Das Raunen und Tuscheln der Wüste. Bell Gertrude Lowthian

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Das Raunen und Tuscheln der Wüste - Bell Gertrude Lowthian Die kühne Reisende

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ich, dass der Junge, den wir am Morgen losgeschickt hatten, auf dem Weg getrödelt hatte und, erschrocken über die vorgerückte Stunde, unverrichteter Dinge umgekehrt war. Das war ärgerlich genug, aber nichts im Vergleich dazu, wie sich das Wetter am folgenden Tag aufführte. Beim Erwachen stellte ich fest, dass die Ebene völlig in Nebel und Regen verschwunden war. Der Wind fegte uns den ganzen Tag von Süden entgegen, Sturm zerrte an unseren Zelten. Am Abend kam Namrud mit der Neuigkeit, dass Gäste in seine Höhle eingefallen seien. Ein oder zwei Meilen entfernt von uns standen Zelte der Sukhur, (der überwiegende Teil des Stammes befand sich noch weit im Osten, wo die Winter milder sind), und der heftige Regen war den männlichen Bewohnern zu viel geworden. Sie waren auf ihre Pferde gestiegen und nach Tneib geritten, Frauen und Kinder hatten sie allein zurückgelassen, sie mussten zusehen, wie sie durch die Nacht kamen. Ein wenig Gesellschaft nach diesem langen, nassen Tag schien verlockend, also schloss ich mich ihnen an.

      Namruds Höhle läuft tief in den Berg hinein, so tief, dass sie möglicherweise bis in die Mitte des Tneib-Berges reicht. Der erste große Raum ist offenbar eine natürliche Höhle, nur die niedrigen Schlafplätze und die Futtertröge für das Vieh sind in den Fels gehauen. Ebenfalls in den Fels gehauen ist eine Öffnung, die in einen kleineren Raum führt, hinter dem, wie man mir versicherte, weitere liegen. Ich habe sie nicht in Augenschein genommen, die heiße, stickige Luft und die dichten Fliegenschwärme hielten mich von weiteren Erkundungen ab. Das wilde und ursprüngliche Bild, das die Höhle an jenem Abend bot, hätte selbst das abenteuerlustigste Gemüt zufrieden gestellt. In der Mitte der Höhle saßen zehn, zwölf Männer in regennassen, gestreiften Gewändern und roten Lederstiefeln um ein Reisigfeuer, in dessen Glut drei Kaffeetöpfe standen, unverzichtbar für jede Wüsten-Geselligkeit. Hinter ihnen kochte eine Frau Reis auf einem helleren Feuer, das ein Flackern auf die hintere Höhlenwand warf und Namruds Vieh beschien, das aus den Felskrippen gehäckseltes Stroh fraß. Man räumte mir im Kreis einen nahezu schlammfreien Platz ein und reichte mir eine Tasse Kaffee, dann ging das Gespräch weiter, es dauert so lange, wie ein Mann braucht, um fünf Mal seine arabische Pfeife zu rauchen. Es ging vor allem um die Missetaten der Regierung, denn der Arm des Gesetzes, besser gesagt: die gepanzerte Faust einer unfähigen Regierung, ist für die Wüstenränder eine ständige Bedrohung. Die war in diesem Jahr noch größer geworden, weil die Erfordernisse des Krieges zu einigen furchtbaren Maßnahmen geführt hatten.

      Ohne Aussicht auf eine Entschädigung finanzieller oder sonstiger Art waren entlang der Grenzen Kamele und Pferde in großer Zahl requiriert worden. Die Araber hatten all ihre verbliebenen Tiere versammelt und fünf oder sechs Tagesreisen weit nach Osten getrieben, wohin die Soldaten nicht vorzudringen wagten, Namrud war dem Beispiel gefolgt und hatte nur das Vieh behalten, das er zum Pflügen brauchte. Ein Gast nach dem anderen ergriff das Wort, ihr hartes, gutturales Arabisch hallte von den Höhlenwänden wider. Bei Gott und Mohammed, seinem Propheten, ließen wir Verwünschungen auf die tscherkessische Kavallerie niederprasseln, auf dass die kräftigen Reiter in ihren Sätteln taumeln mögen! Hin und wieder neigte sich ein turbanumwickelter Kopf, dem die schwarzen, verfilzten Locken unter dem gestreiften Tuch um die Augen hingen, nach einem glimmenden Zweiglein für seine Pfeife, eine Hand streckte sich nach den Kaffeetassen, das Kochfeuer flammte unter frisch aufgelegtem Reisig auf, die plötzliche Helligkeit ließ die Fliegen summen und das Vieh unruhig werden. Namrud war nicht sehr erfreut darüber, dass sein gerade gesammeltes Feuerholz so rasch abnahm und seine Kaffeebohnen händeweise in den Mörser wanderten. (»Wallah! sie essen wenig, wenn es vom eigenen geht, aber viel, wenn sie Gäste sind, sie und ihre Pferde. Dabei ist das Korn in diesem Jahr knapp.«) Aber zwischen Jordan und Euphrat ist das Wort ›Gast‹ heilig, und Namrud wusste sehr wohl, dass er seine Stellung und seine Sicherheit weitgehend einer Gastfreundlichkeit verdankte, die er allen Besuchern gewährte, so ungelegen sie sein mochten. Ich trug meinen Teil zur Geselligkeit bei, indem ich ein Kistchen Zigaretten verteilte. Als ich aufbrach, war zwischen den Männern der Beni Sakhr und mir ein gegenseitiges Wohlwollen entstanden.

