Küstensturm. Heike Meckelmann

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Küstensturm - Heike Meckelmann

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ausgegangen?«, kicherte Stina und betrachtete die farblich unterschiedlichen Mauersteine. »Ne, soweit ich weiß, war der Turm anfangs komplett aus gelben Steinen. Die haben dem Wetter wohl auf der Westseite nicht standgehalten, sodass sie ausgetauscht werden mussten. Ich finde, das hat was«, lachte Lotta und stiefelte einmal um den Leuchtturm von Staberhuk herum. »Es ist toll, auf den Spuren Ernst Ludwig Kirchners zu wandeln, oder?« Stina sah sie fragend an und stapfte in ihren vom Dreck versauten Stiefeln weiter über das Grundstück. Sie entdeckte eine hölzerne Pforte, die auf ein Portal führte. Von dort aus hatte man einen fantastischen Blick über die Ostsee. Der Riegel des quietschenden Tores schlug, nachdem sie hindurchgeschlüpft war, in einem Schnappschloss ein. Die zarte Person betrat eine vorgelagerte Empore, die einem Balkon ohne Geländer glich und jetzt nur einen kleinen Ausblick auf Teile der Ostsee und den Strand bot. Sie war enttäuscht, dass sie nur einige Findlinge sehen konnte, die verstreut im Sand lagen. Das Meer war weitgehend vom Nebel verschluckt worden. »Das müsst ihr euch ansehen!«, rief sie. »Das ist der Hammer.« Sie trat einen Schritt zurück und setzte sich auf eine verwitterte Holzbank, die im geschützten Teil der etwa acht Quadratmeter großen Plattform vor einer Hecke aufgestellt war. Lotta und Tilda kamen über das Rasenstück angelaufen. Sie staunten, als sie die Freifläche betraten. »Wow, da kann man sicher weit gucken, wenn klare Sicht ist, und das Meer bis zum Horizont bestaunen«, flötete Tilda. Sie näherte sich der Felskante, die zum Strand hin senkrecht in die Tiefe abfiel, und wedelte mit den Armen, während Lotta bei Stina stehen blieb. »Halt Abstand, oder willst du den Abgrund runterfliegen«, mahnte sie und presste die Hand auf ihr Herz. Tilda grinste sie an und tänzelte weiterhin gefährlich nahe der Felsklippe herum. »Tanz auf dem Drahtseil«, flötete sie ausgelassen. Der Mantel flatterte wie Fledermausflügel. Es schien, als würde sie jeden Moment abheben. »Lass das! Findest du das cool?«, rief Stina und wurde blass. Ohne Vorwarnung geriet Tilda in ihrer unbekümmerten Art gefährlich ins Straucheln. Sie ruderte mit den Armen und schien das Gleichgewicht zu verlieren. Starr vor Angst standen die Freundinnen da, unfähig, sich zu bewegen und auch nur einen Schritt auf sie zu zu machen. Tilda riss erschrocken die Augen auf, als ein Stück des Bodens unter ihrem Fuß wegbrach. Ein markerschütternder Schrei hallte über die Ostsee.

      Kapitel 4

      Der Tag gefiel ihr. Es war genau diese Art von Stimmung, die sie mit ihrer Kamera einfangen wollte.

      Das Wetter war kühl, neblig und wirkte geheimnisvoll. Charlotte Hagedorn trällerte, als sie, mit ihrem Rucksack auf den Schultern und in ihren dicken Wollmantel eingepackt, ihr Fahrrad über den Sandweg Richtung Staberhuk dirigierte. Sie kratzte sich mit einer Hand unter ihrer mit Delfinen bestickten Mütze. Die Künstlerin wusste aus Erfahrung, dass sie bei dem Wetter fast eine Stunde unterwegs sein würde, bis sie ihr Ziel erreichte. Sie kannte sich aus. Sie liebte es, auf der Insel Fotos zu machen, wenn keine Sonne schien. Sie inspizierte selbst Orte, die Insulaner nie vorher aufgesucht hatten. Unheimliche Orte, an denen Geheimnisvolles aufzuspüren war. Nicht umsonst nannte man sie die Miss Marple der Insel. Durch ihre manchmal etwas eigenwillige Art, Ereignissen nachzugehen, hatte sie den Kommissaren Dirk Westermann und Thomas Hartwig von der Mordkommission Oldenburg das eine oder andere Mal bei der Aufklärung einiger Mordfälle auf Fehmarn helfen können. Selbst wenn ihre Hilfe nicht immer erwünscht gewesen war.

      Sie sah auf ihre Armbanduhr. Es war fast 9 Uhr, als sie die Spitze des Leuchtturms Staberhuk in weiter Ferne wahrnahm. Ihr Herz klopfte, und eine frische Röte überzog ihr Gesicht. Ob dies an der Vorfreude auf ihre Fotosafari im Nebel lag oder der fast 16 Kilometer langen Strecke geschuldet war? Wild entschlossen trat sie in die Pedale ihres roten Fahrrades und hatte nach weniger als zehn Minuten ihr Ziel erreicht.

