Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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von Institutionen wie des Militärs oder der Kirchen geleistet, nicht aber in der neuen privaten Organisationsform des bürgerlichen Vereins.

       Von Frauen wird Opferbereitschaft erwartet

      Waren nach 1815 zunächst die Kriegsunterstützung und der Patriotismus von Frauen in der kollektiven Erinnerung der Napoleonischen Kriege in allen Regionen Europas, die gegen Napoleon gekämpft hatten, unterdrückt worden, so änderte sich das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem wachsenden Einfluss nationalistischen Denkens. Die Erwartung, dass auch Mädchen und Frauen in der nationalen Ausnahmesituation von Kriegszeiten Patriotismus und nationalen Opfersinn zu zeigen hatten, fand nun zunehmend Anerkennung. Hierzu trug seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entscheidend die erneute Erfahrung von Kriegen bei. Die Reihe der Konflikte begann mit dem ersten Italienischen Unabhängigkeitskrieg (1848 / 49). Wenig später folgten der Krimkrieg (1853–1856), der zweite und dritte Italienische Unabhängigkeitskrieg (1859 und 1866) und die deutschen Einigungskriege (1864, 1866 und 1870 / 71). Mit Ausnahme Großbritanniens führten alle großen Staaten diese Kriege erneut auf der Basis von »Volksheeren« mit Wehrpflichtigen. Aufgrund des deutlich höheren Industrialisierungsgrades, der sich u. a. in den neuen Möglichkeiten des Truppentransportes (Eisenbahnen) und der Kommunikation (Telegrafie) zeigte, war allerdings eine sehr viel schnellere Bewegung großer Heere möglich. Beispielsweise mobilisierten der Norddeutsche Bund und seine Verbündeten Bayern, Württemberg und Baden während des elfmonatigen Krieges gegen Frankreich 1870 / 71 nahezu 1,4 Millionen Soldaten und Frankreich ca. 1,6 Millionen. Von diesen Soldaten fielen auf deutscher Seite fast 45 000, und 90 000 kehrten verwundet heim; auf französischer Seite starben 139 000, und 143 000 wurden verwundet.

      Es waren erneut vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht, die während der europäischen Nationalkriege in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Tradition des weiblichen Patriotismus aus der Zeit der Napoleonischen Kriege aufgriffen. Wegweisend war die Arbeit der englischen Sozialreformerin Florence Nightingale. Sie setzte sich während des Krimkrieges, in dem das Ottomanische Reich, unterstützt von Großbritannien, Frankreich und dem Königreich Sardinien, gegen Russland kämpfte, für eine bessere Organisation des desolaten militärischen Lazarettwesens und eine professionelle Kriegskrankenpflege ein. Nach den Kriegen begann sie mit der Ausbildung von weiblichen Freiwilligen für die Kriegskrankenpflege, finanziert durch private Sponsoren. In der Folge wurde sie zu einer internationalen Berühmtheit.

      Im deutschsprachigen Raum kam es 1859 in Baden aus Anlass des zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieges, in dem Sardinien-Piemont und Frankreich gegen Österreich kämpften, zur ersten Neugründung eines patriotischen Frauenvereins. Eine erhebliche Zahl von Verwundeten und Kranken führte auch hier zum Zusammenbruch der völlig unzureichenden medizinischen Versorgung durch das Militär und zum Ausbruch von Seuchen. Die Gründerinnen des Frauenvereins wollten eine Ausbreitung dieser Seuchen in Richtung Südwestdeutschland verhindern, in Not geratene Familien unterstützen und im Fall eines Krieges auf deutschem Boden die Kriegsfolgen lindern und die Kriegskrankenpflege organisieren. Ein wichtiger Bestandteil der Tätigkeit dieses frühen Frauenvereins war ebenfalls die professionelle Ausbildung von freiwilligen Krankenpflegerinnen. Während des Deutsch-Dänischen Krieges von 1864 und des Preußisch-Österreichischen Krieges von 1866 entstanden zahlreiche weitere patriotische Frauenvereine, die in der Krankenpflege und -fürsorge tätig wurden und ihre Arbeit im Deutsch-Französischen Krieg von 1870 / 71 fortsetzten.

