Darf man sich`s urgut gehen lassen?. Herlmut A. Gansterer

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Darf man sich`s urgut gehen lassen? - Herlmut A. Gansterer

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ästhetische Entstellung des gewohnten Schriftbilds, wollten aber ihren Beitrag zum Geschlechterfrieden leisten. Sie hatten aber die Rechnung ohne die LeserInnen gemacht. Diese, vor allem auch Frauen, protestierten gegen „die hässliche Hürde“ und „Lesefreude-Bremse“. Sodass die meisten Autoren und Medien erleichtert zur alten Form zurückkehrten.

      Eine kluge, besänftigende und schöne Erklärung dafür setzte Markus Hengstschläger an den Anfang seines Bestsellers „Die Durchschnittsfalle“ (Untertitel: Gene – Talente – Chancen, 2012). Er schrieb: „Um die Lesbarkeit des Buches zu verbessern, wurde darauf verzichtet, neben der männlichen auch die weibliche Form anzuführen, die gedanklich selbstverständlich immer mit einzubeziehen ist.“

      Erst als der tapfere Genforscher und Freund Hengstschläger vorangegangen war, wagte auch ich die Rückkehr zur klassischen, männlichen Schreibweise. Sollte in diesem Buch noch irgendwo das Binnen-i auftauchen, ist es als Echo meiner Angst vor Emanzen zu lesen.

      Politiker sagen in Wahlreden, wo sie weder Platzprobleme noch optische Probleme kennen, in jedem zweiten Satz zur Sicherheit „Liebe Wählerinnen und Wähler“. Nur Bundespräsident Thomas Klestil selig war auch als Redner auf halbem Weg zu einer Art Binnen-i beziehungsweise Binnen-R. Er entzückte Kabarettisten mit seiner Anrede „Liebe Österreicher und Rinnen“.

      Die Frage kommt aus der dünn besiedelten Jungfrauenecke unseres Frage-Pools. Die Frauen der dichter besiedelten Sünder-Ecke heulen entzückt auf. Sie kennen die Antwort: NEIN.

      Eine Frau, die immer noch glaubt, dass man Komplimente übertreiben könnte, hat nicht alle Strapse am Strumpf. So eine „träumt in der Pendeluhr“, wie die legendäre Gründerin der Bonbonniere Bar, Elfriede Gabriel, sagte.

      Sie und alle anderen lebensfrohen Sünderinnen wussten seit jeher, dass Komplimente nur dann Wirkung zeigen, wenn sie übertrieben werden. Ein vermeintlich kluges Kompliment, das die Wirklichkeit nur schwach schönt, um extra glaubwürdig zu sein, ist praktisch eine Beleidigung. Es unterläuft das Selbstbildnis der Komplimentierten, die sich ja im eigenen Spiegel schöner und klüger sieht.

      Wie übrigens auch jeder Mann. Auch er dreht sich, wenn er sich unbeobachtet fühlt, im Spiegel in jene Richtung, in der er am besten aussieht. Und so wie die Damen liebt er die seltenen Restaurants, die gebräunte Spiegel in den Waschräumen bieten.

      Als bestes Beispiel nenne ich das Donau-Restaurant Tuttendörfl. Wie der „Sodoma“ in Tulln steht es im Verdacht, das beste Gasthaus der Welt zu sein. Männer sitzen dort wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn am Mississippi, also um zwanzig Jahre jünger. Die vom Tuttendörfl-Chef Günther Gass gehängten Sepia-Spiegel in den Toiletten machen um weitere zehn Jahre jünger. Jeder männliche Gast fühlt sich also von vornherein um dreißig Jahre jünger. Da bleibt für männersuchende Frauen wenig Spielraum für Komplimente. Man sagt aber, dass im Tuttendörfl viele gute Ehen ihren Anfang nahmen. Das liegt daran, dass man die Komplimente auf andere Bereiche als das Alter verlagern musste. Frauen lobten Männer endlich für ihre Lebensphilosophie, Männer die Frauen endlich für ihre Intelligenz. Und alle übertrieben in ihren Komplimenten, um sie zu schärfen. So ging alles gut.

      Es gibt den krassen Fall, wo man die Frage sogar umdrehen muss: Darf man Hochdeutsch sprechen, ohne als dumm zu gelten? Das gilt für Landstriche, in denen mit größter Verliebtheit und praktisch ausschließlich Dialekt gesprochen wird. Dialekt ist dort der wichtigste Stempel für Zusammengehörigkeit und spontanes Vertrauen. Wer beispielsweise in Tirol oder Kärnten nicht Tirolerisch („bischt a Tirola, bischt a Mensch“) oder nicht Kärntnerisch („Lei lafn losn“) spricht, obwohl er die lokale Sprechfarbe beherrscht, ist umnachtet.

