Weniger schlecht Projekte managen. Anne Schüßler
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Denn eigentlich möchten Sie ja für die Familie und Ihre Freunde da sein, und außerdem haben Sie Hobbys, wollen noch eine Sprache lernen, mal ins Kino, eine Eule filzen oder ein Boot bauen (was wissen wir schon von Ihren Freizeitplänen?), aber Sie sind natürlich auch gefangen in den Konventionen Ihrer Arbeitswelt, und da geht es gar nicht immer zwangsläufig um den nächsten Karriereschritt, sondern einfach nur darum, dass es Ihr Einkommen und damit auch Ihre Existenz sichert. Die Krux ist folgende: Hand aufs Herz, wie lange hat es gedauert, um bewusst eine Entscheidung darüber zu treffen, welches der Ziele für Sie Priorität hat? Haben Sie diese Entscheidung überhaupt getroffen?
Sie glauben, wir kommen vom Thema ab? Was hat die Priorisierung innerhalb meines Privatlebens mit meiner Projektarbeit zu tun? Tatsächlich haben wir hier genau den Kern der Problematik erreicht. Die Zielbeziehung, in der Ziele in Konkurrenz zueinander stehen, sollten Sie als Projektleiter im Auge behalten, und für diese Ziele sollten Sie durch Priorisierung Klarheit schaffen. Ob wir uns den Druck, in beiden Bereichen so viele Menschen wie möglich so glücklich wie möglich zu machen, selbst machen oder ob er auch explizit an uns herangetragen wird, ist dabei erst mal egal. Wichtig ist, dass Sie als weniger schlechter Projektmanager die gerade beschriebene Situation und Ihr damit einhergehendes Unbehagen in Zukunft als klassisches Beispiel nicht kompatibler, sich gegenseitig ausschließender Ziele begreifen.
Wenn wir das obige Beispiel aus dem Privatleben in den Projektalltag übertragen, haben Sie hier nämlich innerhalb eines Projekts echtes Konfliktpotenzial. Zielkonkurrenzen können sich einerseits auf den Projektgegenstand beziehen. Andererseits – und das ist der gewichtigere Bereich – können die Ziele der agierenden Personen, Projektbeteiligten oder Stakeholder ebenfalls in Konkurrenz zueinander stehen.
Die klassischen Zielkonkurrenzen spielen sich hier zwischen den Zielen »Funktionsumfang/Qualität«, »Projektkosten« und »Endtermin« ab. Während Ihr Chef der Welt das neue Niedlichkeitsbewertungsprogramm für Hundewelpen so schnell wie möglich präsentieren will, möchte der Produktmanager den Funktionsumfang noch dringend um Katzenbabys erweitern, und der Budgetverantwortliche liegt Ihnen in den Ohren, weil die Kosten auf keinen Fall das geplante Budget überschreiten dürfen. In einer perfekten Welt ist das alles kein Problem, die Katzenbabys werden noch integriert, Sie haben die Kosten im Griff, und das Programm kann punktgenau zur großen Tierbaby-Convention vorgestellt werden. In der weniger perfekten Welt, in der wir uns leider befinden, müssen Sie oft mindestens einen Tod sterben. Das bedeutet, dass Sie abwägen und priorisieren und andere davon überzeugen müssen, dass Sie schon wissen, was Sie tun, und nicht immer alle Beteiligten so glücklich machen können, wie Sie es gern würden. Da die Tierbaby-Convention auch strategisch wichtig für Ihr Produkt ist, vermitteln Sie dem Produktmanager, dass die Katzenbabys zwar ganz sicher direkt als nächster Punkt auf Ihrer Liste stehen, Sie aber Ihre ganze Energie zunächst in die fehlerfreie Umsetzung des Basisprogramms stecken werden. Nebenbei bereiten Sie den Budgetverantwortlichen schon mal darauf vor, dass Sie in naher Zukunft einen weiteren Programmierer brauchen.
In diesem Sinne betreiben Sie als weniger schlechter Projektmanager nicht nur Erwartungsmanagement, sondern auch immer ein bisschen Enttäuschungsmanagement bei den Parteien, deren Wünsche Sie unter den aktuellen Bedingungen und unter Berücksichtigung aller Optionen nicht immer erfüllen können.
Lösungen für Zielkonflikte lassen sich selten kaninchengleich aus dem Zylinder ziehen. Bei konkurrierenden Zielen haben Sie als die Person, die den Konflikt auflösen muss, drei Möglichkeiten: Klärung, Priorisierung und Eskalation.
