Küstensturm. Heike Meckelmann
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Читать онлайн книгу Küstensturm - Heike Meckelmann страница 5
Marcel Andresen sprang von seinem Ledersessel auf und steckte die Hände in die Taschen seiner Hose. »Verdammt, wie konnte mir das passieren?«, murmelte er. »Wie konnte ich sie mit nach Hause nehmen? Ich hätte damit rechnen müssen.« Er presste seine Kiefer wütend aufeinander. Mich hat noch niemand verlassen, was bildet sie sich ein? In seinem Kopf arbeitete es ununterbrochen. Er erinnerte sich daran, dass er vor etlichen Jahren wegen seiner Frauengeschichten und seines Drogenkonsums schon einmal eine Beziehung zerstört und sogar seinen Job verloren hatte. Frankfurt sollte sein Neuanfang werden. Er hatte sein altes Leben komplett hinter sich gelassen, und dann traf er diese blonde bezaubernde Studentin, die ihn vom ersten Moment an faszinierte. Wie sie mich angelächelt hat … Marcel starrte über die Dächer der Stadt.
Die Frau, mit der Stina ihn erwischt hatte, war eine von vielen. Er hätte nur vorsichtiger sein müssen. »Verdammt.« Marcel konnte nicht aus seiner Haut und brauchte dieses andere Leben, um seine Neigungen auszuleben. Stina hingegen war die perfekte Frau, die ihm nie auf die Schliche kommen würde, weil sie gutmütig und lieb war. Sie war die Frau, die er heiraten wollte. Die künftige Mutter seiner Kinder, die seinem Leben die Ruhe gab, die er brauchte. Er hätte weiterhin seine Spielchen fortführen können, ohne dass sie es jemals erfuhr. »Hätte, hätte …«, schnaufte er und zerrte die Jacke von der Stuhllehne. Sie hatte ihn enttäuscht und er würde das nicht hinnehmen. Er entschied, wo und wann es endete. »Das macht man mit mir nur einmal«, knurrte er gefährlich leise und verschwand aus seinem Büro. Aufkeimende Wut und unsägliches Verlangen wüteten in ihm.
*
In der Hütte roch es nach Holz, Moos, gefolgt von einem Geruch, der nicht zuzuordnen war. »Macht mal sämtliche Fenster auf. Hier muss dringend gelüftet werden. Die scheint schon länger leer zu stehen«, murmelte Lotta pragmatisch, rümpfte die Nase und setzte ihre Tasche am Boden ab. Zielstrebig stakste sie zum Sprossenfenster, das sich über der Spüle befand, und versuchte, es mit beiden Händen zu entriegeln. »Das geht so nicht«, stellte sie fest. »Wir müssen zuerst die Fensterläden von außen öffnen. Die sind verhakt.« Sie trat vor die Tür. Draußen war es durch den dichten Baumbestand mittlerweile dunkel. Stina, die ihr gefolgt war, sog die feuchte Waldluft tief in ihre Lunge und half Lotta. Nacheinander öffneten sie die Läden aller drei Fenster und befestigten die angebrachten Haken an den Halterungen der Holzwand. Das unheimliche Rauschen, das sie vorhin im Wald wahrgenommen hatten, schwoll immer mehr an. Der Wind hatte zugenommen. Tilda, die die Freundinnen durch das Fenster beobachtet hatte, stieß den Fensterflügel von innen auf und rief mit einem Grinsen im Gesicht: »Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen. Kommt nur herein, hier gibt es leckere Weinchen und ein wärmendes Feuer.« Sie kicherte. Lotta stand mit verschränkten Armen vor der Hütte, schüttelte den Kopf und schmunzelte. Stina eilte zurück ins Innere, zog das Handy aus ihrer Jackentasche, stellte es an und warf erneut einen Blick auf das Display. Jede Menge Mitteilungen waren dazugekommen. »Er soll in der Hölle schmoren«, schnaubte sie und schaltete das Telefon sofort wieder aus.
Die nach Moos riechende Waldluft drang durch das geöffnete Fenster in das Häuschen ein und durchzog den Raum.
