Festbierleichen. Uwe Ittensohn
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Читать онлайн книгу Festbierleichen - Uwe Ittensohn страница 11
Irina fuhr eine Schleife und kam neben ihm zum Stehen.
»Na hier, der Hebel am Lenkrad.« Dabei schüttelte sie den Kopf. »Männer und Technik.«
André spürte, wie ihm der Schweiß über die Stirn rann. Er hasste es, wenn er die Situation nicht unter Kontrolle hatte und im Begriff war, sich lächerlich zu machen. Was hatte ihn nur geritten, sich auf das hier einzulassen? Er nahm erneut kräftig Schwung und riss mit dem Daumen am Gashebel. Der Scooter machte einen Satz nach vorne, nur mit Mühe konnte er das Gleichgewicht halten.
Irina lachte. »Wow, der alte Mann beim E-Scooter-Rodeo.«
Ihm war nicht nach Scherzen zumute. Ängstlich, sich noch einmal zu blamieren, steuerte es das Gerät mit mittlerer Geschwindigkeit auf dem breiten Bürgersteig in Richtung des historischen Wasserturms, dem Wahrzeichen Mannheims.
Irina schloss zu ihm auf und beobachtete ihn lauernd.
»Du hast eine Haltung wie ein Koala. Entspann dich mal!«
André schüttelte den Kopf. »Entspannen, was für eine dämliche Idee.«
Er war froh, nicht die Balance zu verlieren. Jeder uneben verlegte Pflasterstein auf dem Gehweg, jede Bodenwelle und erst recht jeder Bordstein boten das Risiko eines schweren Sturzes. Er hatte weder Helm noch sonstige Schutzausrüstung. Es entsprach ganz und gar nicht seinen Prinzipien, seine Gesundheit für ein solch unnötiges Unterfangen aufs Spiel zu setzen.
»Übrigens, wir sind hier nicht in England. Wir haben hier keinen Linksverkehr, und auf dem Bürgersteig darf man mit E-Scootern auch nicht fahren. Bei der nächsten Kreuzung wechseln wir auf die rechte Fahrspur«, rief ihm Irina hektisch hinterher, während er nochmals beschleunigte.
Sie sollte ruhig sehen, dass er diesem albernen Gefährt gewachsen war. Er war doch nicht so dämlich, auf der vierspurigen Augustaanlage, auf der nicht selten die Autos mit 70 entlang brausten, auf einen der Fahrstreifen zu wechseln. Schließlich war das Trottoir breit genug, um den Fußgängern ausweichen zu können. Sein Sakko flatterte im Fahrtwind. Vibrationen drangen ihm durch Mark und Bein. Das schlecht gefederte Vehikel übertrug jede Unebenheit des Pflasters auf seinen Körper.
Vorsichtig ließ er den Gashebel angesichts der nahenden Ampelkreuzung los. Verdammt, ausgerechnet jetzt schaltete die Ampel auf Rot. Reflexartig stemmte er den Absatz des linken Fußes in den Boden, um zu bremsen. Scharrend glitt er über den rauen Belag, bis er endlich zum Stehen kam.
»Wow, du fährst ganz schön auf Verschleiß. Noch so eine Vollbremsung, und die Socken kommen durch. Die Handbremse benutzen, kann helfen!«, feixte Irina, die neben ihm lässig elegant zum Stehen gekommen war.
Er wollte etwas erwidern, als ihn eine knarzige Männerstimme hinter ihm unterbrach.
»So unsicher, wie Sie wirken, sollten Sie sich vom öffentlichen Verkehrsraum fernhalten. Gehen Sie das besser noch irgendwo üben. Das ist auch nicht so kostspielig. Denn für das Fahren auf dem Bürgersteig muss ich Ihnen leider ein Bußgeld von 15 Euro berechnen.«
André schaute sich um. Wo, um alles in der Welt, kamen die zwei Polizisten her? Und was war das überhaupt für ein beleidigender Unterton?
Auch das noch, dachte er, warum musste heute alles, was er anpackte, schiefgehen.
»Papiere!«, raunzte der andere, deutlich jüngere Ordnungshüter. »Sie sollten noch mal darüber nachdenken, ob das wirklich das richtige Verkehrsmittel für Sie ist – in Ihrem Alter.«
Das war zu viel. Andrés Kopf lief puterrot an. Nur mit Mühe konnte er eine Schimpftirade unterdrücken. Wortlos zog er sein Portemonnaie, fischte den Ausweis und drei Zehn-Euro-Noten heraus und reichte sie dem Beamten. »Die junge Dame ist eingeladen«, sagte er mit einem Friedhofslächeln. »Und wenn Sie nichts dagegen haben, würden wir jetzt gerne unsere Fahrt fortsetzen.«
»Aber nicht auf dem Bürgersteig!«, fuhr ihn der Uniformierte an und gab ihm den Personalausweis zurück.
