Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Eine Geschichte des Krieges - Группа авторов страница 5

Eine Geschichte des Krieges - Группа авторов

Скачать книгу

über die hier abgedeckte Periode von zweieinhalb Jahrhunderten bis in unsere Zeit zieht.

      

      Am 22. Mai 1790 verabschiedete die Verfassunggebende Nationalversammlung Frankreichs die »Friedenserklärung an die Welt«, wie es in der berühmten Formulierung heißt. In den darauffolgenden fünfundzwanzig Jahren versank, von kurzen Ausnahmen abgesehen, ganz Europa in einem endlosen Krieg. Der »erste totale Krieg«3, wie ihn der Historiker David Bell nennt, war von zweierlei geprägt: von einer Intensivierung der Gewalt – davon zeugen der Bürgerkrieg in Vendée von 1793 bis 1796 und der Spanische Unabhängigkeitskrieg von 1808 bis 1814 – und von einer Mobilisierung der gesamten Gesellschaft. Damit trat eine dem aristokratischen Modell entgegengesetzte Kriegskultur zutage, die sich vielmehr den Kampf gegen die Tyrannen (»Ein Kreuzzug für die allgemeine Freiheit«, wie es der girondistische Abgeordnete Brissot ausdrückte) und den Krieg der Nationen auf die Fahnen schrieb. Diese Kriegskultur war es, die Condorcet in seiner Ansprache an die Völker Europas vom 29. Dezember 1791 verteidigte. Das Schlagwort vom »letzten Krieg«, der die Nation durch das Blut neu beleben und der Gewalt ein Ende setzen würde, indem er die Feinde der Freiheit vernichtete, diente ihm als letzte Rechtfertigung. Carl von Clausewitz schrieb 1812 dazu:

      »Ehemals […] schlug [man] sich mit Mäßigung und Rücksichtlichkeit nach hergebrachten Konvenienzen. […] Von diesem Krieg ist jetzt nicht mehr die Rede, und der müßte wohl blind sein, der den Unterschied unserer Kriege, d. h. der Kriege, wie sie unser Zeitalter und unsere Verhältnisse fordern […], nicht erkennen könnte. Der Krieg der jetzigen Zeit ist ein Krieg aller gegen alle. Nicht der König bekriegt den König, nicht eine Armee die andere, sondern ein Volk das andere, und im Volk sind König und Heer enthalten.«4

      Der Waffenruhm, der Heldenkult: Die männlich-militärischen Werte, die sich gleichzeitig auf beiden Seiten des Atlantiks entwickelten, fanden in den berühmten Figuren Washingtons und Bonapartes ihre Verkörperung. Ohne Krieg keine amerikanische Unabhängigkeit und kein napoleonisches Heldenepos. Zwischen 1805 und 1815 wurden fast 2 Millionen französische Wehrpflichtige einberufen – eine Zahl, die zur damaligen Zeit als außerordentlich angesehen wurde. Dennoch umfasste 1813 die umfangreichste Truppenaushebung lediglich 3 Prozent der Bevölkerung (ein Siebtel der Mobilmachung vom Sommer 1914). Zu den französischen Soldaten kamen Tausende ausländische Soldaten hinzu: Ägypter und Griechen des orientalischen Jägerbataillons, die unter dem Konsulat rekrutierten Schweizer und irischen Bataillone, in den besetzten Ländern ausgehobene portugiesische und spanische Kämpfer und die Kontingente der Fürstentümer des Rheinbunds, der italienischen Königreiche, des Königreichs Holland und Polens, die als Verbündete kämpften. Nach seiner Niederlage in der Seeschlacht von Trafalgar am 21. Oktober 1805 musste Napoleon seine Eroberungspläne für Großbritannien begraben und setzte sich stattdessen zum Ziel, »das Meer durch die Macht des Landes [zu] besiegen«5, wie es im Berliner Dekret vom 21. November 1806 heißt. Mit diesem trat die Kontinentalsperre in Kraft, die eine geografische Ausweitung des Konflikts herbeiführte, um die europäischen Küsten zu kontrollieren und den englischen Schmuggel zu unterbinden. 1811 umfasste das napoleonische Reich halb Europa.

      Die Schlachten nahmen gigantische Ausmaße an: 300 000 Soldaten bei Wagram (5. und 6. Juli 1809), 500 000 bei Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813). 1812 fiel Napoleon mit den 650 000 Mann der »Armee der Nationen« in Russland ein. Um einen Eindruck dieser Truppenverlagerungen zu bekommen, muss man sich nur nach Litauen begeben, wo zwischen 2001 und 2010 Hunderte von Soldaten, die auf dem Russlandfeldzug den Tod gefunden hatten, aus einem Massengrab exhumiert wurden. Manche von ihnen kamen aus Frankreich, andere aus Italien, Deutschland oder Polen. Sie waren auf dem Antakalnis-Friedhof von Vilnius in Gegenwart französischer und litauischer Repräsentanten beigesetzt worden. Welcher Blutzoll in den Kriegen des Kaiserreichs entrichtet werden musste, lässt sich nach wie vor schwer bestimmen. Davon hängt aber bis zu einem gewissen Grad ab, wie weitgehend der Bruch war, den diese Kriege bedeuteten. Ungefähr 700 000 Franzosen und zwischen 2,5 und 3,5 Millionen Menschen europaweit verloren zwischen 1805 und 1815 ihr Leben in der Schlacht, durch Verwundung oder infolge von Epidemien.

