund seiner Unterscheidung zwischen den Bürgerkriegen und den zwischenstaatlichen Kriegen fehlten dem ius in bello die Mittel zur Reglementierung von Konflikten zwischen Großmächten und nichtstaatlichen Akteuren, was seine Verfechter*innen entsprechend vor tiefgreifende Dilemmata stellte. Diesem Umstand sowie offenkundigen Verstößen zum Trotz haben sich die Bemühungen um einen juristischen Rahmen für Aufstandsbekämpfungsoperationen als erstaunlich effizient erwiesen, insofern die Armeen infolge der Dekolonisation und des Vietnamkrieges gelernt haben, die Verpflichtungen ihrer Regierungen ernst zu nehmen. Niemand kann bezweifeln, dass die Kriege nach dem 11. September zumindest im Vergleich zu früheren Konflikten stärker reguliert waren.

      Doch dieser Sieg ist, soweit es das Kriegsrecht betrifft, kein ungetrübter. Die Träume vom dauerhaften Frieden und von der Reglementierung der Gewaltanwendung scheinen unerreichbarer denn je. Dem internationalen Strafrecht im Bereich der Kriegsverbrechen wurde fraglos neues Leben eingehaucht, es legt seinen Fokus aber auf Gräueltaten, insbesondere genozidale Gewalt, und auf sexualisierte Gewalt, die vom Kriegsrecht zuvor ignoriert worden waren. Indem es den Angriffskrieg und das ius ad bellum vernachlässigt, wendet sich das neue internationale Strafrecht vom Erbe der Nürnberger Prozesse ab. Der Begriff »Aggression« hat bei Bürgerkriegen wie dem in Bosnien oder dem in Ruanda nicht dieselbe Bedeutung: Zudem wurde er in das Römische Statut, mit dem der Internationale Strafgerichtshof geschaffen wurde, nicht aufgenommen, auch wenn er in der Folge regelmäßig wieder auf die Tagesordnung gesetzt wurde. In den 1960er Jahren wurde das Feld des ius in bello in »humanitäres Völkerrecht« umbenannt; der Traum Dunants, den Krieg zu »zivilisieren«, war seiner Realisierung nie näher.

      Verbunden mit dem Fortschritt und der zunehmenden Akzeptanz der Verhaltensregeln für Kampfhandlungen haben der Rückgang der Anschuldigung von Verletzungen der territorialen Integrität der Staaten und ihrer politischen Unabhängigkeit sowie die ernsthaften Argumente zugunsten humanitärer Interventionen zu einem Resultat geführt, das Tolstoi hätte vorhersagen können.

      Samuel Moyn ist Professor an der Yale Law School und am historischen Institut der Yale University. Er forscht zur europäischen Geistesgeschichte und zu Menschenrechten und ist Autor des Klassikers The Last Utopia. Human Rights in History (Cambridge 2010) sowie von Not Enough. Human Rights in an Unequal World (Cambridge 2018).

       Literaturhinweise

      Den besten Überblick zur Geschichte des Kriegsrechts bietet, obwohl schon vierzig Jahre alt, das klassische Werk von Geoffrey Best, Humanity in Warfare. A Modern History of the International Law of Armed Conflicts (London 1980). Für eine nützliche und in ihrem Anwendungsbereich umfangreichere Studie siehe Michael Howard, George Andreopoulos und Mark Shulman (Hg.), The Laws of War. Constraints on Warfare

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