Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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spanischer Herrschaft gestanden hatte. »Der Pazifik ist unser Ozean«, erklärte im Jahr 1900 der republikanische Senator von Indiana, Albert J. Beveridge.

      Die fernen Kriege faszinierten durch die Landschaften, die sie dem Auge boten, durch die ostentative Potenz, die sie zum Ausdruck brachten, und durch die Gelegenheit, damit der schmerzlichen Frustration eines Europas zu entkommen, dem es am Heldenepos fehlte. »Kriegssehnsucht« war es, was die Philhellenen dazu brachte, freiwillig am griechischen Unabhängigkeitskrieg der 1820er Jahre teilzunehmen. »Uns fehlten die Freuden des Kriegers; kein Kreuzzug blieb uns noch zu unternehmen; die Zeit der napoleonischen Erfahrungen war vorüber«, bekannte der 1804 geborene Gustave d’Eichenthal, Gründer der ethnologischen Gesellschaft und wichtige Figur in der saint-simonistischen Bewegung. »Wir hatten keine Feiern, keine Tempel, keine Turniere, keine Gesänge, keine Feste mehr. Das Leben war glanzlos und monoton, und Gott hatte vielen Menschen eine Energie ins Herz gegeben, die diese Einengung nicht ertrug.« 1895 war es immer noch eine Art Kriegsinitiation, die der junge Winston Churchill im Alter von einundzwanzig Jahren im kubanischen Unabhängigkeitskrieg suchte, in dem er beinahe sein Leben ließ. Die Abenteuerlust, der auf der Überzeugung einer Rassenhierarchie gründende Glaube an die »zivilisatorische Mission« des Westens, die Anziehungskraft des Geldes bewegten ebenso sehr zur Teilnahme an den Kolonialkonflikten. Allerdings erfuhren diese Motive eine gewisse Geringschätzung seitens der meisten eingesessenen Militärstrategen. In seinen Principes de la guerre aus dem Jahr 1903 geht Foch kurz auf die fernen Expeditionen »gegen die schwarze Bevölkerung Afrikas und die gelben Rassen Asiens«7 ein. Als Experimentierfeld für extreme Gewalt – von der durch Bugeaud und Cavaignac in Algerien 1844–1845 praktizierten Ausräucherung bis zur brutalen Niederschlagung des Sepoy-Aufstands durch die Briten 1857–1858 oder zum Völkermord an den Hereros und Namas in Deutsch-Südwestafrika 1904 und 1908 – rief der Kolonialkrieg schließlich zunehmend Ablehnung in der Öffentlichkeit hervor. Neben einer Bezeugung der Gräuel, die unter Leopold II. im Kongo begangen wurden, bringt Joseph Conrads Novelle Heart of Darkness, die 1899 im Blackwood’s Edinburgh Magazine in Fortsetzung und dann 1902 gesammelt erschien, auf eindringlichste Weise dieses Umkippen der öffentlichen Meinung zum Ausdruck.8

      

      Im Übergang zum 20. Jahrhundert trat der Krieg in eine neue Phase ein. Diese war geprägt von einer noch stärkeren Vermassung der Armeen, einer klareren Ideologisierung der Soldaten und einer beispiellosen Zerstörungskraft. Militärische Berater wurden zu fernen Kriegen entsandt, um die Umsetzung taktischer und strategischer Modelle zu beobachten, ohne dass immer eindeutige Lehren für zukünftige Konflikte daraus gezogen werden konnten. Als im Februar 1904 der Russisch-Japanische Krieg ausbrach, nahm John Pershing, der nach Befriedungskampagnen gegen die Krieger der Moros auf den Philippinen (1899–1901) als amerikanischer Militärattaché in Tokio tätig war, an einer amerikanischen Beobachtermission teil; auch von russischer Seite waren vier Beobachter entsandt worden. »Die Regeln der Kriegführung haben keine bedeutsame Modifikation in ihrer Anwendung erfahren«, resümierte einer der Amerikaner, der weder die Fortschritte der Artillerie noch die Entwicklung der Gräben, noch den massiven Einsatz von Granaten für bemerkenswert hielt. Scharfsichtiger schloss der britische Militärattaché Ian Hamilton auf die Überlegenheit des Positionskrieges: Zehn Jahre später war er als Oberbefehlshaber für die desaströse Offensive der Alliierten 1915 bei Gallipoli verantwortlich, die seiner militärischen Karriere ein Ende setzte. Ein Ereignis wie die Niederlage der russischen Flotte im Kampf gegen die Japaner bei Tsushima (27. und 28. Mai 1905) hatte wie kaum eine Schlacht zuvor Auswirkungen auf globaler Ebene. In den westlichen Ländern löste sie Befürchtungen aus, dass sich die Macht in den Fernen Osten verschieben könnte.

