Küstensturm. Heike Meckelmann
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Marcel grinste. »So einfach ist das!«
Zehn Minuten später verließ er zufrieden den Infokiosk. Ein smartes Lächeln, eine freundliche Geste … und er hatte die gewünschte Information in der Hand. Er wusste, wie er seinen Charme einzusetzen hatte.
Eilig lief er zurück zum Wagen. Der Regen hatte die Jacke in der kurzen Zeit völlig durchnässt. Er zog sie aus und legte sie auf die Rückbank. Gott sei Dank trug er einen dicken Pullover, der ihn zumindest nicht frieren ließ. Marcel sah auf sein Navi und gab die Wegbeschreibung ein. Zwölf Minuten, das ist ja ein Witz. Marcel Andresen startete den Motor und fuhr die Kopfsteinpflasterstraße bis zum Ende. Er folgte den Anweisungen des Navis und befand sich nach der angegebenen Zeit auf einer Privatstraße. Ungeachtet des Fahrverbotes fuhr er weiter. Er ahnte, dass ihn niemand bei diesem Wetter von seinem Vorhaben abhalten würde … und auch nicht könnte. »Sie haben das Ziel erreicht. Das Ziel befindet sich auf der linken Seite.«
Da ist gar nichts. Marcel sah sich um. Sein Kopf dröhnte. Er konnte kaum etwas erkennen, außer dem Waldgebiet, das direkt vor ihm lag. Er parkte den Wagen am Straßenrand, nahm die Taschenlampe aus dem Handschuhfach und stieg aus. Aus dem Kofferraum holte er seine Steppjacke, die er bei seiner letzten Sauftour durch die Kneipen dort vergessen hatte. Marcel zog die Jacke über, zog die Kapuze des Pullovers über den Kopf und machte sich auf den Weg. Er würde sie zurückholen, so viel war sicher.
*
Erneut zuckte ein Blitz durch die Fenster. »Eins, …«, zählte Lotta, als krachend der Donner folgte, um in der Dunkelheit ohrenbetörend seinen Schrecken zu verbreiten. Sie legte das Buch auf ihren Schoß, zog die Decke bis zum Kinn und warf einen letzten Blick in den Raum, der nur durch das Kaminfeuer und die Deckenlampe erhellt wurde. Dann schüttelte sie den Kopf, leerte ihr Glas und vertiefte sich wieder in ihr Buch. Sekunden später hielt sie die Geschichte erneut gefangen.
Der Regen trommelte unaufhörlich auf das Dach der Hütte, während draußen direkt über ihr das Gewitter tobte. Wie schon an den Tagen zuvor überkam sie auf einmal wieder das mulmige Gefühl, beobachtet zu werden. Ihre Stimmung kippte, und sie bereute bereits, nicht doch mit den Mädels in die Stadt gefahren zu sein. Lottas Gesichtsausdruck wurde zunehmend ernster. Sie zog sich schützend die Decke über den Körper und wandte sich wieder ihrem Thriller zu, der jetzt weitaus mehr Angst verursachte, als sie abzulenken. Lotta schlug das Buch zu. Sie legte es auf ihren Schoß und lauschte zur Tür, bis … sie aus den Augenwinkeln einen dunklen Schatten auf sich zuspringen sah und zwei eiskalte Hände von hinten ihren Hals packten.
*
Zufrieden verließen sie das Filmtheater in der Altstadt von Burg. Es goss nach wie vor in Strömen. Tilda zog die Kapuze ihres schwarzen Ledermantels über den Kopf und hakte sich bei Stina unter, die vorsorglich einen Schirm in ihre Tasche gesteckt hatte, ihn aufspannte und über sie beide hielt. Tilda grinste. »Das war ein toller Film, aber das Ungetüm in deiner Hand kannst du vergessen«, sagte sie, als plötzlich eine Windböe den Regenschirm erfasste und ihn nach außen stülpte. Stina stemmte sich gegen den Wind und raffte den Schirm, so gut es ging, zusammen. »Der ist hin!« Sie zuckte die Schultern und klemmte das Ungetüm unter ihren Arm. »Aber das Kino in Burg ist auch wirklich superschön. Hab lange nicht mehr so gemütlich gesessen.« Sie stiefelten den Kinogang entlang, der sie wieder auf die Breite Straße führte.
