Festbierleichen. Uwe Ittensohn

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Festbierleichen - Uwe Ittensohn

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erinnerten.

      Er trat rasch näher und beugte sich über die Schachtel. Noch immer verstand er nicht, was er da vor sich sah.

      »Sunny … Sunny … Das sind Sunnys Beinchen!«, schluchzte sie und verlor alles Stoische, das sie bisher gezeigt hatte.

      Berger sackte seinerseits das Blut in die Beine. Er begriff sofort, in welchem Kontext das hier stand.

      Hastig wollte er nach dem kleinen Anhänger greifen, der an das Geschenkband geknüpft war, das die Katzenbeinchen wie ein Bündel zusammenhielt.

      »Du darfst es nicht anfassen. Die Polizei …«, begann seine Frau kraftlos. Mit ihrem Latexhandschuh hielt sie ihm, sorgfältig an den Rändern gepackt, den Anhänger hin, sodass er ihn lesen konnte.

      »Liebe Grüße aus Moskau, deine Natascha!«, war darauf in einer groben unregelmäßigen, kindlich wirkenden Handschrift geschrieben.

      Er hat das getan, durchzuckte es Berger. Nun war es also Gewissheit, dass er all das tun würde, was er angedroht hatte. Seine Ehe, das Leben von Frau und Tochter, auch sein eigenes, standen auf dem Spiel, würde er nicht das tun, was der Russe von ihm verlangte.

      »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Karin, der sein grüblerisches Schweigen signalisierte, dass er über etwas nachdachte.

      »Nichts«, krächzte Berger, noch immer in Gedanken versunken.

      »Wir müssen die Polizei anrufen! Simone wird bald nach Hause kommen. Sie ist noch im Fitnessstudio. Du musst Sunny suchen!«

      »Nein!«, erwiderte Berger hart.

      »Wieso nicht? Du kannst ihn doch nicht einfach irgendwo da draußen rumliegen lassen.«

      »Natürlich werde ich nach ihm sehen. Aber keine Polizei! Hörst du? Keine Polizei!«, flehte er.

      Karin schaute irritiert zu ihm auf. Sie konnte das nicht einordnen. Er, der sonst immer geradlinig auf ein Höchstmaß an Ordnung Wert legte, wollte das einfach so auf sich beruhen lassen? »Wieso?«, fragte sie ihn eindringlich. »Was hat das mit dieser Natascha auf sich?«

      »Nichts. Nichts.«

      Er löste sich von dem Karton und ging unschlüssig ein paar hektische Schritte durchs Wohnzimmer, das Gesicht in seinen Händen vergraben.

      »Ich … ich geh raus, nach ihm suchen«, stammelte er und schlüpfte durch die Haustür ins Freie. Er musste sich sammeln, darüber nachdenken, was er ihr sagen sollte.

      Karin schluchzte laut auf, als er die Tür hinter sich schloss. Was hatte das alles zu bedeuten? Was verschwieg er ihr? Er war schon die letzten Tage so seltsam gewesen. Erst das mit seinem kleinen Finger und nun das hier. Er hatte ihr erzählt, es sei beim Werkeln mit der Kreissäge bei einem Arbeitskollegen passiert. Dabei wusste sie nichts von jenem Kollegen, dem er angeblich bei der Holzdecke geholfen hatte. Als sie nach dessen Namen gefragt hatte, hatte er nur unwirsch abgewunken. Warum hatte er sich nicht, wie jeder andere vernünftige Mensch, im Krankenhaus behandeln und den Finger wieder annähen lassen? Das war nicht der Ernst, wie sie ihn kannte. Wo war seine übliche Pedanterie? Wo waren die Formulare für die Unfallmeldung und die Versicherung? Er würde doch so etwas nie einfach so auf sich beruhen lassen und ohne Weiteres zur Tagesordnung übergehen. Dann hatte er heute Morgen vorgegeben, dass er in der Brauerei zurzeit so viel zu tun hätte – und das mitten im Sommer. Zum Jahresanfang, wenn es darum ging, die Bilanz zu erstellen, war sie das von ihm gewohnt – aber jetzt? Samstags bis um 19.00 Uhr im Betrieb zu hocken, war alles andere als normal. Und was hatte das mit diesem Gruß von Natascha auf sich? Ging er etwa fremd, und es war die Rache eines gehörnten Ehemanns? Aber auch das passte nicht. Ernst war kein Lebemann, dem die Frauen hinterherliefen. Er war nicht so, wie es jetzt wirkte.

