Das Raunen und Tuscheln der Wüste. Bell Gertrude Lowthian

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Das Raunen und Tuscheln der Wüste - Bell Gertrude Lowthian Die kühne Reisende

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Bergwetter mit nassem, dahinjagendem Nebel Salt. Der Boden rund um das Dorf war sumpfig, hier war der Regen gefallen, der in der Nacht über uns hinweggezogen war. Ich zögerte, das Lager aufzuschlagen, weil ich auf eine trockenere Unterkunft hoffte. Als erstes suchte ich das Haus von Habib Effendi Faris, denn ich war nach Salt gekommen, um ihn zu besuchen, auch wenn ich ihn nicht kannte. Für die Fortführung meiner Reise war ich völlig von seiner Unterstützung abhängig und hoffte sie wegen folgender Verbindung zu bekommen: Er war mit der Tochter eines aus Haifa gebürtigen Predigers verheiratet, Abu Namrud, und dieser würdige alte Mann war ein enger Freund von mir. Seine Familie stammt aus Urfa am Euphrat, aber er hatte lange in Salt gelebt und kannte die Wüste. Er sollte mich Grammatik lehren, aber den überwiegenden Teil der Unterrichtsstunden verbrachte ich damit, seinen Geschichten über die Araber zu lauschen – und über seinen Sohn Namrud. Dieser arbeitete mit Habib Faris zusammen, einen Namen, den jeder Araber der Belka-Hochebene kannte.

      »Solltet Ihr jemals in die Wüste wollen«, hatte Abu Namrud gesagt, »geht zu meinem Sohn.« Also ging ich zu Namrud.

      Man musste nicht viel herumfragen, um zu erfahren, wo Habib Faris’ Haus lag. Ich wurde herzlich empfangen, Habib war nicht da und Namrud fort (verließ mein Glück mich?) Aber ob ich nicht hereinkommen und mich ausruhen wolle? Das Haus war klein, die Kinder zahlreich; während ich mich noch fragte, ob die schlammige Erde vielleicht doch das bessere Bett sei, kam ein prachtvoller, alter Mann, ganz arabisch gekleidet, griff die Zügel meines Pferdes, und erklärte, dass niemand anders als er mich bewirten werde. Dann führte er mich fort. Ich ließ mein Pferd an der Karawanserei, erklomm eine lange, schlammige Treppe und stand schließlich in einem gepflasterten Innenhof. Yusef Efendi eilte voran und öffnete die Tür zu seinem Gastzimmer. Fußboden und Diwan waren mit dicken Teppichen bedeckt, in den Fenstern war Glas (auch wenn viele Scheiben zerbrochen waren), an der Wand stand eine europäische Chiffoniere: Das war mehr, als ich erhofft hatte. Binnen Minuten hatte ich mich eingerichtet, trank Yusefs Kaffee und aß meinen eigenen Kuchen.

      Yusef Effendi Sukkar (Friede sei mit ihm!) ist Christ und einer der reichsten Männer Salts. Er ist wortkarg, aber als Gastgeber sucht er seinesgleichen. Er servierte mir ein hervorragendes Mahl, und als ich gegessen hatte, bekam Mikhail die Reste. Mein Gastgeber hatte für mein körperliches Wohl gesorgt, aber meine Ängste hinsichtlich meiner Weiterreise konnte oder wollte er mir nicht nehmen. Zum Glück kamen just in diesem Augenblick Habib Faris und seine Schwägerin Paulina, eine alte Bekannte, sowie einige weitere Würdenträger. Alle wollten sich unbedingt ›die Ehre geben‹, weil sie auf einen Abend mit Gesprächen hofften. (»Bei Gott dem Herrn! Die Ehre ist ganz die Meine!«) Wir setzten uns und tranken den bitteren schwarzen Kaffee der Araber, der jeden Nektar übertrifft. Die Tasse wird mit einem »Geruhet anzunehmen« gereicht, man gibt sie, geleert, mit einem gemurmelten »Mögest du leben!« zurück. Während man nippt, ruft jemand, »Auf doppelte Gesundheit!«, worauf man »Auf Euer Herz!« entgegnet. Als die Tassen ein- oder zweimal herumgegangen und alle erforderlichen Höflichkeitsformeln gesprochen waren, machte ich mich daran, meine Aufgabe für diesen Abend zu lösen. Wie konnte ich ins Drusengebirge kommen? Die Regierung würde mir vermutlich die Erlaubnis verweigern und in Amman, am Anfang der Wüstenstraße, gab es einen Militärposten. In Bosra kannte man mich, ich war ihnen vor fünf Jahre durch die Finger geschlüpft, ein zweites Mal würde mir das wohl kaum gelingen. Habib Faris dachte nach, schließlich schmiedeten wir beide einen Plan. Ich sollte am nächsten Tag nach Tneib, seinem Ackerland am Rand der Wüste, reiten; dort würde ich Namrud antreffen, er würde einen der großen Stämme benachrichtigen. Von ihnen eskortiert käme ich sicher durch die Berge. Yusef hatte zwei kleine Söhne, sie lauschten mit großen Augen, am Ende des Gesprächs brachte mir einer der beiden eine ausgerissene Zeitungsseite mit einer Landkarte von Amerika. Daraufhin zeigte ich ihnen meine Landkarten, erzählte ihnen, wie groß und wie schön die Welt sei, bis sich um zehn Uhr die Gesellschaft auflöste. Yusef begann, die Decken für mein Bett auszubreiten, erst da sah ich meine Gastgeberin. Sie war eine Frau von außergewöhnlicher Schönheit, groß und blass, das Gesicht ein perfektes Oval, die großen Augen wie Sterne. Sie trug ein arabisches Gewand, schmal und dunkelblau, das sich beim Gehen um ihre nackten Fesseln fing, ein tiefblauer Baumwollschleier war mit einem roten Band um ihre Stirn gebunden und fiel ihr über den Rücken, fast bis zum Boden. Wie es bei den Beduinenfrauen Sitte ist, waren ihr mit Indigo auf Wangen und Hals feine Muster tätowiert. Sie brachte Wasser und goss es über meine Hände, bewegte sich lautlos durch den Raum, eine dunkle und würdevolle Gestalt, als sie alle Aufgaben erledigt hatte, verschwand sie so still wie sie gekommen war. Ich sah sie nie wieder, und ich dachte an die Zeilen des Dichters, den man in Mekka in Haft gehalten hatte: »Sie trat ein und grüßte mich, dann erhob sie sich, um Abschied zu nehmen, und als sie meinen Blicken entschwand, folgte ihr meine Seele.« Niemand sieht Yusefs Ehefrau. Er mag Christ sein, doch seine Ehefrau hält er in größerer Abgeschiedenheit als jede Muslima. Vielleicht, wer weiß, tut er gut daran.

