Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Eine Geschichte des Krieges - Группа авторов страница 13

Eine Geschichte des Krieges - Группа авторов

Скачать книгу

bezeichnet wurden. Im Fall des Koreakrieges wollte Präsident Truman kenntlich machen, dass es sich um eine von den Vereinten Nationen veranlasste Operation und nicht um einen von den Vereinigten Staaten verfügten Krieg handelte. In Algerien ging es Frankreich darum, die Ausmaße eines Konflikts herunterzuspielen, der die Souveränität des Staates auf einem von ihm kolonisierten Territorium infrage stellte. Russland wiederum betrachtete die Tschetschen*innen als »Terroristen«, die die russische Ordnung destabilisieren wollten, und nicht als »legitime« Feinde an der Spitze eines potenziell souveränen Staates. Von Krieg zu sprechen hätte bedeutet, die Abspaltung Tschetscheniens anzuerkennen und die Unabhängigkeitsforderung ernst zu nehmen; das wäre zugleich darauf hinausgelaufen, den Feind als vollwertigen politischen Akteur anzusehen. Daher wurde das Register Kriminalität dem Register Krieg vorgezogen.

      Diese Debatten darüber, ob von Krieg zu sprechen ist, verweisen allgemeiner darauf, dass das politische und militärische Denken insbesondere in den Ländern des Westens um ein Modell des zwischenstaatlichen Krieges herum strukturiert ist, der wiederum mit der Idee der Souveränität verbunden ist. Nach dem Ausspruch des amerikanischen Soziologen Charles Tilly ist es der Staat, der Krieg führt, und der Krieg, der zum Staat führt: Diese Idee prägt Theorie und Geschichtsschreibung in einem Maße, dass es auf einer analytischen Ebene schwierig geworden ist, den Krieg anders zu denken als in der Form eines Konflikts zwischen Nationalstaaten mit »regulären« Armeen. Ist das Völkerrecht nicht ein Recht der Staaten, das nichtstaatlichen Akteuren die Legitimität aberkennt? Die Jurist*innen haben sich seit 1945 übrigens von dem Begriff »Krieg« abgewandt und stattdessen den Ausdruck »bewaffneter Konflikt« bevorzugt – ein Zeichen dafür, dass eine Diskrepanz zwischen Tatsachen und Normen besteht, genauso wie es auch eine Kluft gibt zwischen dem zwischenstaatlichen, »westfälischen« Rahmen der modernen internationalen Beziehungen und den diffusen Formen bewaffneter Auseinandersetzungen, zu denen es während der Dekolonisation und dann im Kontext der Globalisierung kam. Keinem Beobachter würde es in den Sinn kommen, von einem Verschwinden des Krieges nach 1945 zu sprechen, doch über den Begriff selbst hat es nie so wenig Übereinstimmung gegeben: Aus der Rechtslehre verschwunden und zwischen Akteur*innen, Zeug*innen und Beobachter*innen umstritten, wird er noch in strategischer Weise, und oft auch willkürlich, von der Politik verwendet.

      Sich dem Krieg auf einer analytischen Ebene zu nähern ist somit höchst problematisch geworden, weil das Modell zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen der Sache nach und juristisch infrage steht, ohne dass das internationale System auf politischer und rechtlicher Ebene angepasst worden wäre. Seit 1945 sind die zwischenstaatlichen Formen des Krieges zurückgegangen und haben der Logik der nuklearen Abschreckung und den »neuen Konflikten« Platz gemacht, die etwas hilflos als »irregulär«, »asymmetrisch« oder auch »nichtkonventionell« bezeichnet werden. Die Verwendung dieser Attribute ex negativo zeigt an, dass durchaus ein Modell des regulären, symmetrischen und konventionellen Krieges existiert, das mit dem politischen und normativen Rahmen der nationalen und staatlichen Souveränität korrespondiert. In diesem Rahmen konnte der Begriff des Krieges in der Moderne eine exakte Bedeutung erhalten und auf politischer und rechtlicher Ebene formalisiert werden. Doch heute befindet er sich in der Krise: Das Kriegsphänomen überschreitet die Institution des Staates, auf die man es festschreiben wollte. Genau das hat bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts der preußische Offizier und Theoretiker Carl von Clausewitz (1780–1831) in seinem Werk Vom Kriege offengelegt.

       Clausewitz’ Vermächtnis

      Clausewitz wird oft fälschlicherweise nur im Zusammenhang der zwischenstaatlichen Kriege in Europa gesehen. Gelegentlich wird er auch zum Propheten der großen, weltweiten Konflikte des 20. Jahrhunderts gemacht. Doch der preußische Stratege hatte eine umfassendere Perspektive, als die kritischsten seiner Interpreten meinen: Seine Analyse des Phänomens Krieg beruht auf der Unterscheidung von drei grundlegenden Elementen, die unabhängig von der Form der Auseinandersetzung und der betreffenden Kultur Gültigkeit besitzen.

