Auf den Spuren des Doppeladlers. Helmut Luther

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Auf den Spuren des Doppeladlers - Helmut Luther

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       Namenregister

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       Im Land der Träume

      Eine Italienreise auf den Spuren der österreichischen Geschichte

      Vorwort

      Wie jedes Südtiroler Kind der 1960er-Jahre bin ich mit patriotischer, also austrophiler Milch genährt worden. Noch heute kann ich zumindest die erste Strophe des Prinz-Eugen-Liedes auswendig herunterschmettern. Ich erinnere mich noch genau an die pathetische Stimmung, als ich einmal mit meinem Vater an der Andreas-Hofer-Feier teilnahm, die jährlich an dessen Todestag, dem 20. Februar, vor dem Denkmal gegenüber dem Bahnhof von Meran stattfindet: Gänsehaut, als alle strammstanden und aus Hunderten Kehlen das Andreas-Hofer-Lied erscholl. Nervös-grimmige Mienen seitens der Carabinieri, die die Feiernden »beschützten«. Es waren die Bombenjahre, als manche Südtiroler die Rückkehr zu Österreich mit Gewalt erzwingen wollten.

      Mit den Nachbarsbuben, die jeden Nachmittag mit uns auf einem brachliegenden Acker Fußball spielten, verständigten wir uns hingegen in einem Gemisch aus Südtiroler Dialekt und Standard-Italienisch. Streit gab es allenfalls über ein böses Foul, nie über ein böses Wort seitens der »Walschen« oder der »Crucchi«, wie die abwertenden Begriffe der einen über die anderen lauteten. Da waren auch Antonietta und Agnese, Mitarbeiterinnen im Geschäft meiner Mutter, Erstere aus Apulien, die Zweite aus Sardinien stammend, die mich, eben richtige italienische Mammas, als Kind mit Inbrunst verhätschelten. Meine Mutter wurde von ihren Cousins Elena gerufen, ihre Vatersprache war Italienisch. Ich merkte also früh, dass an der Schwarzweißmalerei, mit der uns patriotisch entflammte Erwachsene zu guten Südtirolern erziehen wollten, etwas nicht stimmen konnte. Hier die braven Deutschsprachigen, dort die bösen Italiener, die uns das Südtiroler-Sein austreiben wollten: So einfach war es nicht. Viele, die ich aus nächster Nähe kennenlernte, waren ausgesprochen nett, warmherziger und liebenswerter als mancher deutschsprachige Südtiroler. Als ich zu reisen und schreiben anfing, festigte sich die Erkenntnis, dass, was Politiker gerne trennen, in Wahrheit auf vielfältige Weise verbunden ist. Jahrhundertelang gehörten große Teile Italiens zum Habsburgerreich. Streift man heute durch die Toskana, Venetien oder die Lombardei, trifft man an jeder zweiten Ecke auf altösterreichische Relikte. Die Bildergalerie von Prinz Eugen ziert die Galleria Sabauda in Turin – er selbst verfügte, dass sein Herz in der Stadt am Po ruhen solle. Josef Maria Auchentaller, neben Klimt der wichtigste Künstler der Wiener Secession, verbrachte den größten Teil seines Lebens in Grado und nahm die italienische Staatsbürgerschaft an. In einem Dorf bei Viareggio werden Edelsteine aufbewahrt, ein Geschenk der späteren Kaiserin Zita, die dort geboren wurde. Apropos Kaiserin: Wirklich jeder, mit dem ich während der Recherchen zu diesem Buch in einer Bar einen »Sprizz« (ein Lehnwort aus der Habsburgerzeit) trank, setzte, sobald das Stichwort »Maria Theresia« fiel, zu einer Lobeshymne auf ihre Reformtätigkeit an. Für mich ist es stets eine Freude, wenn ich in einem Winkel Italiens auf eine Spur stoße, die nach Österreich führt – nicht, um zu vereinnahmen, sondern wegen des beglückenden Gefühls der Gemeinsamkeit. Und taugt schließlich die zur Staatsräson erhobene Weisheit der Habsburger, »Andere mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate!«, nicht immer noch als Anleitung für ein gedeihliches Miteinander der Völker? Als Südtiroler weiß ich Bescheid: Genau genommen sind wir lebendige Brücken zwischen »Bella Italia« und dem nördlichen Nachbarland. Wir glauben, von beiden Seiten das Beste abgeschaut zu haben – ob es wahr ist, steht auf einem anderen Blatt.

       Tolstois Apfelbäume

      San Michele, Nonstal, Trentino

      Jeder zweite in Italien verkaufte Apfel reift im Nonstal, nördlich von Trient, heran. Das liegt auch an den Verdiensten Edmund Machs, des Gründers des Agrarinstituts von San Michele.