      Wer dort ohne Notwendigkeit Hochdeutsch spricht, verliert den Vorteil einer natürlichen Sympathie. Er handelt sich den Nachteil ein, zunächst wie ein Säbelzahntiger als fremdes, gefährliches Raubtier wahrgenommen zu werden.

      Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass man den jeweiligen Dialekt wirklich gut, am besten ideal beherrscht. Denn noch schlimmer als ein „Hochdeutscher“ wird jeder eingestuft, der sich mit hölzern eingeworfenen Dialekt-Brocken beliebt machen will. So einer wird schnell als Einschleimer und Arschkriecher empfunden. Während der reinlich hochdeutsch Sprechende zwar fremd wirkt und zunächst Widerstand weckt, aber wenigstens als Aufrichtiger gilt, der halt aus Gefilden kommt, wo man komisch und gestelzt die Fremdsprache Hochdeutsch spricht.

      Generell empfiehlt sich, die Frage des lokalen Dialekts als Gast eines Dialektbundeslandes (egal, ob in Österreich, Deutschland, Schweiz) entspannt anzugehen. Zwar braucht man als „Hochdeutscher“ länger, um anerkannt zu werden, doch am Ende einer langen Abenddiskussion oder einer versoffenen Nacht entscheidet doch die Persönlichkeit, die sich über alle Sprachgrenzen hinweg mitteilt.

      Jetzt zur eigentlichen, zentral gemeinten Frage, ob man, ohne als dumm zu gelten, den eigenen ländlichen Dialekt in Städte wie Wien, Berlin und Zürich verschleppen darf, wo es zwar auch kräftige Dialekte gibt, aber das Hochdeutsche als Normalsprache akzeptiert wird und als Kultursprache gilt. Hier ist Vorsicht geboten.

      Die Antwort lautet logisch NEIN, wenn der eigene Dialekt so tief ist, dass keine Verständigung möglich wird. Dann unterscheidet man sich nicht von Zulus, die eine Zungenschnalzsprache pflegen. Ich darf dieses Beispiel korrekt so nennen, weil ich als gern gesehener Gast und Interviewer des Zulu-Königs Mangotsu Buthelezi diese heitere Sprache kennenlernte und begriff, dass es zu ihr keine Brücke gibt. Mangotsu selbst, in Harvard ausgebildet, sprach mit mir Englisch.

      So ist auch das Hochdeutsche in den deutschsprachigen Städten von A-CH-D als hilfreiche lingua franca zu loben, die jeder gut versteht – wie mittlerweile das Englische in allen Weltmetropolen. Kurz gesagt: Man sollte Hochdeutsch können, zumal es eine schöne Sprache ist und weltweit sogar als „Sprache der Dichter“ gelobt wird, wie das Englische als „Sprache der Technik“ und das Französische wegen seiner Doppeldeutigkeiten als „Sprache der Diplomatie“.

      Nicht Hochdeutsch zu können, wird daher letztlich mit Recht als Unbildung empfunden, und als Dummheit insofern, als es gescheit wäre, sein Hochdeutsch zu pflegen. Wie sollte man sonst in der Schule gute Referate sprechen, den Kindern gute Bücher vorlesen und mit Touristen reden können, die oft ein gutes Deutsch, aber sicher keinen Dialekt sprechen und schon gar nicht verstehen.

      Wichtig ist zuletzt auch, einen Unterschied zwischen Dialekt-Sprache und Dialekt-Färbung zu machen. Kein Zufall, dass die Darf-man-Frage von einer Ecowin-Mitarbeiterin in hohem Rang kam, die sich Sorgen machte, weil man ihr Herkunftsbundesland hört. Sie kann unbesorgt sein, weil sie perfektes Hochdeutsch spricht. Die exotische Klangfarbe, gewissermaßen der Akzent, wird ausnahmslos als bezaubernd geachtet. Prominente Kärntner wie Udo Jürgens kämpfen bewusst gegen den Verlust ihrer Kärntner Klangfarbe, wie Tobias Moretti gegen den Verlust der tirolischen und Milva gegen den Verlust der italienischen. So wie die Obertöne den Schmelz der Musik machen, adelt der Akzent oft das Hochdeutsche. Oskar Werner fand einen eigenen, singenden, wienerischen Oberton. Und von Thomas Mann sagt man, er habe sogar versucht, seinem Hochdeutsch noch einen hochdeutschen Akzent aufzusetzen.

      Ehe wir an die Antwort gehen, muss ich meinem Haberer Hermann Maier, mit dem ich in Frieden und wechselseitiger Bewunderung lebe, hastig versichern, dass die Frage in dieser Form von einer Dame gestellt wurde, die mit Wintersport nichts am Hut hat.

      Andernfalls hätte sie gewusst, dass durch ihn, den Hermann,

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