Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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Forderung des Schutzes von Frauen, Familien und »Heimat« durch die eingezogenen Männer war in der Realität des Krieges schwerlich zu realisieren. Zu den ersten Regionen, in denen die Zivilbevölkerung die Wucht des Krieges zu spüren bekam, gehörten an der Westfront Elsass-Lothringen, Belgien und der Nordosten Frankreichs. Allein hier vertrieb der deutsche Einmarsch ca. 3 Millionen Menschen und machte mittelfristig weitere 500 000 zu Heimatlosen, die in die unbesetzten französischen Territorien fliehen mussten. An die 6500 belgische und französische Zivilisten wurden im Zuge des deutschen Einmarsches bei gewaltvollen Übergriffen getötet. Diese German Atrocities (deutsche Gräueltaten) wurden von der britischen und französischen Propaganda wiederum intensiv für die Kriegsmobilisierung genutzt. Später setzte sich die direkte Gewalt gegen Zivilist*innen vor allem während der Kriegshandlungen und der Okkupation im Osten Europas und auf dem Balkan fort sowie im Territorium des Osmanischen Reiches, das an der Seite Deutschlands kämpfte. Bei Massakern und Todesmärschen starben 1915 / 16 im Kontext des Armenischen Genozids geschätzte 1,5 Millionen Menschen.

      Ansonsten waren Zivilist*innen in der ersten Kriegsphase vor allem durch die erzwungene Trennung von ihren eingezogenen männlichen Angehörigen sowie oft auch Erwerbslosigkeit vom Krieg betroffen. Im Zuge der Umstellung von der Friedens- auf die Kriegswirtschaft wurden vor allem Frauen in den alten »Frauengewerben« wie der Textil- und Bekleidungsindustrie kurzfristig erwerbslos. Doch schon bald setzte aufgrund der schnell wachsenden Verluste und der hohen Rekrutierungsquoten die Mobilisierung der Zivilbevölkerung für die Kriegswirtschaft ein. Aufgrund der verbreiteten Vorstellung einer schnellen Kriegsentscheidung war nicht nur die Führung des Deutschen Reiches, sondern waren auch die Regierungen der anderen kriegsbeteiligten Staaten dafür allerdings nur unzureichend vorbereitet. Die Umstellung auf eine länger anhaltende Kriegswirtschaft erwies sich überall als erhebliches Problem.

      Auch das bestehende System der öffentlichen Sozialfürsorge wurde schon aufgrund der Dimensionen des industrialisierten Massenkrieges in allen kriegsbeteiligten Staaten mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert, die alles Bekannte bei Weitem übertrafen. Zu den ersten sozialpolitischen Maßnahmen gehörte der Versuch, die soziale Situation der »Kriegerfrauen und Kriegerfamilien« durch eine finanzielle Unterstützung abzusichern. Hiermit sollte primär der Kampfeswillen der Soldaten gefördert werden, indem ihnen das Gefühl gegeben wurde, dass die Familienangehörigen daheim gut versorgt wären. Im Deutschen Reich war die Familienunterstützung »der in den Dienst eingetretenen Mannschaften« bereits 1888 durch ein entsprechendes Gesetz geregelt worden. Als »unterstützungsberechtigt« galten alle Kinder unter 15 Jahren sowie bisher versorgte Verwandte ersten Grades des Eingezogenen und seiner Frau. Bis Ende 1917 wurden knapp 15 Millionen Familien von den Kommunen unterstützt. Damit war knapp ein Drittel aller Haushalte auf die Familienunterstützung angewiesen. Die geleisteten Zahlungen waren allerdings alles andere als ausreichend; ihre Höhe hing von der Bedürftigkeit und der Kinderzahl ab. Auch Frankreich bezahlte Angehörigen von Soldaten nur im Fall der Bedürftigkeit eine Familienunterstützung; hier waren lediglich Kinder unter 13 Jahren automatisch anspruchsberechtigt. Anders war die Situation in Großbritannien. Die Regierung gewährte eine vergleichsweise großzügige »Separation Allowance«, da sie diese als wichtiges Mittel der Freiwilligenwerbung betrachtete.

      Zudem wurden in fast allen kriegsbeteiligten Staaten mit Kriegsbeginn die Mieten eingefroren, die im Budget von Mittel- und Unterschichtsfamilien ein erheblicher Ausgabeposten waren. Erst später setzte die staatliche Rationierung von Lebensmitteln und Brennmaterial ein, mit der die schnell wachsende Knappheit zu regulieren versucht wurde. Fast alle Kriegsmächte hatten aufgrund ihrer mangelhaften Kriegsvorbereitung erhebliche Versorgungsprobleme, nachdem der Krieg länger als geplant anhielt. In Deutschland, Italien, Österreich-Ungarn und Russland war die Versorgungslage allerdings aufgrund der Wirtschaftsblockade besonders schwierig. Hier erreichte der Mangel ab 1915 immer extremere Ausmaße. Betroffen waren vor allem Familien der städtischen Unter- und Mittelschichten. Stundenlanges Schlangestehen nach rationierten Lebensmitteln, »Hamsterfahrten« auf das Land, illegale Tauschaktionen, der Einkauf auf dem Schwarzmarkt, kurz die Bewältigung der alltäglichen Not, waren vor allem eine Aufgabe der Frauen. Das Überleben der Familie beruhte in zunehmendem Maße auf zeitaufwendiger weiblicher Subsistenzarbeit im Haushalt. Die Notlage war in vielen kontinentaleuropäischen Städten ab 1916 so groß, dass es zunehmend zu spontanen Hungerprotesten und Lebensmittelunruhen kam, die vor allem von Frauen und Jugendlichen getragen wurden. Bis zum Ende des Krieges starben Hunderttausende von Zivilist*innen infolge von Hunger und Krankheit. Die Zahl der Toten wurde durch die globale Epidemie der Spanischen Grippe, die den durch den Krieg ohnehin geschwächten Menschen 1918 bis 1920 zusetzte, in die Höhe von vielen Millionen getrieben.

