Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Eine Geschichte des Krieges - Группа авторов страница 57

Eine Geschichte des Krieges - Группа авторов

Скачать книгу

Freiwillige waren. Mehr als 10 Prozent der männlichen Bevölkerung waren 1813 eingezogen; im Vergleich zu nur 2 Prozent im Jahr 1806. Nach dem Waffenstillstand im August 1813 war die Grande Armée trotz der massiven Verluste im Russlandfeldzug wieder ca. 440 000 Mann stark, und die Koalitionsarmee zählte ca. 510 000 Mann. Allein in der Schlacht bei Leipzig standen sich im Oktober 1813 mindestens 470 000 Soldaten aus zwölf Ländern Europas gegenüber.

      Diese neue, durch Massenheere geprägte Kriegführung hatte weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung. Eine ganz erhebliche Zahl von Familien verlor zumindest für die Zeit der Kriege den Haupternährer; vor allem Frauen aus den Unterschichten mussten nun allein für den Unterhalt der Familie sorgen. Veteranen kamen als Invaliden heim und mussten von Angehörigen gepflegt werden, da die staatliche Fürsorge überall völlig unzureichend war. Hunderttausende von Witwen und Waisen blieben nach den Kriegen zurück. Die Zahl der Kriegsopfer erreichte aufgrund des Einsatzes von Massenheeren ein bis dahin unbekanntes Ausmaß. Die von dem britischen Historiker David Gates geschätzte Gesamtzahl von 5 Millionen Kriegstoten zwischen 1792 und 18152 entsprach, gemessen an der Einwohnerzahl, den Dimensionen des Ersten Weltkrieges. Eindringliche Beispiele für die Auswirkungen sind der Russlandfeldzug Napoleons 1812 und die Kämpfe in Mitteleuropa 1813. Von dem Riesenheer der Grande Armée, das im Juni 1812 in Russland einmarschierte, kehrten im Winter 1812 / 13 bestenfalls 25 000 Mann zurück. Die meisten Soldaten starben nicht in den Schlachten, sondern an Hunger und Kälte sowie Krankheiten und Seuchen, vor allem Fleckfieber und Ruhr. Diese tödlichen Seuchen infizierten auch die Zivilbevölkerung der Regionen, durch die die Armeen zogen. Im Frühjahr und Herbst 1813 war Sachsen ein Hauptkampfgebiet der Kriege. Hier fielen mindestens 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung dem Fleckfieber zum Opfer, das zunächst die Russland-Heimkehrer mitbrachten und später die verwundeten und kranken Soldaten der Schlachten in der Region verbreiteten. Allein in den wenigen Wochen zwischen Ende August und Anfang Oktober 1813 zogen 90 000 verwundete und kranke Soldaten durch Leipzig, das ca. 40 000 Einwohner hatte. Nach der Völkerschlacht wurden erneut mindestens 38 000 Kranke und Verwundete in der Stadt untergebracht. Auf so große Zahlen war die medizinische Versorgung der Militärverwaltungen aller kriegsbeteiligten Staaten völlig unzureichend vorbereitet, weshalb die lokalen Administrationen die Bevölkerung in den umkämpften Gebieten zur Mithilfe beim Aufräumen der Schlachtfelder, dem Bergen der Verwundeten und Toten, der Kriegskrankenpflege und der Kriegsfürsorge heranzogen.

      Europa erlebte zwischen 1792 und 1815 mehr Truppenbewegungen, Gefechte und Okkupationen als im gesamten 18. Jahrhundert zusammen, das wahrlich reich an Kriegen gewesen war. Die Zivilbevölkerung hatte neben den bereits genannten Aufgaben zudem die Kriegsopfer zu beklagen und die Kriegshinterbliebenen zu versorgen. Auch musste sie die Kosten der anhaltenden Kriege mit erhöhten Steuern, Abgaben, Kontributionen und Tributzahlungen tragen, den durchziehenden Truppen und Besatzungsarmeen Quartier geben und sie versorgen und die Kriegsfolgen in den zerstörten Dörfern, Städten und verwüsteten Landschaften beseitigen. Hinsichtlich der anhaltenden Requisitionen von Nahrungsmitteln, Vieh und Fuhrwerken machte es dabei wenig Unterschied, ob feindliche oder verbündete Truppen unterhalten werden mussten: Je länger die Kriege anhielten, desto mehr basierte die Versorgung aller Armeen auf dem Kontinent auf Requisitionen. Verstärkt wurden die wachsenden ökonomischen Schwierigkeiten durch die im November 1806 von Napoleon nach dem Sieg über Preußen und Sachsen erklärte Kontinentalsperre, die die landwirtschaftliche und industrielle Produktion sowie den Handel behinderte, vor allem in den Regionen, die nicht zum Machtbereich Napoleons gehörten, wie Österreich, Preußen und Russland. Hunderttausende litten in erheblicher Weise unter den Napoleonischen Kriegen, je länger diese anhielten.