»So, wie ich gelesen habe, ist es eines der schönsten Filmtheater im Norden. So etwas wie ein Kulturzentrum«, erklärte Tilda. »Ne, war okay«, sagte sie und hakte sich bei Stina unter »Wollen wir noch einen trinken?«
»Ach, ich weiß nicht. Ist schon 22.30 Uhr. Ich finde, wir sollten Lotta nicht zu lange alleinlassen.« Sie stieß einen kleinen Stein mit dem Fuß beiseite. »Ich hätte jede Menge Schiss ohne euch in dieser Hütte. Mich gruselt’s schon, wenn ihr bei mir seid. Alleine wäre ich niemals hergekommen. Lass uns heimfahren.«
»Ach, sei kein Frosch. Was soll denn passieren? Ist doch easy und cool in der Hütte.« Tilda grinste ihre Freundin von der Seite an. Tiefe Grübchen zeichneten sich in ihren Wangen. »Okay, wir fahren bald zurück. Aber einen Absacker musst du uns genehmigen. Pack den Schirm ins Auto und dann los.« Stina nickte, wenngleich sie überhaupt keine Lust hatte, sich in eine Kneipe zu setzen. Dennoch wollte sie nicht schon wieder die Spielverderberin sein. Sie lief auf die andere Straßenseite, öffnete das Auto und legte den kaputten Regenschirm auf die Rückbank. »Ich habe da vorhin ein Schild gesehen, nur ein paar Häuser weiter. Ein Gläschen und dann fahren wir sofort zur Hütte.« Wenig später betraten sie eine Diskothek, wenn man sie überhaupt so nennen konnte, die sich abseits der Hauptstraße in einer Gasse befand. Sie öffneten die Tür, und deutsche Schlager jaulten ihnen unüberhörbarer entgegen. »Oh, mein Gott. Hier ist ja der Hund begraben«, maulte Tilda, als sie sich in der fast leeren Kneipe umsah. Am Tresen saßen zwei Gestalten, die sich augenblicklich umdrehten, als die Mädchen den Raum betraten. Die Philosophiestudentin verzog das Gesicht. »Altersheim hier, oder was meinst du?«, flüsterte sie Stina zu, die erleichtert schien, dass in dieser sogenannten Diskothek nichts los war. »Alles leer, und die Musik ist nicht auszuhalten.«
»Draußen Sauwetter, hier drinnen saublöd«, feixte Tilda. »Lass uns verschwinden. Mir ist der Appetit auf ein Getränk vergangen.« Sie schob ihre Freundin zurück auf den Gehweg. Sie hasteten durch den Regen über die menschenleere Kopfsteinpflasterstraße. Stina öffnete im Näherkommen mit dem Schlüssel das Auto, das auf der anderen Straßenseite parkte. Beide waren froh, als sie endlich im trockenen Wagen saßen. »Ist doch klar. Wir haben Januar. Was erwartest du denn? Die dicken Partys sind längst vorbei. Ich schätze, dass der Laden gerammelt voll ist, wenn Saison ist, wetten?«
»Ja, nur dann haben wir nichts davon. So schnell sieht mich hier keiner mehr.« Tilda starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit, als Stina den Parkplatz verließ und Richtung Staberdorf fuhr. »Zumindest bin ich hier weit weg von … von Marcel«, flüsterte sie, und sofort waren die Traurigkeit und ihre Wut zurück.
*
Lotta schrie auf. Sie schaffte es, sich dem Würgegriff der eisigen Pranken zu entwinden, ließ das Buch fallen und sprang entsetzt vom Sofa auf. Ohne sich umzusehen, schoss sie panisch auf die Tür der Hütte zu. Sie hoffte, dass sie den Angreifer für einen Moment erschreckt hatte und er stehen geblieben war. So blieb ihr ein Vorsprung von wenigen Augenblicken. Panisch riss sie die knarrende Holztür auf und lief, nur in Jogginghose, leichtem Sweatshirt und auf Socken, in die Dunkelheit hinaus. Die Haare wehten ihr ins Gesicht und hingen ihr wenig später in nassen Strähnen vor den Augen. Lotta hörte, dass, wer auch immer sie angegriffen hatte, ihr folgte. Sie vernahm ächzendes Stöhnen unmittelbar hinter sich. Weiter, ich muss weiter. Sie stolperte durch den Wald. Es blitzte, sie erschrak und blieb wie erstarrt stehen. Weiter, Lotta, du musst dich verstecken. Jeder Baum, der genügend Deckung bot, wurde zum Schutz gegen den vermeintlichen Eindringling, der ihr dicht auf den Fersen schien. Ihr Körper zitterte und sie presste die Faust an die Lippen, um ihren keuchenden Atem zu verdecken. Tränen rannen über ihre eiskalten Wangen. Die Brandung und das Donnergrollen, die sie vorhin noch wohlwollend zur Kenntnis genommen hatte, dröhnten jetzt schmerzhaft in ihren Ohren. Ich muss mich auf näher kommende Geräusche und knackende Äste konzentrieren. Wieder hielt sie die Luft an. Dass es ein Mann war, hatte sie sofort erkannt, auch wenn sie sein Gesicht nicht gesehen hatte. Das tiefe Atmen, die schweren Schritte, der männliche Geruch.
Wie von einem Tier und … diese großen Hände. Alles ging so schnell. Sie hielt den Atem an und lauschte, während ihr Herz bis zum Hals schlug.
In kürzester Zeit war sie komplett durchnässt. Lotta lehnte sich zitternd gegen einen dicken Baumstamm. Hinter ihr brach