Klärung
Bevor Sie überhaupt irgendwas machen, reden Sie mit den unterschiedlichen Parteien und klären, wie wichtig die in Konflikt stehenden Ziele tatsächlich sind. Gerade bei der schriftlichen Kommunikation geht oft hilfreicher Subtext verloren, und das, was in der Mail superwichtig klang, entpuppt sich bei einem Gespräch als gar nicht so wild. Zielkonflikte können auch dann entstehen, wenn mehrere Parteien nichts von den Aktivitäten der jeweils anderen wissen und sich so einfach ohne Absicht die Anforderungen bei Ihnen häufen. Erst wenn nach solchen Sondierungsgesprächen der Zielkonflikt immer noch besteht, gehen Sie zum nächsten Schritt über und fangen an, zu priorisieren.
Priorisieren
Bringen Sie die Ziele in einer klare und begründbare Rangfolge. Welches Ziel ist wichtiger und warum? Welches kommt danach? In einem ersten Schritt können Sie dabei nach Muss-, Soll- und Kann-Zielen sortieren.
Muss-Ziele sind solche, die unbedingt erreicht werden müssen. Ein Nicht-Erreichen dieser Ziele bedeutet auch immer das Scheitern des Projekts.
Soll-Ziele sind solche, die erreicht werden sollten. Ein Nicht-Erreichen eines Soll-Ziels vermindert die Gesamtzufriedenheit der Stakeholder mit dem Projekt.
Kann-Ziele sind solche, die mehr oder weniger gut erfüllt sein müssen. Diese sollten nur bei einem angemessenen Aufwand überhaupt in Angriff genommen werden.
Jetzt ist es eigentlich ganz einfach: Muss-Ziele schlagen Soll-Ziele, und Soll-Ziele schlagen Kann-Ziele. Reicht diese Unterteilung nicht, um den Konflikt aufzulösen, können Sie noch eine Gewichtung vornehmen. Muss-Ziele können dabei allerdings nicht gewichtet werden, da sie sowieso zwingend erreicht werden müssen.
Haben Sie jetzt eine Priorisierung vorgenommen, mit der sowohl Sie als auch Ihre Stakeholder und die betroffenen Parteien der konkurrierenden Ziele einverstanden sind, müssen Sie diese noch sauber dokumentieren und kommunizieren und können mit Ihrem erarbeiteten neuen Fahrplan weiterfahren. Konnte auch eine Priorisierung nicht weiterhelfen oder ist eine Priorisierung gar nicht möglich, weil zum Beispiel ein Zielkonflikt zwischen zwei Muss-Zielen besteht, hilft Ihnen nur noch der letzte Schritt: Sie müssen eskalieren.
Eskalation
In diesem letzten Schritt wenden Sie sich an die nächsthöhere Instanz, die in der Lage ist, Entscheidungen Ihr Projekt betreffend zu fällen. Dies kann Ihr Auftraggeber, Ihr Chef oder Ihr Geschäftsführer sein. Legen Sie Ihre Situation dar und erklären Sie, warum Sie auch als weniger schlechter Projektmanager nicht in der Lage sind, an dieser Stelle eine Entscheidung zu fällen, und diese Verantwortung zwangsläufig abgeben müssen. Wir drücken Ihnen die Daumen, dass Sie an ein verständnisvolles und entscheidungsfreudiges Management geraten, das Ihnen in dieser schwierigen Situation zur Seite steht.
Sobald Sie die Ziele Ihres Projekts systematisch erfasst und insbesondere die Sonderziele auch operationalisiert haben, ist schon ein erster wichtiger Schritt zur erfolgreichen Durchführung Ihres Projekts getan. Die Bedeutung der Zieldefinition kann gar nicht häufig genug betont werden, denn genau diese Ziele bilden die Grundlage für die weitere Planung. In der Phase der Projektdurchführung Ihres Projekts bilden die Ziele und deren Priorisierung dann die Grundlage für Ihr Handeln und für die Entscheidungen, die Sie zur Steuerung des Projekts treffen.
Zusammenfassung
Wir haben Ihnen jetzt gesagt, dass Ziele nicht nur wichtig, sondern sogar sehr wichtig sind, damit Sie mit Ihren Projekten Erfolg haben und ein weniger schlechter Projektmanager werden. Sie haben die unterschiedlichen Zielfunktionen und Zielkategorien