      Kriegführung in diesen Dimensionen konnte, wenn sie erfolgreich sein sollte, nicht allein auf Gewalt und Zwang basieren. Sie war nur möglich, wenn sie zumindest von Teilen der Bevölkerung aktiv unterstützt wurde, weshalb nicht nur das Napoleonische Empire, sondern auch dessen Gegner mit einer intensiven Propaganda – Reden und Predigten, Liedern und Gedichten, Feiern, Ritualen und Symbolen sowie Bildmaterial aller Art – an die patriotisch-nationalen Gefühle appellierten. Sie versuchten, zum Kampf und zur Kriegsunterstützung zu mobilisieren sowie zu milden Gaben für die Kriegsopfer aufzufordern. Vor allem die Regierungen der wechselnden antinapoleonischen Koalitionen benötigten, je länger die Kriege anhielten, immer mehr die Unterstützung der Zivilbevölkerung, einschließlich der Frauen, für die Sammlung von Geld- und Sachspenden, die Ausrüstung und Einkleidung der Soldaten, die medizinische Versorgung der Kranken und Verwundeten sowie die Fürsorge für Invalide, Witwen und Waisen. Der Befreiungskampf gegen Napoleon wurde in der politischen Rhetorik der Zeit vor allem in Preußen, Spanien und Russland zu einer nationalen »Notstandssituation«, einem »heiligen Krieg« erklärt, der es erforderte, dass alle – Frauen wie Männer, Jung und Alt – in der einen oder anderen Weise »Opfer« brachten. Das zu befreiende »Vaterland« wurde in der Kriegspropaganda dafür als »wehrhafte Volksfamilie« imaginiert, in der alle gemäß ihren Möglichkeiten den »Befreiungskampf« gegen Napoleon zu unterstützen hatten.

      Vorbild für dieses neue Ideal einer Geschlechterordnung der Nationalkriege war das gegnerische Frankreich mit seiner levée en masse, die gefordert hatte, dass junge militärfähige Männer Soldaten werden und die älteren Männer den Krieg vor allem materiell unterstützen sollten. Frauen hatten hingegen als Verlobte, Mütter und Ehefrauen die Kampfbereitschaft der jungen Männer zu stärken, für die Ausstattung und Einkleidung der Soldaten zu sorgen und die Kranken und Verwundeten zu pflegen. Dieses revolutionäre Ideal »republikanischer Mütterlichkeit« wurde in den gegnerischen Staaten zur »patriotischen Mütterlichkeit« umgedeutet, mit der die öffentliche weibliche Kriegsunterstützung legitimiert wurde.

      Diese Rhetorik machten sich auch die 600 patriotischen Frauenvereine zunutze, die von Frauen aus der Mittel- und Oberschicht während der Antinapoleonischen Kriege von 1813–1815 im deutschsprachigen Raum gegründet wurden und zwischen 10 und 300 Mitgliedern hatten, je nach Größe der Stadt. Sie begründeten ihre Tätigkeit damit, dass Frauen in der Ausnahmesituation eines nationalen Befreiungskrieges den Männern helfend zur Seite stehen müssten. Die Frauenvereine sammelten zunächst Spenden für die Einkleidung und Ausrüstung der Freiwilligen und Landwehrmänner und wurden bald auch in der Kriegskrankenpflege und Kriegsopferfürsorge tätig. Die Leistungen der Frauen zur Kriegsunterstützung wurden nach dem Krieg in der öffentlichen Erinnerung allerdings schnell verdrängt, in der die militärischen Helden im Zentrum standen. Von den Frauen wurde vielmehr erwartet, dass sie in die ihnen zugewiesene »Privatsphäre« von Heim und Familie zurückkehrten, um dort die Wunden des Krieges zu heilen. Dementsprechend führten nur 10 Prozent der Vereine ihre Arbeit als Wohltätigkeitsvereine nach dem Krieg fort.

      Ähnlich aktive patriotische Frauenvereine existierten als Teil der antinapoleonischen Bewegung in Europa, soweit bekannt ist, nur in Großbritannien. Drei Gründe dürften dazu beigetragen haben, dass dieses Phänomen im deutschsprachigen Raum besonders ausgeprägt war: Zum Ersten war vor allem in den Kriegen von 1813 bis 1815 Mitteleuropa ein Hauptkampfschauplatz, das heißt in dieser dicht besiedelten Region waren bis dahin unbekannte Zahlen von kranken und verwundeten Soldaten und anderen Kriegsopfern zu versorgen. Für die Bewältigung dieser Aufgabe, auf welche die Armeen und Staaten nur völlig unzulänglich vorbereitet waren, war humanitäre Bürgerhilfe vonnöten. Hierfür konnte, zweitens, an die entwickelte Tradition bürgerlicher patriotischer Vereine angeknüpft werden, die bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in vielen deutschen Städten bestanden. Drittens wurde die Gründung von patriotischen Frauenvereinen ganz energisch von den Frauen der adeligen Elite vorangetrieben und gewann damit offizielle Anerkennung in höchsten Hof- und Militärkreisen, was das unübliche Engagement von Frauen außerhalb der ihnen zugewiesenen »privaten Sphäre« erheblich befördert haben dürfte. Zwar haben Frauen auch in anderen Ländern Spenden für die Ausrüstung und Einkleidung der »Befreiungskrieger« gesammelt, Strümpfe und Wäsche für sie gestrickt und genäht oder in der Kriegskrankenpflege und Kriegsopferfürsorge gewirkt. Vor allem von Frauen aus wohlhabenden Familien wurde christliche Mildtätigkeit in Kriegszeiten schon in der Frühen Neuzeit durchaus erwartet. Es war auch üblich, dass Frauen aus den Unterschichten, die bis zum frühen 19. Jahrhundert als Marketenderinnen, Wäscherinnen und Soldatenbräute zum Gefolge

Скачать книгу