Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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auf eine schwer zu bestreitende Wirklichkeit: Die Kriege sind heute nicht nur zahlreicher, sondern auch besonders mörderisch – wie der paroxysmale Völkermord an den Tutsi in Ruanda gezeigt hat.

      Die erste Behauptung stützt sich auf die spektakuläre Häufung von Bürgerkriegen (Jugoslawien, Sierra Leone, Darfur, DR Kongo, Kaukasus, Afghanistan, Syrien …), in bestimmten Ländern parallel zu oder infolge von Staatsgründungen, die wie im Irak oder in Libyen ihrerseits von desaströsen westlichen Militäreinsätzen angestoßen oder beschleunigt wurden. Von dem großen Soziologen Charles Tilly stammt der berühmte Ausspruch: »Krieg führte zum Staat und der Staat führte Krieg.«16 Mit dem Zusammenbruch der Kolonialreiche und des kommunistischen Blocks, der Zunahme fragiler Regime und der Legitimitätskrise der Nationalstaaten trat der traditionelle Krieg im Sinne zwischenstaatlicher Konfrontationen in den Hintergrund und machte einer anarchischen Kriminalität oder Konflikten niedriger Intensität Platz, deren Kombattant*innen mit den Soldaten der zwei Weltkriege nicht mehr viel gemein haben. Auf dem Balkan, in Mitteleuropa und in den ehemaligen Sowjetrepubliken war die nationalistische Büchse der Pandora geöffnet worden. Es verbreiteten sich separatistische Konflikte wie im Donbass in der Ukraine oder in Ossetien und Abchasien in Georgien. Bis 1990 nutzten die afrikanischen Diktaturen mit Unterstützung der alten Kolonialmächte oder einer der beiden Supermächte ihren Staatsapparat dazu, die komplette politische Opposition zum Schweigen zu bringen. Nach dem Ende des Kalten Krieges hat sich die Situation umgekehrt. Die wirtschaftlich geschwächten und zur Ausübung ihrer hoheitlichen Funktionen unfähigen Staaten sind zu leeren Hüllen oder, um einen kontroversen Ausdruck aus den 1990er Jahren aufzunehmen, zu failed states herabgesunken. Der Krieg wird zu einem Symptom interner Probleme (Sukzessionskrisen, Staatsstreiche) wie auch der globalen geopolitischen Lage (Aufschwung des Waffen- oder Drogenschmuggels auf dem Balkan, in Afghanistan, in Pakistan, in Mittelamerika und in Lateinamerika; Zusammenbruch Libyens seit 2011 und Auftrieb für die dschihadistischen Bewegungen in der Sahel-Zone; Konkurrenz um die Kontrolle der natürlichen Ressourcen …). Wer eine Globalgeschichte des Krieges versucht, für den stellt die gegenwärtige Situation eine gewaltige Herausforderung dar: Die Deutungsmodelle, die noch zur Zeit des Kalten Krieges vorherrschten, haben ihre Relevanz eingebüßt, was den Forscher*innen ein Mehr an Einfallsreichtum abverlangt, um die der heutigen Kriegsgewalt eigenen Dynamiken zu verstehen.

      Ob es sich um eine friedenssichernde Maßnahme, eine internationale Koalition oder eine Kampagne zur Aufstandsbekämpfung handelt: Die Soldat*innen der westlichen Länder machen die Erfahrung, dass sich die Art ihrer Kriegführung und ihres Kriegserlebens tiefgreifend verändert. Die Kombattant*innen stellen nur noch eine kleine Minderheit der Truppen im Einsatz dar, den größten Teil machen Logistik und Unterstützung aus – Aufgaben, die auch von privaten Unternehmen übernommen werden. Während des Irakkrieges wurden von der amerikanischen Armee tagtäglich nicht weniger als 57 Millionen Liter Treibstoff verbraucht. 2 Tonnen Nahrungsmittel waren jeden Tag nötig, um die Bedürfnisse einer Division von 20 000 Soldat*innen zu befriedigen. Der Krieg wird zunehmend zu einer Angelegenheit von Fachleuten, und immer mehr Frauen arbeiten in der Armee (mit Ausnahme der Kampfeinheiten). Das Kriegerethos musste sich, so gut es ging, diesen Veränderungen anpassen. Die restriktiven Einsatzregeln bei UNO-Friedensmissionen und das Ohnmachtsgefühl angesichts der Gräueltaten, denen die Blauhelmsoldat*innen manchmal tatenlos zuschauen müssen, haben bei einer beträchtlichen Zahl von ihnen psychische Probleme hervorgerufen. Beim Massaker von Srebrenica vom 11. bis 16. Juli 1995 in Bosnien wurden mehr als 8000 bosnische Muslime von der Armee der Republika Srpska unter dem Befehl General Ratko Mladićs niedergemetzelt, ohne dass die zum Schutz der »Sicherheitszone« anwesenden niederländischen Blauhelme auch nur einen einzigen Schuss abgefeuert hätten.