      Zunächst ist der Krieg ein »erweiterter Zweikampf«1, in dem sich zwei Parteien gegenseitig auf militärischer und strategischer Ebene als Gegner anerkennen. Aus dieser Perspektive ist jeder Krieg zunächst ein Kampf, in dem sich auf taktischer Ebene »Willen« und auf strategischer Ebene Intelligenzen gegeneinanderstellen.

      Zweitens bildet der Krieg ein militärisches Mittel, das die politische Befehlsgewalt einsetzt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (auf einen Angriff reagieren, ein Gebiet erobern etc.); in diesem Sinne ist er die »Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln«2. Während die »Grammatik« des Krieges militärisch ist, ist seine »Logik« ihrer Natur nach politisch: Der Krieg findet immer ein Ende, wenn die zuvor definierten Ziele erreicht wurden – diese Ziele müssen allerdings laut Clausewitz von der Politik klar benannt werden, was nicht immer der Fall ist.

      Drittens ist der Krieg »ein wahres Chamäleon, weil er in jedem konkreten Falle seine Natur etwas ändert«3. Wenngleich sich Clausewitz bemüht, die Natur des Krieges zu definieren und eine allgemeine Theorie zu entwickeln, sagt er zugleich, dass jeder Konflikt ein Spiegel der kriegführenden Gesellschaften ist. Dadurch ist der Krieg nicht einfach ein militärisches und politisches Phänomen; er ist auch ein gesellschaftlicher Tatbestand, der von der Natur, den Sitten, dem Zeitgeist, dem technischen Fortschritt, der Bündnissituation, kurz vom Zustand der gesellschaftlichen Kräfte abhängt.

      In Bezug auf diesen letzten Punkt verdient die von John Keegan vorgetragene scharfe Kritik an Clausewitz eine neuerliche Betrachtung. Der britische Historiker wirft in seinem Buch Die Kultur des Krieges dem preußischen Strategen vor, den Krieg auf seine politische Dimension reduziert zu haben. Für Keegan und die Anhänger*innen der Kulturgeschichte ist der Krieg jedoch in erster Linie ein kulturelles Faktum, das die Gesellschaft schon vor allen politischen Beschlüssen prägt. Allerdings legt Clausewitz, wie wir gerade gesehen haben, nicht eine, sondern drei Definitionen des Krieges vor, die sich überschneiden und ergänzen: Die militärische Definition richtet das Augenmerk auf die Sphäre des Kampfes; die politische Definition bezieht den Krieg auf die Belange der Macht; die »gesellschaftliche« oder anthropologische Definition schließlich legt den Schwerpunkt auf die Situiertheit jedes Krieges und unterstreicht, dass es eine Vielfalt an Praktiken und »Kriegskulturen« gibt. Diese Definitionen korrespondieren mit der »wunderlichen Dreifaltigkeit«4 des Krieges, wie Clausewitz es nennt, in der drei verschiedene Ebenen in der Analyse zusammenkommen: Das Militärische stößt eine taktische und strategische Dynamik an; das Politische beschließt die Mobilisierung der Streitkräfte; das »Volk« bestimmt die sozialen, ökonomischen und kulturellen Formen der Auseinandersetzung.

      Clausewitz’ Perspektive ist in dem spezifischen Kontext der Revolution und des französischen Kaiserreichs (1792–1815) zu sehen, in dem das Volk eine wichtige, wenn nicht zentrale Stellung einnahm. In der Auseinandersetzung standen sich nicht mehr nur die »Könige« und die »Armeen« auf politischer und militärischer Ebene gegenüber; »sondern ein Volk [bekriegt] das andere und im Volke sind König und Heer enthalten«5. In der Französischen Revolution bildete mit der von den Republikanern beschlossenen Massenaushebung das Volk die Triebfeder der nationalen Mobilisierung, die es den Revolutionstruppen ermöglichte, von 1792 an den europäischen Monarchien die Stirn zu bieten. Doch es konnte auch der Motor des Aufstands gegen den Staat sein: Bei der spanischen »Guerilla« (1808–1814) mobilisierten sich die Bürger gegen die napoleonischen Truppen.

      In Europa ist es somit die Beteiligung des Volks, worin sich die Kriege des Ancien Régime mit der Militäraristokratie als strukturierendem Zentrum von den nach der Französischen Revolution geführten Kriegen unterschieden, die die nationalen Leidenschaften schürten und in denen die gesellschaftlichen Kräfte das Herz der Armee bildeten. Alle Gesellschaftsschichten waren von nun an aufgerufen, sich, von gemeinsamem nationalem Elan getragen, direkt oder indirekt an der Kriegsanstrengung zu beteiligen. Die Aristokratenehre verschwand nicht hinter dem patriotischen Gefühl; vielmehr gab das Volk der vom aristokratischen Ancien Régime ererbten Ehre durch das patriotische

Скачать книгу