      Gefördert wurde die Entwicklung der professionellen weiblichen Kriegskrankenpflege durch die Gründung des Internationalen Komitees der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege 1863 und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz 1876, mit denen viele Frauenvereine, die sich der Ausbildung für die Kriegskrankenpflege widmeten, zusammenarbeiteten. In der Folge stieg deren Zahl in Europa weiter an. Besonders ausgeprägt war diese Entwicklung im 1871 gegründeten Deutschen Reich, wo der Verband der Deutschen Vaterländischen Frauenvereine diese Tätigkeit koordinierte. Die Zahl der ihm angeschlossenen Vereine stieg von rund 400 im Jahr 1877 auf 1507 im Jahr 1910, denen 482 800 Frauen angehörten. Auch in anderen europäischen Staaten wurde in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg die Ausbildung von weiblichen Freiwilligen für die Kriegskrankenpflege professionalisiert und häufig von bürgerlichen Frauenvereinen und dem Roten Kreuz betrieben. Allerdings zeigt sich im internationalen Vergleich, dass in keinem anderen Land, selbst in Großbritannien, diese Ausbildung so früh und breit von Frauenvereinen getragen wurde wie in Deutschland.

       Eine Reservearmee für Industrie- und Transportwesen

      Während es in der Geschichtswissenschaft zu Recht umstritten ist, ob die Anwendung des Begriffs »totaler Krieg« auf die Konflikte des 19. Jahrhunderts sinnvoll ist, so dürfte weitgehende Übereinstimmung darüber herrschen, dass der Erste, insbesondere aber der Zweite Weltkrieg »totale Kriege« waren, vor allem wenn dieser Begriff, wie von dem amerikanischen Historiker Roger Chickering und seinem deutschen Kollegen Stig Förster vorgeschlagen, als »Idealtyp« (ideal type) benutzt wird: a »phenomenon (that) can never be fully realized«. Für beide zeichnet sich dieser Idealtyp durch vier Indikatoren aus:

      »1.Total war aims: unconditional surrender, subjugation of the enemy state or nation, the principle of destruction.

      2.Total methods: disregard for international law and common moral principles, reckless use of the military means against the enemy.

      3.Total mobilization: the employment of all resources of state, society, and economy for the single purpose of warfare.

      4.Total control: centralized organization and purposeful guidance of all aspects of public and private life within the context of warfare.«3

      Vor allem das Zusammenwirken dieser vier Faktoren unterschied für Chickering und Förster den Ersten und Zweiten Weltkrieg von früheren Konflikten. Allerdings wurde die mit diesem Idealtyp implizierte »Totalität« selbst in der Praxis beider Weltkriege nie erreicht. Zentraler Bestandteil aller vier Indikatoren des »totalen Krieges« ist die Erosion der Grenzen zwischen Heimatfront und Kriegsfront. Die Zivilbevölkerung wird zu einer entscheidenden Ressource der Kriegführung und damit auch – wie bereits erwähnt – zu einem zentralen Zielobjekt der Kriegführung.

      Der Erste Weltkrieg war nicht nur ein globaler Krieg, sondern zugleich der erste hochindustrialisierte Massenkrieg. 38 Nationen waren mit ca. 60–70 Millionen Soldaten in diesen Krieg involviert, der mit fast 10 Millionen toten, 20 Millionen verwundeten und 8 Millionen kriegsgefangenen Soldaten endete. Hinzu kamen ca. 7 bis 8 Millionen zivile Opfer. Diese verlustreiche Form der Massenkriegführung war nur möglich, weil die meisten kriegsbeteiligten Nationen für ihre Armeen mithilfe der allgemeinen Wehrpflicht mobilisierten. In Deutschland wurden bis Kriegsende ca. 13,2 Millionen Männer eingezogen, mehr als ein Drittel der männlichen Gesamtbevölkerung. In Frankreich lag der Mobilisierungsgrad noch höher. Hier wurden ca. 8,1 Millionen Männer Soldaten. Nur die Länder des britischen Commonwealth begannen den Krieg mit Freiwilligenheeren. Doch im Verlauf des Krieges übertraf der Bedarf bei Weitem die Zahl der freiwilligen Meldungen, weshalb Großbritannien im Januar 1916 mit dem Conscription Service Act die allgemeine Wehrpflicht einführte. Bis zum Ende des Krieges wurden allein fast 5,7 Millionen britische Männer und 1,3 Millionen Männer aus den übrigen Staaten des Commonwealth zum Militärdienst eingezogen.

      Die Mobilisierung für den Krieg erfolgte in der Propaganda aller kriegsbeteiligten Nationen mit dem alten Argument des »Verteidigungskrieges«. Die Männer wurden als »Verteidiger der bedrohten Nation« dargestellt, deren Aufgabe es war, Frauen und Kinder in der »Heimat« zu beschützen. Die vielen Männer, die aus den verschiedenen bereits angedeuteten Gründen nicht in den Krieg zogen, wurden als »unmännlich« wahrgenommen und in den Medien entsprechend verunglimpft. In Großbritannien überreichten Frauen im Rahmen der »White Feather Campaign« Männern im wehrfähigen Alter, die in der »Heimat« zurückblieben,

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