      Der Regen schlug gegen die Fenster, ich legte mich auf die Decken und hörte Mikhail sagen: »Maschaallah! Eure Exzellenz sind vom Glück begünstigt.«

      II

      VON SALT NACH TNEIB

      Salt ist eine wohlhabende Gemeinde mit über 10.000 Seelen, die Hälfte Christen. Es liegt in einem reichen, für seine Trauben und Aprikosen berühmten Landstrich, seine Gärten wurden schon im vierzehnten Jahrhundert vom arabischen Geographen Abul Fida erwähnt und gepriesen. Auf einem Hügel über den dicht gedrängten Hausdächern liegt die Ruine einer Festung, ich weiß nichts Näheres über sie. Die Bewohner halten ihre Stadt für sehr alt; die Christen behaupten, Salt sei eine der ersten Glaubensgemeinden gewesen, der Legende nach soll sogar Christus selbst hier das Evangelium gepredigt haben. Die Äste der Aprikosenbäume waren noch kahl, und doch spürte ich, als ich durch das Tal ritt, eine Atmosphäre freundlichen Wohlstands. Begleitet wurde ich von Habib Faris, der auf seinem Pferd mit mir geritten war, um sicherzugehen, dass ich den richtigen Weg fand. Er selbst besaß einige dieser Aprikosenhaine und Weinberge, und er, der angenehme Mann, lächelte erfreut, als ich sie lobte. Wer hätte an einem solchen Morgen nicht gelächelt? Die Sonne schien, am Boden glitzerte Reif, die Luft hatte jene perlende Transparenz, die klare Wintertage nach einem Regenschauer haben können. Ich sage das nicht nur, weil mich ein allgemeines Gefühl von Wohlwollen beschwingte: die Christen von Salt und Madeba sind intelligente und fleißige Menschen, die Lob verdienen. Seit meinem letzten Besuch waren fünf Jahre vergangen, in denen sie die Grenze des kultivierten Landes um die Breite eines zweistündigen Ritts nach Osten verschoben haben. Dies bewies die Qualität des Bodens so unwiderlegbar, dass der Sultan, als die Hedschasbahn eröffnet wurde, einen großen Landstrich im Süden für sich beanspruchte, der bis Maan reichte. Er will ihn in eine Chiflik verwandeln, eine königliche Farm. Das wird ihn und seine Pächter reich machen, denn er mag ein mittelmäßiger Herrscher sein, aber er ist ein guter Landwirt.

      Eine halbe Stunde hinter Salt verließ Habib mich und übergab mich der Fürsorge seines Knechts Yusef, ein kräftiger Mann, der neben mir her lief, die Holzkeule über der Schulter (die Araber nennen sie Gunwa). Wir kamen durch breite Täler, baumlos, unbewohnt, fast unbewirtschaftet, die die Belka-Ebene umgeben, und passierten den Eingang zum Wadi Sir, der, immer durch Eichenwälder, bis ins Jordantal führt. Auch hier auf den Höhen würden Bäume wachsen, wenn die Köhler sie nur stehen ließen, wir kamen durch einige Eichen- und Schwarzdornwäldchen, aber ich würde an der herrlichen Landschaft östlich des Jordans nichts ändern wollen. Ein oder zwei Generationen später wird hier Getreide stehen, überall sind Dörfer, das Wasser des Wadi Sir dreht Mühlräder, vielleicht gibt es bald sogar Straßen. Dann werde ich – gelobet sei Gott! – nicht mehr hier sein, um das zu sehen. So lange ich lebe, wird das Hochland jene wunderbare Landschaft bleiben, die Omar Chajjam besingt: »Ein schmales Band gesäten Grüns, trennt Wüste hier von Ackerland.« Es wird menschenleer sein, vereinzelte Schäfer ausgenommen, die mit einer langläufigen Flinte ihre Herde bewachen. Und wenn mir, selten genug, ein Reiter begegnet, der in diesen Bergen unterwegs ist, und wenn ich ihn frage, woher er kommt, wird er weiter antworten: »Möge deine Welt weit sein! Ich komme von den Arabern.«

      Dorthin

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