Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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Antinapoleonischen Kriege in der deutschen Erinnerung, Paderborn 2019, S. 11.

      2David Gates, The Napoleonic Wars, 1803–1815, London 1997, S. 272.

      3Roger Chickering / Stig Förster / Bernd Greiner (Hg.), A World at Total War: Global Conflict and the Politics of Destruction, 1937–1945, Cambridge / Washington 2005, S. 56.

      Carl Bouchard

       Nie wieder Krieg!

      Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Gruppierungen, die sich für den Frieden einsetzten. Der Pazifismus als Massenbewegung entwickelte sich in den westlichen Gesellschaften am Ende des Ersten Weltkrieges. Hiroshima führte zu einer weltweiten Bewusstseinsbildung.

      In Anbetracht all der menschlichen Konflikte, die die Geschichte und Erinnerung prägen, erfordert es einen Akt des Glaubens, den Krieg nicht als unabänderliches Schicksal anzusehen. Und es erfordert auch Mut. In einer traditionell durch männliche Werte bestimmten Welt ist es der ebenso grausame wie ruhmreiche und heroische Krieg, an dem diese Werte sich in höchster Form beweisen. Erst mit zunehmender Profanierung des Krieges gewann das Sprechen vom Frieden an Legitimität. Für die westlichen Gesellschaften bedeutete der Erste Weltkrieg einen Wendepunkt: Am Ende dieses grauenhaften Konflikts wagten Millionen von Menschen – echte Männer, weil sie im Kampf gewesen waren –, sich Pazifisten zu nennen. Auf globaler Ebene lässt sich die spätere, aber umso nachhaltigere Entstehung eines pazifistischen Bewusstseins in einem Wort zusammenfassen: Hiroshima.

      Der Legitimierungsprozess des Friedensdiskurses reicht jedoch sehr viel weiter zurück. Er hat seine Ursprünge in verschiedenen philosophischen, religiösen, ideologischen Quellen, von denen einige, soweit es den Westen betrifft, auf die Anfänge des Christentums zurückgehen. Entwürfe für einen Weltfrieden speisten sich aus den Ideen von Philosophen und politischen Denkern des Mittelalters und der Moderne, doch ihre Zahl und Wirkungsmacht nahm erst später, im Europa der Aufklärung, zu. Theoretische Werke wie Kants philosophische Abhandlung Zum ewigen Frieden oder der eher politische Traktat vom ewigen Frieden des Abbé de Saint-Pierre gaben eine Orientierung, welche Formen eine internationale Ordnung annehmen könnte, die sich durch kluge Verbindung moralisch ausgerichteten Regierungshandelns und gemeinsamer Regeln für die internationalen Beziehungen vom Krieg befreite.

       Ein Erwartungshorizont

      Die ersten Friedensvereine entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf die revolutionären Wirren und auf die Konflikte, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts Amerika und Europa in Blut getränkt hatten. Auf moralische Erneuerung bedachte amerikanische und britische Quäkergruppen machten es sich zur Aufgabe, im Namen christlicher Werte für Frieden einzutreten. Seit Thomas von Aquin hatte die Kirche der Realität der menschlichen Gewalt mittels der Doktrin des gerechten Krieges Rechnung getragen. Mit ihr ließ sich der zeitliche Umfang der Kriege begrenzen, indem sie einem Hochschaukeln der Gewalt entgegenwirkte und die Häufigkeit der Konflikte verringerte. Die »Freundesgesellschaften« der Quäker hingegen betrachteten den Krieg als den Lehren Jesu Christi fundamental entgegengesetzt; infolgedessen konnte er ohne Ansehung des Kontexts nur zu verurteilen sein. Ihr Pazifismus war bedingungslos. Dieser prinzipielle Standpunkt übt bis heute einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des pazifistischen Denkens und Handelns im angelsächsischen Raum aus, insbesondere was die Kriegsdienstverweigerung betrifft.