      Vermittelt durch die imperialen Dynamiken, setzten die beiden Weltkriege eine Zirkulation von Menschen und Rohstoffen über den ganzen Planeten in Gang. Es genügt, die wenigen Quadratkilometer zu durchstreifen, wo die Schlacht an der Somme stattfand, um einen Eindruck davon zu gewinnen. In dieser typisch nordfranzösischen Landschaft ruhen Soldaten, die aus den britischen Besitzungen am anderen Ende der Welt stammten: in Beaumont-Hamel die Kämpfer des Newfoundland Regiment; in Longueval die südafrikanischen und neuseeländischen Soldaten; in Villers-Bretonneux Australier. Wenige Denkmale hingegen für die Soldaten oder Arbeiter*innen aus den Kolonien. Die Mehrzahl der Hunderttausenden von Chines*innen, Afrikaner*innen und Inder*innen, die zwischen 1914 und 1918 nach Europa kamen, haben weder persönliche Aufzeichnungen noch Memoiren hinterlassen; die Briefe an ihre Familien sind, weil das Papier dem Klima ihrer Herkunftsländer nicht standgehalten hat, nur noch in Spuren in den Berichten der Postprüfstellen erhalten. In der unmittelbaren Nachkriegszeit hatten die enttäuschten Hoffnungen auf das »Selbstbestimmungsrecht der Völker« langfristige Konsequenzen: der Auftrieb des chinesischen Kommunismus infolge der Bewegung des 4. Mai 1919, Unabhängigkeitsbewegungen in Indien und in Ägypten, der Aufschwung des arabischen Nationalismus angesichts der zionistischen Ambitionen in Palästina. Im Juni 2014 rief die Proklamation eines »Kalifats« durch die Organisation »Islamischer Staat im Irak und in Syrien« zur Wiederherstellung einer 1924 abgeschafften Institution und zur Beseitigung der Folgen des französisch-britischen Sykes-Picot-Abkommens von 1916 auf, das die Aufteilung des Osmanischen Reiches in Einflusszonen für die beiden europäischen Mächte vorsah. Im Nahen und Mittleren Osten ist der Erste Weltkrieg noch immer nicht zu Ende.

      Ab 1914 und vor allem während des Zweiten Weltkrieges wirkte sich der Konflikt auf mehreren Kontinenten, auf Tausende Kilometer entfernten, mehr oder weniger miteinander koordinierten Kriegsschauplätzen gleichzeitig aus. Ein historisches Novum war das nicht: Der Siebenjährige Krieg (1756–1763), in dem alle europäischen Großmächte in Europa, in Nordamerika, in Afrika, in Indien und auch auf den Meeren aufeinanderprallten, war bereits ein Weltkrieg gewesen. Indes bleibt der ungeheure Einsatz von Menschen und materiellen Ressourcen 1914–1918 unerreicht. Die beiden Weltkriege sind gelegentlich als Folge von Regionalkonflikten mit je nach Kriegsschauplatz verschiedenen Chronologien betrachtet worden. Auf dem Balkan beispielsweise bildeten die Kriege von 1912 und 1913, der Erste Weltkrieg und der Griechisch-Türkische Krieg (1919–1922) eine separate chronologische Abfolge. Die Erinnerungen an einen globalen Konflikt wie den Ersten Weltkrieg bleiben weitgehend dem nationalen Rahmen verhaftet: In Australien und in Neuseeland wird die Schlacht von Gallipoli als Geburtsstunde dieser jungen Nationen angesehen. Dort ist der 25. April 1915 nationaler Gedenktag (ANZAC Day) und wird im Gedenken an die Landung an den Dardanellen begangen. Für die Briten hingegen markierten die Umwandlung einer Freiwilligenarmee in eine Wehrpflichtigenarmee (27. Januar 1916) und die Schlacht an der Somme (Juli – November 1916) die entscheidenden Wendepunkte.

      Auch der Zweite Weltkrieg spricht hier Bände: Japan lässt ihn 1931 mit dem Einmarsch in der Mandschurei beginnen, auch wenn dieser Krieg erst im Juli 1937 einen totalen Charakter annahm. Mit dem Angriff auf den amerikanischen Stützpunkt Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 wurde er zum »Großostasiatischen Krieg« – eine Bezeichnung, die 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht verboten und durch den Ausdruck »Pazifikkrieg« ersetzt wurde, bevor die akademischen Kreise in Japan, um die Ereignisse in der Mandschurei mit einzubeziehen, den Begriff »Fünfzehnjähriger Krieg«, und um den Amerikanisch-Japanischen Krieg mit den Kämpfen gegen China und gegen die Briten in Südostasien zu verknüpfen, den Begriff »Asien-Pazifikkrieg« populär machten. Für China endete der Krieg erst im Oktober 1949 mit dem Sieg der Kommunist*innen, für Korea mit dem Waffenstillstand von 1953, für Vietnam zweifellos 1975.

      Es handelt sich um eine andere Form von »Totalwerdung« des Krieges, die, um nur die bedeutendsten Konflikte vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts herauszugreifen, im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865), im Deutsch-Französischen Krieg (1870–1871), im Zweiten Burenkrieg (1899–1902) in Südafrika, im Russisch-Japanischen Krieg (1904–1905) und den beiden Balkankriegen 1912 und 1913 sukzessive sichtbar wird. Was zeichnet diese Kriege aus? Die erste Veränderung, die, wie wir gesehen haben, bereits im Wechsel vom 18. zum 19. Jahrhundert wirksam war, ist eine politische: Zur Rekrutierung, Ausbildung, Ausstattung und Entsendung von – überdies immer größeren – Wehrpflichtigenarmeen bedurfte es eines entwickelten Staatsapparats, einer ausgefeilten Infrastruktur, eines Schulungssystems, das die Individuen

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