Artig schoben er und Irina ihre Scooter auf die rechte Fahrspur. Hinter sich hörte er, wie die Polizisten lachten. Diese Wegelagerer hatten wohl nichts Besseres zu tun, als harmlose Rollerfahrer auszunehmen und auch noch Witze darüber zu machen. Was für grobe Lackaffen, dachte André. Er spürte, wie sich tiefer Zorn wie ein bissiges Tier in seinen Eingeweiden festkrallte. Selten war er so gemaßregelt worden, und das ausgerechnet heute, im Beisein von Irina. Er hasste sich dafür, dass er sich hatte breitschlagen lassen, auf dieses alberne Spielzeug zu steigen. Den zwei Schmalspurbullen hätte er am liebsten eine verbale Abreibung und ein Disziplinarverfahren wegen ungebührlichen Verhaltens verpasst. Dafür zahlte man Steuern, um Leute zu finanzieren, die einen beleidigten.
Trotz stieg in ihm auf. Er drückte den kleinen Gashebel am Lenker auf die Maximalstellung. Er wollte nur noch das Dolceamaro erreichen und das kindische Ding loswerden.
Als ein Auto vor ihm scharf bremste, legte er wieder eine Sohlenbremsung hin. Irina schrie »Handbremse benutzen!«, und schüttelte einmal mehr den Kopf.
Endlich waren sie angekommen. Nun hieß es nur noch, einen geeigneten Stellplatz für die beiden Roller zu finden, auf dem man nicht den Bürgersteig verstellte, und er würde seine Ruhe haben. Irina war ein paar Schritte vorausgegangen, um am hinteren Ende der Außenbestuhlung unter den Arkaden einen passenden Abstellplatz zu suchen. André wartete, weil er keine Lust hatte, das Gefährt durch die rechts und links des Gehwegs stehenden Bistrotische zu schieben.
Er starrte Irina nach. Warum war sie zwischen den Tischen plötzlich stehen geblieben? Sie wendete und kam zu ihm zurück. Sie quetschte sich eng neben ihn. Auf ihrem Hals zeichneten sich rote Flecken ab. Außer Atem flüsterte sie ihm ins Ohr. »Ich hab dir doch die Sache mit dem Finger auf der Parkinsel erzählt. Ich glaube, da vorne sitzt der Eigentümer. Er hat einen komischen Verband, aber man sieht, dass der kleine Finger fehlt.«
»Ach was«, brummte André missmutig. »Es gibt bestimmt noch mehr Menschen mit so einer Verletzung.«
»Schon, aber ausgerechnet einen Asiaten?«
Jetzt fiel André wieder ein, dass Achill ihnen berichtet hatte, dass der gefundene Finger zu einem Asiaten gehört hatte.
»André, du musst was tun! Frank sucht doch überall nach diesem Typen.«
»Was soll ich denn tun? Ich kann ihn wohl schlecht verhören.«
»Schau, er winkt nach der Bedienung. Wenn wir ihn nicht aufhalten, ist er gleich weg.«
»Ich rufe Frank an. Du verwickelst ihn in ein Gespräch. Los, mach schon!«, drängte ihn Irina.
»Wie stellst du dir das vor?«, murrte André. Doch Irina hatte das Handy bereits am Ohr und telefonierte.
Die Kellnerin näherte sich dem Tisch des Gastes und begann, ihm die auf ihrem Bestellterminal aufgelisteten Speisen und Getränke vorzubeten. Er fischte umständlich sein Portemonnaie mit der unversehrten linken Hand aus der Gesäßtasche und schickte sich an zu bezahlen. Irina hatte recht. Würde er nichts unternehmen, wäre dieser Typ in wenigen Augenblicken verschwunden. Die Bedienung nahm ein paar Scheine von ihm entgegen, dankte ihm und zog davon. André schob den Roller durch den Durchgang zwischen den Tischen zum Platz des Asiaten. Unschlüssig blieb er stehen. Es war, wie Irina es beschrieben hatte. Da, wo der kleine Finger hätte sein müssen, schmückte ein klobiger,