Oval. Elvia Wilk
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Ihr Telefon vibrierte in ihrer Tasche und sie warf unter dem Tisch einen Blick darauf. Louis: beileidshighlight: blumen auf meinem schreibtisch. rührender bestechungsversuch :)
Sie steckte das Telefon zwischen ihre Oberschenkel und sah auf. »Es war nie die Rede davon, dass wir in einer Kommune leben wollen.«
»Stimmt. Ich meine ja nur, das Ganze lässt sich leichter handhaben, wenn ihr miteinander redet. Jeder da oben muss mit den gleichen Problemen klarkommen. Erneuerbare Energien sind nicht narrensicher; die funktionieren nicht wie ein Uhrwerk. Das weißt du. Die Risiken stehen in eurem Vertrag.«
»Ich weiß. Tut mir leid, dass ich durchgedreht bin. Es ist nur, dass« – Kippmoment, innerer Schwindel – »wir sind gerade ziemlich gestresst.« Mit dem ›wir‹ hatte sie Louis in die Unterhaltung geholt, und der wahre Grund, warum sie hier war, kam zum Vorschein. Sie reichte Howard ihr Bedürfnis auf einem silbernen Tablett.
Wenigstens hatte sie eine Pointe, eine Bombe, die sie explodieren lassen konnte: den Tod von Louis’ Mutter. Wie schlimm das klang, wie unverhandelbar.
Doch Howard nickte bereits wissend. »Ich wollte mich nicht aufdrängen«, sagte er, »aber ich habe von Louis’ Mutter gehört, und es tut mir aufrichtig leid. Das ist wirklich schrecklich.«
Das war der schlimmste Schock an diesem Morgen – ein übergriffiger, vielschichtiger Schock. Sie hatte gedacht, es sei an ihr, von dem Todesfall zu erzählen. Erst jetzt, da ihr dieses Recht geraubt worden war, erkannte sie, wie sehr sie sich selbst an die Neuigkeit geklammert hatte. Mehrfach hatte sie sich ausgemalt, wie sie Howard die Neuigkeit feierlich mitteilen würde: Statt ›tot‹ würde sie ›verstorben‹ sagen und ihre Tränen dabei wegblinzeln. Sie erinnerte sich an den finsteren Nervenkitzel, als sie diese Worte ihren Eltern und jenen Freunden gegenüber ausgesprochen hatte, die »ein Recht darauf hatten, es zu erfahren«, an die Gewissheit, diejenige zu sein, der die Verbreitung dieser privilegierten Information anvertraut worden war.
Es vor allen anderen zu wissen, es als Erste erfahren zu haben, hatte irgendetwas bewiesen. Die Zerbrechlichkeit des Beweises, der nun auseinanderfiel, brachte die Kleinlichkeit ihres Bedürfnisses zum Vorschein.
»Wie hast du davon erfahren?«, fragte sie, und noch bevor sie die Frage ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie dumm war. Louis war zwei Wochen fort gewesen. Angelegenheiten wie diese waren nie ein Geheimnis. Der Tod entfaltete privaten Schmerz ins Offene.
»Ich war letzte Woche wegen einer Beratungssache bei Basquiatt drüben«, sagte er. »Es tut mir leid. Ich wollte schon früher mein Beileid aussprechen, aber wie gesagt, ich wollte nicht stören.« Natürlich wollte er stören. »Wie geht es ihm?«
»Ich weiß nicht. Ihm geht’s gut.«
»Das muss hart sein.«
»Ich weiß nicht, was er von mir erwartet.«
»Du musst einfach nur für ihn da sein.«
»Das sagen alle. Aber wo soll ich sein? Wo ist da?«
»Du weißt doch, was das bedeutet. Es heißt, präsent und aufmerksam zu sein. Er will wahrscheinlich nur zur Normalität zurückkehren.«
»Das kommt mir aber irgendwie so beschissen vor.« Sie schüttelte den Kopf. »Normal erscheint grausam in dieser Situation.«
»Vielleicht muss er verdrängen.«
»Alle wollen verdrängen! Was noch lange nicht heißt, dass das gut ist.«
»Du kannst von niemandem erwarten, dass er die ganze Zeit leidet. Er muss die unterschiedlichen Bereiche seines Lebens getrennt halten, wenn er einen Todesfall überleben will.«
»Einen Todesfall überleben«, wiederholte sie, und erinnerte sich daran, dass Howards Vater vor langer Zeit gestorben war. Sie hatten nie wirklich darüber geredet. Sie überlegte, die Unterhaltung herumzudrehen, und über Howard zu sprechen. Es würde nicht funktionieren.