»Das riecht schon wesentlich besser. Lasst die Tür auch einen Moment offen stehen. Wir werden erst mal die Hütte inspizieren«, sagte Stina. Sie zog ihre Jacke aus, legte sie über einen der leeren Stühle, sah sich um und schlich auf eine Tür zu, die sie anhand eines Emailleschildes als Badezimmer ausmachte. Sie öffnete die Tür. Enttäuscht starrte sie in den schmalen Raum, der einem Schlauch ähnelte. »Hier riecht es auch nicht gerade berauschend. Keine Badewanne, und die Dusche ist, ehrlich gesagt, eine Katastrophe.« Sie deutete auf das winzige Waschbecken und die Toilette, die direkt unter ein schmales Fenster gequetscht war. »Nicht gut!«
»Wir sind hier in einer Waldhütte. Was hast du erwartet? Badewanne mit Whirlpool? Hier geraten wir an die Basis des Lebens. Einfach und gediegen bringt es uns back to the roots.« Lotta lachte, als Tilda ihre Freundin beschwichtigte. »Ich glaube, wir werden hier jede Menge Spaß haben. Und sieh mal, wir haben hier sogar einen Kamin. Genügend Holz hab ich unter dem Dachvorstand gesehen. Wirst sehen, das wird richtig kuschelig«, sagte die praktisch veranlagte Lotta und versprühte Optimismus. »Und was ich noch anmerken wollte und ich hoffe, ich habe euren ungeteilten Zuspruch: Ab jetzt herrscht Handyverbot! Wir werden hier wirklich in der Natur mit der Natur leben und uns nur auf uns beschränken. Ich halte das für eine tolle Erfahrung.« Tilda streckte die Hand aus und forderte die Handys der Freundinnen ein. »Ich möchte nicht, dass uns in dieser Woche irgendetwas stört.« Lotta überreichte es ihr bereitwillig. Stina zögerte. Sie musste wissen, was Marcel … Widerwillig reichte sie Tilda ihr Telefon. Die Philosophiestudentin legte die Handys in die Schublade einer Kommode, die unter dem Spülbecken direkt unterhalb des Fensters eingebaut war. Stina umfasste ihre Schultern. »Ist ganz schön eisig hier«, murmelte sie und zog ihre Jacke wieder an. »Ich mach gleich Feuer«, kündigte Tilda an und ging auf die noch verschlossene Tür zu. »Da ist sicher unser Schlafzimmer«, lotste sie die Freundin von ihrem Handy weg.
»Uhu«, schallte der Ruf der Eule aus dem Wald. »Mach die Fenster zu«, rief Stina und hielt sich die Ohren zu.
Draußen war es stockdunkel. Tilda drehte den Türknauf in der Hand, um in das zweite Zimmer zu kommen, als der Fußboden im Nebenraum knarzte. Die drei Freundinnen fuhren zusammen. Stina schrie. Dann schlug die Haustür mit lautem Knall ins Schloss.
*
Der Lkw hielt auf einem Rastplatz an der A1. Der Fahrer stieg aus. »Bin gleich wieder da«, murmelte er und verschwand. Der Fahrzeugführer seiner Mitfahrgelegenheit steckte den Tankstutzen in die Öffnung und wartete. Es dauerte eine Weile, dann verschloss er sie wieder und stiefelte Richtung Kassenhäuschen. Ludger Hanke nutzte die Zeit, öffnete die Beifahrertür und schwang sich aus dem Führerhaus, um eine zu rauchen. Neben ihm hielt ein weiterer Lastwagen. Der schlaksige Mann mit dem langen Zopf und dem dichten Bart stand rauchend da und sah sich um. Der Fahrer stieg ebenfalls aus und grüßte. »Na, auch vollmachen?«, fragte er und deutete auf den Tank des Fahrzeugs. »Ne, nur ’ne Handvoll Wasser loswerden.«
Ein schwarzer Audi stand abseits und zwei Männer beobachteten die Lkws, zwischen denen sich der hagere Mann bewegte.
»Auch gut«, antwortete die schlanke Gestalt und zog an der Zigarette. »Wo geht’s denn hin?«, wollte er wissen. »Kopenhagen«, lautete die knappe Antwort.
»Da müssen Sie doch über Puttgarden.«
»Genau, mein Bester.«
»Können Sie mich mitnehmen? Ich muss genau dorthin.«
»Kein Problem. Steigen Sie ein. Ich bin gleich wieder da.« Der Raucher grinste und sah sich um. Keine Menschenseele zu sehen. Nur der Wagen, in dem die Männer saßen. Sie schienen ihn zu beobachten. Der Bärtige drückte die Zigarette am Boden aus und schlich auf das Auto zu. Ein dritter Mann stieg gerade in den schwarzen Audi mit Lüneburger Kennzeichen. Mit einem Satz stand er neben dem Wagen und sah die Männer durchdringend an. Dann verschwand er zwischen den Lkws, zerrte seinen Rucksack aus dem Führerhaus und öffnete die Fahrertür, sodass niemand mitbekam, dass er umstieg. Wenig später kam der Fahrer der neuen Fahrgelegenheit zurück, während der andere noch immer an der Kasse wartete, um sein Geld loszuwerden. Er grinste und wusste, dass er seinem Ziel näher kam. Die Männer in dem Audi sahen dem Lkw nach und warteten auf den Fahrer des ersten Lastkraftwagens, um die Verfolgung aufzunehmen.
*
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