      Ein Leuchten trat in ihre Augen. Pfeifend fuhr sie den schmalen Sandweg entlang, bis sie nicht mehr weiter konnte. Die kleine Teerstraße, die den Radweg kreuzte, stoppte ihren Übereifer, und sie bremste quietschend den fast 20 Jahre alten Drahtesel aus. Sie sprang übermütig vom Rad und rückte ihren Rucksack zurecht. Der Blick nahm ihr wie immer den Atem.

      Der 1903 massiv erbaute, jüngste Leuchtturm im Südosten der Insel, hatte es ihr von Anfang an angetan.

      Der Turm thronte direkt an der Steilküste und lieferte nach wie vor eine strategisch wichtige Befeuerung der Seestraße. Charlotte Hagedorn kannte viele Geschichten um diesen Leuchtturm. Sie stellte ihr Fahrrad an einem wilden Rosenstrauch ab, der direkt am Hang gewachsen war und von dessen Blüten sie jedes Jahr wunderbar duftende Rosenmarmelade einkochte. Erleichtert kraxelte sie, das Ziel am Fuß der Steilküste im Auge, zwischen dem Buschwerk den Abhang hinunter, um für einen Moment an ihrem Geheimstrand auszuruhen. Sie wollte sich das Leuchtfeuer aus genau der Perspektive anschauen und Fotos schießen.

      Charlotte strahlte, als sie den Turm hinaufblickte, der von den wenigen Sonnenstrahlen ausgeleuchtet wurde. Sie setzte sich auf einen der großen Findlinge und stellte das Objektiv ein. Dann richtete sie die Kamera auf das verschwommen wirkende Meer, das spiegelglatt und in Nebel getaucht vor ihr lag. Sie roch den Seetang, der sich zwischen den Steinen aufgehäuft hatte, und drückte ab.

      Auf einmal hörte sie Gelächter und sprang auf. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und sie fühlte sich gestört in diesem Moment der Stille.

      Unwirsch reckte sie ihren Kopf erneut. Die Neugier war größer als ein unheimlich anmutendes Foto. Sonst wäre sie nicht Charlotte Hagedorn. In dem Moment nahm sie eine Person auf dem vorgelagerten Portal des Leuchtturmgeländes wahr. Sie sammelte ihren Rucksack vom Boden, steckte die Kamera hinein und begab sich auf den Rückweg. »Warte«, grummelte sie und kraxelte den Weg zurück, den sie vor Kurzem erst heruntergeklettert war. Charlotte Hagedorn klopfte ihren Mantel ab, auf dem sich Sand und Äste verfangen hatten. »Na warte«, murmelte sie erneut und marschierte energisch auf den Eingangsbereich des Leuchtturms zu. Sie wusste, dass niemand sich auf dem Gelände aufhalten durfte, der keine ausdrückliche Berechtigung dazu hatte. Das Tor war verschlossen. Eigenartig, dachte sie und rüttelte daran, ohne dass es sich nur einen Zentimeter öffnen ließ. Wie war da jemand rein gekommen? Entschlossen rückte sie ihre Mütze zurecht, sah sich um, und kletterte mühelos über das Geländer. Eilig huschte sie am rot-gelben Leuchtturm vorbei, der sich wenige Meter hinter dem Tor emporstreckte, und verbarg sich hinter einer Hecke, die zur vorgelagerten Freifläche führte. Von dort schienen die Geräusche zu kommen. Zuerst vernahm sie leises Gekicher, dann wurde der Tonfall mit einem Mal ernst und angsterfüllt. Sie unterschied drei Stimmen. Charlotte lugte hinter dem Busch hervor und erfasste augenblicklich die Situation. Eines der Mädchen ruderte wild mit den Armen und drohte den Abhang hinunterzustürzen. Zwei andere standen regungslos vor der alten Bank. Charlotte setzte zum Sprung an.

      Sie griff, ohne zu zögern, nach dem Arm des Mädchens und riss es von der bröckelnden Kante zurück. Beide fielen zu Boden. Tildas Beine hingen weit über dem Abhang und sie versuchte krampfhaft, sich mit ihren Fingern an der Hand der fremden Frau festzukrallen, um nicht wegzurutschen. Eine falsche Bewegung, sie würde den Halt verlieren und in die Tiefe stürzen. Mit der anderen grub sie sich immer wieder in den losen Sand, der keinen Halt gab. Charlotte hielt das Handgelenk des Mädchens so fest umschlungen, wie sie konnte. »Helft uns endlich!«, schrie sie wutentbrannt mit hochrotem Kopf den beiden anderen Mädchen zu. »Ich kann sie nicht mehr lange halten!«

      *

      Der Beifahrer stieg aus dem Führerhaus des Lkws.

      Er hatte die Insel seiner Begierden erreicht. An Fehmarn hatte er viele Erinnerungen, die gerade in seinem Gedächtnis nach oben geschwemmt wurden.

      Mit einem kurzen Gruß verabschiedete er sich von dem Fahrer. Es war Mittag, als er an der Ausfahrt Richtung Burg stand. Da er kaum Geld in der Tasche hatte, musste er sich zu Fuß auf den Weg zu seinem Ziel aufmachen. Er stöhnte. Der Fußmarsch würde ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen. Mit zwei Stunden rechnete er mindestens. Als er die Hauptstraße entlang stapfte, entdeckte er auf der

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