      Der folgende Tag war kaum vielversprechender als der vorherige. Die Maultiertreiber waren entschieden dagegen, die schützenden Höhlen zu verlassen und ihre Tiere in der offenen Wüste einem solchen Regen auszusetzen. Also willigte ich widerwillig ein, die Abreise zu verschieben, schickte sie nach Madeba, drei Stunden entfernt, um Hafer für die Pferde zu kaufen, schärfte ihnen aber ein, keinesfalls zu sagen, woher sie kamen. Am Nachmittag klarte es etwas auf, und ich ritt Richtung Süden nach Kastal, einem befestigten römischen Lager, das auf einem Hügel liegt.

      Als ich vor fünf Jahren nach Kastal kam, war es unbewohnt, das Land rundum aber nicht bestellt. Jetzt waren Fellachenfamilien in die zerfallenen Gewölbe eingezogen, und auf den ebenen Flächen unterhalb der Festung spross Getreide. Solche Veränderungen wärmen fraglos das Herz des Menschenfreundes, das des Archäologen lassen sie eisig erschauern. Nichts vernichtet so gründlich wie die Pflugschar, nichts zerstört so schnell wie der Bauer, der behauene Steine für seine Hütte sucht. Als weiteres Anzeichen der nahenden Zivilisation fielen mir zwei halb verhungerte Soldaten auf, Wächter der nahen Haltestelle der Hedschasbahn, die man, nach den wenigen Meilen davon entfernt im Osten liegenden Ruinen, mit dem Namen Mschatta geadelt hatte. Der Grund ihres Besuches war das magere Huhn, das einer der beiden in Händen hielt. Er hatte es den noch dünneren Gefährten im Festungshof entrissen, nach den Umständen fragt man besser nicht, Hunger kennt kein Gesetz. Mir war nicht daran gelegen, dass meine Anwesenheit in dieser Grenzregion den Behörden in Amman zu Ohren kam, daher brach ich recht rasch auf und ritt ostwärts nach Jiza weiter (oder Ziza, wie manche es nennen).

      Die Regengüsse hatten die Wasserläufe der Wüste gefüllt, sie sind selten so tief und reißend wie der, den wir an jenem Nachmittag durchqueren mussten. Der Regen hatte auch das große römische Wasserbecken von Jiza bis zum Rand gefüllt, die Sukhur würden dort den ganzen kommenden Sommer Wasser vorfinden. Hier gab es viel mehr Ruinen als in Kastal, die Fundamente erstreckten sich über ein großes Areal, das muss eine große Stadt gewesen sein. Vielleicht war Kastal die Festung, die sie schützte, immerhin teilen Festung und Stadt den Namen Ziza, der in der Notitia erwähnt wird: »Equites Dalmatici Illyriciana Ziza«.

      Es gibt hier auch ein sarazenisches Kal’ah, eine Festung, die Soktan, ein Scheich der Sukhur, wie Namrud berichtete, wiederherstellte und mit einer für die Wüste ganz unbekannten Pracht ausstatten ließ. Dann war sie allerdings an den Sultan gegangen, weil sie auf dem Land steht, das er sich für seinen Landsitz ausgesucht hatte. Seither verfällt sie. Die Hänge dahinter sind voller Fundamente, darunter eine Moschee, deren Mihrab auch noch weit im Süden zu erkennen war. Zu Ibrahim Pashas Zeiten war Jiza ägyptische Garnison, es waren im Wesentlichen seine Soldaten, die die Zerstörung der antiken Bauten vollends übernahmen. Bevor sie kamen, berichteten die Araber, waren viele Gebäude, darunter christliche Kirchen, noch vollständig erhalten. Auf dem Rückweg folgten wir dem Eisenbahndamm und sprachen über die möglichen Vorteile, die dem Land aus der Eisenbahnlinie erwachsen könnten. Namrud äußerte Zweifel. Beamten und Soldaten misstraute er samt und sonders. Tatsächlich hatte er guten Grund, diese offiziellen Räuber zu fürchten. Deren Raubgier konnte er nicht durch seine Gastfreundschaft mildern, die Araber hingegen hatte er sich auf vielfache Weise zu sehr verpflichtet, als dass sie ihm

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