      Die Friedensideen der Quäker erreichten Kontinentaleuropa im Laufe der 1820er Jahre. Die Vereine setzten sich im Wesentlichen aus Gebildeten und der bürgerlichen Elite zusammen, beides Gruppen, die auf Ansehen bedacht waren, kaum zu Radikalismus neigten und die Leidenschaften und die Disziplinlosigkeit der Massen fürchteten. Sie glaubten an die Moral und die Werte, die die Religion einimpft, an die Erziehung der Völker und an die fortschreitende Annäherung der Gesellschaften an ein Glücksideal. Die gesellschaftlichen und politischen Unruhen des 19. Jahrhunderts brachten dieses geordnete Bild allerdings durcheinander. Das Friedensthema tauchte tatsächlich in diesem Jahrhundert, das die Entwicklung von Utopien so begünstigte, mit neuem Nachdruck auf. Zu dem religiös inspirierten moralischen Pazifismus gesellte sich ein Friedensdiskurs, der sich auf radikalere soziopolitische Theorien stützte. Der Sozialismus versprach am Ende einer vollständigen Umgestaltung der sozioökonomischen und politischen Verhältnisse Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, das heißt wirklichen Frieden. Auch die Liberalen sprachen von Frieden: Die um Richard Cobden gescharten Verfechter des Freihandels behaupteten, dass die Zunahme des Handels, die allgemeinen Wohlstand fördern würde, das ideale Mittel sei, um die ökonomischen Rivalitäten, aus denen die Kriege entsprängen, zu verringern. Selbst die Nationalisten schrieben ihren Kampf dem symbolischen Feld des Friedens ein: Die Kriege würden aufhören, wenn jede Nation ihre Unabhängigkeit erlangt habe, was auf die Gefahr hin zu erreichen sei, dass ein (letzter) Befreiungskrieg gegen den Besatzer geführt werden müsse. Der gemeinsame Nenner dieser Internationalismen war: Sie dachten den Frieden nicht als ethischen Ausgangspunkt, aus dem sich das Handeln ergab, sondern vielmehr als einen Endpunkt, einen Erwartungshorizont.

       Wann ist ein Krieg ein gerechter Krieg?

      Man muss bei diesen »Friedenstraditionen« (Nigel Young), die im 19. Jahrhundert auftauchten, bedenken, dass sie weder einen gemeinsamen Ursprung noch dieselben Ansichten über die sozialen und politischen Probleme hatten, von den Mitteln zu deren Lösung ganz zu schweigen. Um die Jahrhundertmitte existierten bereits mehrere »Pazifismen« nebeneinander. Victor Hugo zögerte nicht, sie in bunter Mischung zu seiner berühmten Rede von 1849 vor dem Pariser Kongress der Freunde des Weltfriedens einzuladen: Neben der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa erklärte er seinen Glauben an den ungehinderten Fortschritt der Menschheit zu Freiheit und Brüderlichkeit, pries den christlichen Frieden und applaudierte der wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Dabei offenbart sich bei Hugo eine tiefe Überzeugung von der Überlegenheit der christlichen Zivilisation, die den Auftrag habe, ihr Licht in die ganze Welt zu tragen, was die nachhaltige Gleichgültigkeit der Friedensapostel dieser Zeit gegenüber der Gewalt illustriert, die in den Kolonialterritorien im Namen der »zivilisatorischen Mission« verübt wurde. Nur eine Handvoll Aktivist*innen wie die Pazifistin und Feministin Eugénie Niboyet (1796–1883) verurteilten die Kolonialherrschaft im Namen des Kampfes gegen alle Ungleichheiten.

      Die ursprüngliche Vielfalt des pazifistischen Denkens anzuerkennen ist entscheidend, wenn man seine Entwicklung im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte verstehen will. Obwohl Friedens- und Pazifismushistoriker*innen seit Langem versuchen, Typologien (vom absolutesten und fanatischsten Pazifismus bis zum liberalen Internationalismus) zu etablieren, ist es immer noch üblich, die Bewegung als einheitlich zu betrachten – besonders wenn es darum geht, sie zu diskreditieren. Der Begriff »Pazifist« selbst tauchte erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf und wurde von denen, die er beschreiben sollte, oft zurückgewiesen, da das Adjektiv schnell zu einem Stigma wurde – die Pazifist*innen wurden im Allgemeinen als naive Träumer*innen oder gefährliche Idealist*innen dargestellt. Im Interesse größerer Klarheit sollte das Attribut »pazifistisch« den Aktivist*innen der radikalsten Strömung der Bewegung vorbehalten bleiben und für die Anhänger*innen aller anderen Positionen der Ausdruck »Friedensvertreter*innen« verwendet werden (im Englischen spricht man von peace advocates oder seltener von pacificists, im Französischen von promoteurs de la paix), wobei sich die Trennlinie anhand der Einstellung zu Krieg und Gewalt bestimmt.

      Für den kompromisslosen Pazifismus spielt der Kontext keine Rolle, er verurteilt den Krieg in allen seinen Formen: Dieser zweifellos anerkennenswerte moralische Purismus verdammt seine Verfechter*innen zur Marginalität oder sogar zum Sektentum. Die Friedensvertreter*innen, die mit Abstand am weitesten verbreitete Variante des Pazifismus, missbilligen ihrerseits

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