»Es lässt sich nicht vorhersagen, was passieren wird, oder was er brauchen wird«, sagte Howard mit beruhigender Stimme. »Sei einfach geduldig. Die Wege des Traumas sind unergründlich.«
»Aber gibt es nicht auch universelle Dinge? Es ist ganz einfach kategorisch schlecht, wenn ein Elternteil stirbt. Selbst wenn du ambivalente Gefühle ihnen gegenüber hegst, oder sie hasst, ist es im Großen und Ganzen schlimm, wenn sie sterben.«
»Vielleicht ist es nicht für jeden gleich schlimm.«
»Wenn meine Eltern sterben würden, wollte ich, dass alle um mich herum durchdrehen, Kram verbrennen und alles zerstören.«
»Aber es ist nicht dir passiert. Es ist ihm passiert.«
Sie holte tief Luft und öffnete sich ihm völlig. »Ich weiß, dass ich nicht meine Gefühle auf ihn projizieren sollte, aber ich will nicht ahnungslos abwarten, nur damit er dann plötzlich ausrastet.«
»Vielleicht rastet er gar nicht aus. Manche Leute nehmen das Leben eben leichter.«
»Glaubst du das wirklich? Aus dir spricht das pure Privileg.«
Er zeichnete mit seinem Finger einen Kreis um sein Gesicht. Sieh mich an. Eine Minderheit.
»Ach, komm schon. Du weißt, was es heißt, privilegiert zu sein.« Sie ahmte seine Geste nach, zeichnete einen größeren Kreis in die Luft, der die renovierte Altbauküche mit dem blauen Keramikwaschbecken und der Edelstahlwaschmaschine einschloss.
»Ich will damit nur sagen, dass Louis eine eher unkomplizierte Person ist.« Die nicht gerade subtilen Sticheleien gegen Louis nahmen zu. Sie ignorierte sie. Sie hatte um Rat gebeten; sie musste das, was mit dem Ratschlag einherging, schlucken. »Du neigst dazu, dich zu sehr in das Leben von Menschen einzubringen, die dir etwas bedeuten«, sagte er. »Das ist zwar sehr liebenswert und vorbildlich, aber nicht immer gut für dich. Setzen Sie zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske auf.«
»In Ordnung. Das ist genug väterlicher Rat für heute.«
»Ich klinge nur wegen meines britischen Akzents so herablassend.«
»Das sagst du immer.« Sie lächelten einander an, und dann fragte sie: »Und wie läuft es mit – deinen Sachen? Hast du irgendwelche Sorgen?« Das übliche, unaufrichtige Angebot. Sie kannten beide die Dynamik, die zwischen ihnen herrschte. Sie war unausgeglichen, aber stabil. Alles, was sie über ihn wusste, war, dass er viel über sie wusste.
Er lehnte sich ihr leicht entgegen, eine kaum wahrnehmbare Geste, der kein Außenstehender Bedeutung beimessen würde, die aber eine umso intimere Botschaft übermittelte, weil sie so verkümmert war.
»Wenn du schon fragst, wir stecken momentan in einer kleinen PR-Krise«, sagte er.
»Ach ja?«
»Unter uns.«
»Okay.«
»Nicht einmal Louis geht das etwas an.«
»Ich hab’s verstanden.«
»Um ganz ehrlich zu sein«, sagte er und legte seine Fingerspitzen auf den Tisch,