      Die Veränderung der Konfliktformen ist von einer Dissoziation der Einstellungen zur Gewalt begleitet: Auf der einen Seite gibt es die Länder des Westens, die sich auf Technologie stützen, um ihre Überlegenheit zu beweisen, indem sie den Bodenkampf für ihre eigenen Soldat*innen so weit wie möglich vermeiden (das ist der Sinn der berühmten »Ohne Tote«-Doktrin), und um einen »postheroischen Krieg«17, wie Edward Luttwak ihn genannt hat, zu führen; auf der anderen Seite stehen bewaffnete Gruppen, die dem Leben ihrer Kombattant*innen keine große Bedeutung zumessen und die die territorialen Ziele (die militärische Eroberung eines Nachbarlands) ideologischen Zielen (die ethnische oder religiöse Säuberung eines Gebiets) unterordnen. Die Möglichkeit, einen Krieg zu führen, ohne Bodentruppen einzusetzen, hat in den Worten Michael Walzers »eine neue und gefährliche Ungleichheit«18 hervorgebracht. Dieses Auseinanderklaffen kollektiver Einstellungen zur Gewalt, das sich seit dem Golfkrieg, dem Irakkrieg und dem Aufschwung des internationalen Terrorismus verstärkt hat, darf nicht zu dem Irrtum verleiten, es mit zwei radikal getrennten Welten oder gar einem Zusammenprall der Zivilisationen zu tun zu haben. Abgesehen davon, dass die ersten Opfer der Dschihadisten häufig diejenigen sind, die sie gegen den Einfluss der westlichen Welt zu beschützen vorgeben, gibt es noch zahlreiche Indizien einer Globalisierung des Krieges: weltweite Verbreitung von Waffen (wie die AK-47), Finanzierung der Guerillas durch staatliche Gelder und Schmuggel, Bewegungen der Söldner*innen zwischen den Kontinenten, Benutzung moderner Kommunikationssysteme durch bewaffnete Gruppen zur Terrorisierung der westlichen Öffentlichkeit …

      Dieses Buch hat zum Ziel, seinen Leserinnen und Lesern den nötigen Abstand zu verschaffen. Die heutigen Konflikte werfen zahlreiche Fragen insbesondere ethischer Provenienz auf. Doch sind sie wirklich ohne Präzedenz? Die Frage der Guerillas und Guerillabekämpfung, die seit dem Irak- und dem Afghanistankrieg neu diskutiert wurde, hatte im ganzen 19. und 20. Jahrhundert auf der Tagesordnung gestanden. Die »Einsätze ohne Feindberührung« wurden schon direkt nach dem Ersten Weltkrieg theoretisch behandelt. 1911 malte sich ein französischer Journalist bereits den kommenden Krieg aus: »Zweifellos ist die Zeit nicht mehr fern, da unsere Offiziere vom Eiffelturm aus Brücken sprengen und Minen unter dem Schritt marschierender Bataillone explodieren lassen können. […] In dem Moment wird man Aeroplane sehen […] wie sie ihre Bahnen durch den Himmelsraum ziehen und blindlings auf die Befehle des Sendemastes reagieren.« Dazu kommt noch ein weiteres Risiko, nämlich sich auf eine ausschließlich strategische oder taktische Sicht zurückzuziehen und gewissermaßen aus einer Vogelperspektive, die die menschliche Dimension der Kriegserfahrung stillschweigend übergeht, auf die Geschichte zu blicken. Nichts wäre schließlich schlimmer als eine solche Verleugnung in einer Zeit, in der Drohnenpilot*innen von ihren Büros aus anonyme Ziele abschießen – mit dem gefährlichen Gefühl einer Straffreiheit, verursacht durch Tausende Kilometer Distanz.

      Bruno Cabanes ist Inhaber des Donald-G.-&-Mary-A.-Dunn-Lehrstuhls für Kriegsgeschichte an der Ohio State University. Davor lehrte er neun Jahre lang an der Yale University. Er forscht vor allem zur Sozial- und Kulturgeschichte des Ersten Weltkrieges und der direkten Nachkriegszeit und hat darüber zahlreiche Bücher und Aufsätze veröffentlicht – darunter insbesondere La Victoire endeuillée. La sortie de guerre des soldats français (1918–1920) (Paris 2004, Neuauflage »Points Histoire« 2014), The Great War and the Origins of Humanitarianism (1918–1924) (Cambridge 2014) – ausgezeichnet mit dem Paul-Birdsall-Preis der American Historical Association 2016 – und Août 14. La France entre en guerre (Paris 2014).

      1James Sheehan, Where have all the Soldiers gone? The Transformation of Modern Europe, Boston u. a. 2008; auf Deutsch erschienen unter dem Titel: Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden, München 2008.

      2Victor Davis Hanson, The Western Way of War. Infantry Battle in Classical Greece, New York 1989.

      3David Bell, The First Total War. Napoleon’s Europe and the Birth of Modern Warfare, London 2007.

      4Carl von Clausewitz, Bekenntnisschrift, in: ders., Ausgewählte militärische Schriften, hrsg. v. Gerhard Förster und Dorothea Schmidt, Berlin 1981, S. 213, 215.

      5Frank Bauer, Napoleon in Berlin. Preußens Hauptstadt unter französischer Besatzung 1806–1808, Berlin 2006, S. 149.

      6Daniel

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