      Die unzureichende praktische Kriegsvorbereitung der staatlichen Administration und des Militärs konnte auch durch die nach Kriegsbeginn allerorts schnell einsetzende private freiwillige Kriegsfürsorge nicht ausgeglichen werden, die überwiegend von Frauen getragen wurde. Die große Mehrheit der bürgerlichen wie der sozialistischen Frauenorganisationen, die vor dem Ersten Weltkrieg in vielen Ländern Europas erheblich an Einfluss gewonnen hatten, unterstützte den Krieg ihrer Nation und die Rhetorik des Verteidigungskrieges. Die Kriegspropaganda forderte überall, dass nun alle politischen und sozialen Differenzen überwunden werden und alle Kräfte der Nation zusammenarbeiten müssten. In diesem Sinne unterstützten nicht nur Arbeiterparteien und Gewerkschaften die Kriegführung »ihrer Nation«, sondern schlossen sich auch die unterschiedlichsten Frauenorganisationen auf der nationalen und der lokalen Ebene zur »weiblichen Kriegshilfe« an der Heimatfront zusammen und kooperierten dabei eng mit den jeweiligen staatlichen Stellen.

      Zwei Beispiele sind die größte britische und deutsche Frauenorganisation, die »National Union of Women’s Suffrage Societies« mit ca. 100 000 Mitgliedern und der »Bund Deutscher Frauenvereine« (BDF) mit ca. 500 000 Mitgliedern. Der BDF gründete bereits im Juli 1914 den »Nationalen Frauendienst« (NFD) mit dem Ziel, Frauen für die »vaterländische Arbeit an der Heimatfront« zu mobilisieren. Zunächst konzentrierte der NFD seine Tätigkeit auf die Mitwirkung bei der Organisation der Kriegskrankenpflege, die Mitarbeit bei der Lebensmittelversorgung und -verteilung, die Fürsorge für die Soldatenfamilien und die Unterstützung der kriegsbedingt Erwerbslosen. Nach und nach engagierte er sich zudem verstärkt auch in der Kinder- und Jugendfürsorge, dem Wöchnerinnen- und Säuglingsschutz sowie der Obdachlosenfürsorge. Ein weiteres Tätigkeitsfeld war die Aufklärung über die Bedeutung der Hausarbeit für die Kriegswirtschaft. Mit Sparappellen, Kriegsrezepten und Kriegskochkursen sollten vor allem Soldatenfrauen aus der Arbeiterschaft dazu erzogen werden, mit den wenigen rationierten Lebensmitteln und Brennstoffen besser auszukommen.

      Ganz ähnlich waren die Aktivitäten der Frauenbewegung in anderen Kriegsnationen. Als im Kriegsverlauf die Mobilisierung breiter Frauenkreise für die Arbeit in der Kriegswirtschaft immer wichtiger wurde, übernahmen sie häufig auch die Organisation der weiblichen Arbeitsvermittlung und die notwendig werdende begleitende Sozialfürsorge, zu der die Organisation von Kinderbetreuung und Mittagstischen gehörte. Ein erheblicher Teil dieser Arbeit wurde zwar ehrenamtlich geleistet, doch schon bald zeigte sich in den meisten Ländern, dass das nicht reichte. Es setzte eine Professionalisierung der weiblichen Kriegsfürsorge ein, in deren Zuge sich bezahlte Positionen in der öffentlichen Gesundheits- und Sozialfürsorge, der Wohnungspflege oder der Gewerbeaufsicht für entsprechend qualifizierte Frauen aus der Mittel- und Oberschicht öffneten.

      Um den wachsenden Arbeitskräftebedarf der Kriegswirtschaft zu decken, wurden Frauen im Verlauf des Krieges zu einer immer wichtigeren Reservearmee. Sie ersetzten in mehr und mehr Zweigen der Industrie, des Handels, des Transportwesens und der Verwaltung die eingezogenen Männer. Auf den ersten Blick stieg der Anteil der erwerbstätigen Frauen während des Krieges dramatisch an: In Deutschland von 21 Prozent im Jahr 1913 auf 36 Prozent im Jahr 1918, in Frankreich von 32 Prozent im Jahr 1914 auf 41 Prozent im Jahr 1918, in Großbritannien im gleichen Zeitraum von 24 Prozent auf 38 Prozent und in Russland von 32 Prozent auf 42 Prozent. Der reale Zuwachs der erwerbstätigen Frauen war aber weit weniger dramatisch, als diese Prozentzahlen nahelegen. Er hielt sich in allen kriegsbeteiligten Ländern im Rahmen des allgemeinen Trends einer Zunahme der ganztägigen,

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