      Matteo Corazzolla wollte eigentlich Profimusiker werden. Der Endzwanziger mit dunklem Wuschelkopf studierte am Konservatorium von Trient Schlagzeug und Klavier, er spielte in mehreren Bands und erteilte Musikunterricht an Privatschüler. Bis zu jenem schrecklichen Morgen im Jahr 2007, als die Familie seinen Bruder Samuele tot im Bett auffand – ein plötzlicher Herzstillstand mitten in der Lebensblüte. Samuele, der Ältere, sollte später die von den Eltern aufgebaute Bierbrauerei und Apfelweinkellerei in Tres, einem Ortsteil von Predaia im Nonstal, übernehmen. »2007 war ein schwarzes Jahr, auch der leitende Angestellte unserer Firma verstarb damals an Krebs – ich entschloss mich, vorübergehend als Krisenhelfer einzuspringen«, erzählt Matteo, der heute die Firmengeschicke als Kellermeister lenkt. An das frühere Leben erinnern inzwischen nur mehr sein Hipster-Bart sowie eine beeindruckende, im Obergeschoß vor den Büroräumen aufgereihte Sammlung verschiedener Musikinstrumente. Der Familienbetrieb brummt, demnächst wollen die Corazzollas erweitern. In den Kellerräumen, wo der Duft von Vergorenem in der Luft schwebt, hantiert Matteo an Edelstahl-Fässern und wird dabei von einem Rabbiner aus Israel – er hat koscheren Apfelweinessig bestellt – streng beäugt. Vater Bruno erzählt im angebauten Restaurant bei Spätzle mit Apfelschnitten und Speck, wie es zum Erfolg des Unternehmens gekommen ist. Zum Aperitif reicht er Apfelwein mit Ingwernote – schmeckt interessant, muss man aber nicht alle Tage trinken. Auf die Idee, Apfelwein herzustellen, hätten ihn Kunden im Lebensmittelladen gebracht, den er damals in seinem Heimatdorf führte, sagt Bruno. »Da Apfelwein und -essig immer stärker nachgefragt wurden, fragte ich mich irgendwann: Warum nicht selbst produzieren, wenn uns ringsum Millionen Apfelbäume umgeben?« Heute beschäftigen die Corazzollas 25 Mitarbeiter, alle kommen aus ihrem Dorf oder der näheren Umgebung.

      Wein aus Äpfeln und nicht aus Trauben? Im Belpaese, das ja als Land des vergorenen Rebensaftes bekannt ist, mutet die Idee ziemlich ausgefallen an. Fährt man südlich von Bozen über die Brennerautobahn, durchquert man ein grünes Rebenmeer. Hinter der Salurner Klause, wo die Rotaliana-Ebene beginnt und nicht mehr deutsch, sondern italienisch gesprochen wird, mündet der Nocefluss in die Etsch. Links hockt das Dorf San Michele auf einem Sonnenpodest, rechts an den Ufern des Noce breitet sich Mezzocorona aus. Hier liegt die Eingangspforte zum Nonstal, dem Val di Non, und hier ändert sich die Kulisse schlagartig: Über dem tief in die Felsen gegrabenen Noce erheben sich vom Eiszeitgletscher abgehobelte Hänge, noch in den steilsten Lagen wurden mit Apfelbäumen bepflanzte Terrassen gebaut. Zwischen den wie gestriegelt scheinenden Baumreihen liegen Haufendörfer, im Hintergrund leuchten die Felswände der Brentagruppe. Nicht gerade schön wirken die Gebirge aus Plastikkisten, die sich vor ausgedehnten Hallen auftürmen – vor dem Verkauf müssen die jährlich im Tal geernteten 400 000 Tonnen Äpfel zwischengelagert werden. Nirgendwo sonst in Italien wachsen auf so engem Raum so viele Äpfel.

      Andrea Fedrizzi ist bei der größten Erzeugergenossenschaft für das Marketing zuständig. »Die Äpfel bilden die Basis unseres Wohlstandes, sie ernähren einige tausend Familien«, erklärt er im Hauptsitz der Genossenschaft in Segno di Predaia. In seinem Wagen fahren wir anschließend zu einem nahe gelegenen unterirdischen Steinbruch, dort hat die Genossenschaft vor einigen Jahren Kühlzellen angelegt: »Eine Weltneuheit, der Ministerpräsident war bereits hier und hat sich begeistert gezeigt«, sagt Fedrizzi mit Atemwölkchen vor dem Mund, während wir in dicken Jacken durch die bis zur Decke gefüllten Hallen stapfen. Die Temperaturen betragen hier konstant zehn Grad über null. Zur Frischhaltung des Obstes werden die Grotten noch weiter heruntergekühlt, der Sauerstoffgehalt auf ein Minimum reduziert. Das neun Millionen Euro teure Werk soll der Genossenschaft fünfzig Prozent Energie einzusparen helfen, da die Felswände als natürliche Isolatoren wirken.

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      Edmund Mach war 1874 Gründungsdirektor der land-wirtschaftlichen

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