      Auf dem Wiener Kongress (September 1814 bis Juni 1815) zog die Heilige Allianz, die gerade Napoleon besiegt hatte, die Grenzen in Europa neu. Das veränderte Gleichgewicht auf dem Kontinent stärkte das monarchische Prinzip gegenüber dem Nationalitätenprinzip. Dennoch waren es die nationalen Befreiungsbewegungen, die über mehrere Jahrzehnte als die andere große Triebkraft für den Krieg in dieser Epoche wirksam wurden. Am Anfang standen Nationalbewusstsein und das politische Prinzip des Nationalismus. Dieses Wort kam Ende des 18. Jahrhunderts auf und bezeichnete ursprünglich noch die Forderung nach dem Recht, eine Nation zu bilden, bis es ab den 1870er Jahren die chauvinistische und xenophobe Bedeutung annahm, in der wir es heute kennen. Die Einigungskriege in Italien (1848–1849, 1859, 1866) und Deutschland (1866, 1870–1871) waren von der früheren Definition des Nationalismus inspiriert; ebenso die der »Orientalischen Frage« zugeschriebenen Konflikte, die das ganze 19. Jahrhundert prägten, angefangen bei dem von Miloš Obrenović angeführten serbischen Aufstand von 1815 über den von der philhellenischen Bewegung unterstützten griechischen Unabhängigkeitskrieg (1821–1830) bis zur Balkankrise der 1870er Jahre. Trotz der Abfolge von Einigungs- und Unabhängigkeitskriegen dürfen wir nicht die Haupttendenz aus den Augen verlieren: Nach der besonders mörderischen Zeit der Revolution und des napoleonischen Kaiserreichs war die Periode von 1815 bis 1914 in Europa durch einen Rückgang der durch Krieg verursachten Tode geprägt. Ausnahmen bildeten lediglich der Krimkrieg (1853–1856), die Schlacht von Solferino (24. Juni 1859), durch deren katastrophale medizinische Versorgung sich Henry Dunant 1863 zur Gründung des Roten Kreuzes veranlasst sah, sowie der Deutsch-Französische Krieg (1870–1871). Es genügt ein Blick auf andere Kontinente, wozu dieses Buch auch einlädt, um zu sehen, dass Europa eine Zeit relativer Ruhe erlebte: 1851 brach in China der Taiping-Aufstand aus, für dessen Niederschlagung die Qing-Dynastie fast 15 Jahre benötigte. Dieser Bürgerkrieg forderte zwischen 20 und 30 Millionen Tote, also zwei- bis dreimal so viele wie der Erste Weltkrieg! Auch wenn der Amerikanische Bürgerkrieg (1861–1865) nicht dieses tatsächlich außergewöhnliche Ausmaß an Verlusten erreichte, brachte er mit seinen nach jüngsten Schätzungen 750 000 getöteten Soldaten doch die Erfahrung des Massentods in die Vereinigten Staaten.

      1815 hatten die europäischen Großmächte nicht so sehr Frieden geschaffen als vielmehr den Krieg nach Übersee verlagert. Im Gegensatz zu Lenins Deutung in Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (1917) scheinen die Kolonialkriege weniger durch ökonomische Interessen als durch politische Ambitionen und Rivalitäten unter den europäischen Nationen motiviert gewesen zu sein. Als »wahrhaft globale Thalassokratie«6, wie es der Historiker Daniel Headrick genannt hat, eroberte Großbritannien ein gigantisches Weltreich, dessen Gravitationszentrum sich, wie das des europäischen Kolonialismus insgesamt, nach dem Verlust seiner dreizehn nordamerikanischen Kolonien (1783), der Abschaffung des Sklavenhandels (1807) und der Sklaverei (1833) allmählich von Amerika nach Asien und Afrika verschob. Im Ersten Opiumkrieg 1839–1842 setzte es die Öffnung Chinas für den Welthandel durch. Die Europäer teilten sich den afrikanischen Kontinent in weniger als dreißig Jahren (1885–1914) auf. Es herrschte das Prinzip der präventiven Kolonialisierung vor, noch verschärft durch die imperialen Rivalitäten und den Nationalismus: Es galt, ein Territorium zu kolonialisieren, bevor ein anderes Land dies tat. Den alten Kolonialmächten wie Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Portugal oder Großbritannien traten nach 1870 Deutschland, Italien und Belgien zur Seite, sodass es bald zu einer Verknappung an noch kolonialisierbaren Gebieten kam. Russland hatte sein ungeheures Kolonialreich bis zu den Grenzen Sibiriens, nach Zentralasien und in den Kaukasus ausgedehnt. Die Vereinigten Staaten gingen ab den 1860er Jahren an die Eroberung des Westens und der Great Plains: Die Navajo streckten 1864 die Waffen und die Apachen 1886 nach der Kapitulation Geronimos. Angeführt von Sitting Bull, errangen die Sioux und die Cheyenne in Montana den großen Sieg von Little Bighorn (25. – 26. Juni 1876), bevor sie sich ab 1881 in die Reservate von North Dakota gesperrt fanden. Die Vereinigten Staaten wandten sich im Namen der »Manifest Destiny«-Doktrin dem Pazifik zu: Die Geburtsstunde des amerikanischen Imperialismus ist der Militäreinsatz von 1898 auf den Philippinen,

Скачать книгу