      Katermorgen

      Sonntag, 7. Juli 2019, 6.55 Uhr

      Berger war kaum in der Lage, am Steuer wach zu bleiben. Die ganze Nacht hatte er kein Auge zugetan. Trotz des Sonntags war der Verkehr auf der A6 zäh wie Honig. Schon seit einer Viertelstunde kroch er im Schneckentempo über die Autobahn von Schwetzingen in Richtung Mannheim zur Brauerei. Gestern Abend hatte er noch den Rumpf des Katers gesucht und ihn in dem Wäldchen, das die Siedlung vom Bahndamm trennte, gefunden.

      Alle vier Beine waren ihm wohl bei lebendigem Leibe dicht am Körper vielleicht mit einer Baumschere abgetrennt und danach als grausiges Bündel mit Geschenkband umwickelt worden. Berger hatte sich an Ort und Stelle übergeben, seinen Mageninhalt auf die Blutlache, die den Ort der Tat markierte, herausgewürgt. Natürlich war ihm in der Wohnung schon klar geworden, wessen Handschrift das war. Aber erst jetzt wurde ihm die exzessive Grausamkeit, mit der der Täter vorgegangen war, bewusst. Bis gestern hatte er noch die Hoffnung gehabt, es würde irgendwie gutgehen, der Russe könnte gefasst werden oder es sich anders überlegen. Aber nun war ihm klar, dass er alles tun musste, was der Mann von ihm verlangte, sonst …

      Er wagte es nicht, weiter zu denken, es sich auszumalen, was seiner Frau und Tochter alles widerfahren könnte. Der eiskalte Stachel der Angst, der in sein Innerstes vorgedrungen war, raubte ihm fast den Verstand.

      Er hatte die Reste des Katers mit bloßen Händen im Wald verscharrt. Karin durfte nichts davon erfahren. Es würde sie nur noch mehr anstacheln, die Polizei zu rufen. Den ganzen Abend hatte sie geweint, mehrfach hatte er sie vom Telefon weggezogen. Sie hatte nicht verstehen können, warum er sich dermaßen dagegen wehrte, die Polizei hinzuzuziehen. Seine Ausflüchte waren schwach und unlogisch gewesen. Zum Schluss hatte er sie nur noch angefleht. Hatte sich anfangs noch verwirrte Ungläubigkeit auf ihren Zügen gespiegelt, war es nun tiefe Verachtung. Ihre allmählich einsetzende Erkenntnis, dass er etwas vor ihr verbarg, schmerzte ihn. Seine Karin, die er selbst nach 21 Ehejahren noch liebte wie am ersten Tag, misstraute ihm nun. Und er war es, der das Band zwischen ihnen bis zum Zerreißen überdehnt hatte. Nun wurde ihm der blöde Ausrutscher mit dieser Natascha zum Verhängnis. Klar, die wenigen Besuche bei ihr waren aufregend gewesen, aber doch nur ein kleines Abenteuer und nichts im Vergleich zu der tiefen Zuneigung, die er für Karin empfand. Er hasste sich dafür, dass er seinerzeit schwach geworden war.

      Aber wie sollte er sie und ihre Tochter sonst schützen? Er musste dem Russen nachgeben.

      Der innere Konflikt lag ihm wie ein kalter Pflasterstein im Magen. Wie sollte er seine Familie vor der bösartigen Aggression dieses Mannes bewahren, und wie, um alles in der Welt, konnte er den Auftrag erfüllen?

      Die Brauerei wurde nachts bewacht. Man konnte nicht einfach hineinfahren und einen Tankwagen leerpumpen, ohne dass es auffiel. Er war am Ende, er fühlte sich, als säße er in einer riesigen Schraubzwinge fest, die sich Millimeter für Millimeter weiter schloss und ihn und seine Familie in ihren stählernen Backen zerquetschte.

      *

      »Den ganzen Tag vegetierst du nun schon auf dem Sofa rum. Komm, lass dich nicht so hängen. Das sind doch nur Kratzer«, sagte Irina an das jämmerliche menschliche Bündel gerichtet, das vor ihr, in eine Wolldecke gehüllt, auf dem Sofa lag.

      »Du hast gut reden. Es gibt keinen Knochen, der mir nicht höllisch wehtut, und die Hände werde ich wohl vier Wochen nicht bewegen können«, krächzte André heiser.

      »Ich weiß, Männer leiden intensiver als Frauen.«

      »Hm«, brummte er genervt, wickelte die Decke enger um sich und drehte sich von ihr weg.

      »Und ein Depri bist du wohl jetzt auch noch.«

      »Depri!

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