Festbierleichen. Uwe Ittensohn

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Festbierleichen - Uwe Ittensohn

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Unbekannte drückte die Hand, die noch immer um seinen Hals lag, wie eine schwere Rohrzange zusammen.

      Berger brachte nur ein Stöhnen heraus, das in ein heiseres Gurgeln überging.

      »Du wirst das tun, was ich dir sage. Und zwar genau das. Sonst werde ich die Fotos deiner Frau schicken, du alter Hurenbock. Und danach werde ich mir deine Tochter vornehmen!« Er lachte diabolisch. »Sie hat genau das richtige Alter! Wenn ich mit ihr fertig bin, wird sie kein Mann mehr anfassen. Und wenn ich gehe, werde ich ihr noch erzählen, dass sie das alles ihrem geilen Vater zu verdanken hat.« Wieder lachte er dröhnend.

      »Ich tue alles, was Sie sagen, aber …« Berger kam nicht dazu weiterzusprechen, wieder schloss sich die Hand fest um seinen Hals.

      »Sei ganz entspannt, mein Freund«, säuselte der Fremde süßlich. »Ich will doch nur ein paar Dosen Bier bei dir kaufen.«

      »Ja, ja, natürlich«, stammelte Berger.

      »Die Bestellung über 20.000 Dosen für meine russische Firma wird in den nächsten Tagen bei dir eingehen.«

      »Kein … kein Problem«, antwortete Berger, in dem gerade die Hoffnung wuchs, es könnte sich doch alles in Wohlgefallen auflösen.

      »Und weißt du was, mein Buchhalterchen, ich werde dir sogar dabei helfen, sie zu befüllen.«

      Berger nickte hektisch.

      »Du wirst am …« Jetzt stockte der Fremde, nestelte in seiner Jacke herum, Papier knisterte, ein Feuerzeug flammte auf. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Berger das Spiegelbild des Fremden, der ihn um mehr als einen Kopf überragte, in der Fensterscheibe vor ihm. Sein Haar war kurz, das Gesicht grob und pockennarbig. Zwischen seinen Lippen klebte eine selbstgedrehte Zigarette. Der Augenblick war lang genug, um seine Angst in rasende Panik zu verwandeln, aber zu kurz, um ihn je wiederzuerkennen.

      »Du wirst in der Nacht vom 8. auf den 9. Juli um 2.00 Uhr bei deiner Brauerei eine Tankladung erhalten und den Inhalt in die Bierdosen füllen, die dann am Mittwoch, dem 16.7., abgeholt werden. Verstanden?!«

      »Aber ich bin nur Buchhalter. Sie müssen mich verwechseln, ich habe mit der Abfüllung nichts zu tun. Ich …«, wimmerte Berger.

      Wieder lachte der Fremde gallig. »Dann hast du es eben ab jetzt!«

      »Aber ich …«, begann Berger, bevor ihm die kräftige Hand förmlich die Stimme abdrückte.

      »Weißt du, was das ist?«, dröhnte der Fremde und hielt ihm eine grobe Schere mit roten Griffen vors Gesicht.

      »Eine … eine Gartenschere«, stotterte Berger heiser.

      Der Fremde lachte. »Nicht irgendeine Gartenschere, es ist eine Felco, Schweizer Wertarbeit, die Königin der Baumscheren, ich hab sie extra für dich ausgesucht.«

      Berger konnte sich kaum noch auf den Füßen halten, das nackte Entsetzen schlug ihm wie ein Stock in die Kniekehlen.

      »Mit dieser schönen Felco werde ich dich jetzt zum Abfüller umschulen, mein Freund.«

      »Bitte, bitte …«, flehte Berger.

      »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie auch eine gute Gedächtnisstütze für Leute wie dich ist, die gerne vergessen, was man ihnen aufträgt!«

      Berger brachte nur noch ein Glucksen heraus.

      Der Hüne löste den Würgegriff um Bergers Nacken, nahm dessen knochige Hand und schob den kleinen Finger zwischen Klinge und Gegenklinge der Schere.

      Berger versuchte, sich ihm zu entwinden, doch die muskulösen Arme seines Peinigers hatten sich wie riesige Tentakel um seinen zierlichen Körper gelegt.

      »Nein!«, schrie er atemlos.

      Ein Geräusch, als schnappe die scharfe Klinge durch ein dünnes Gehölz, wie es Berger kannte, wenn er den Zweig einer seiner historischen Rosenstöcke beschnitt, ertönte. Dann folgte ein stechender Schmerz an seiner linken Hand, der ihm für einen Augenblick die Besinnung raubte. Er krümmte sich, die Beine knickten endgültig unter ihm weg. Er glitt zu Boden.

      Laut grölend hielt ihm der Fremde den abgetrennten Finger vors Gesicht und warf ihn dann kichernd auf einen Schutthaufen.

      Berger wimmerte laut auf, seine Sinne vernebelten.

      »Merk dir den 9. Juli um 2.00 Uhr. Wenn du die Bullen rufst oder sonst jemandem davon erzählst, werde ich diese Schere an den Fingerchen deiner Tochter ausprobieren. Verstanden?«

      Berger brachte nur ein kraftloses Nicken zustande, zu sehr war er damit beschäftigt, mit einem Taschentuch das pulsierend aus der Wunde spritzende Blut zu stoppen.

      Fortan nahm Berger alles um sich herum nur noch wie in Trance wahr. Die ausgerauchte Zigarette, die dicht an seinem Kopf vorbei auf den Bauschutt geschnippt wurde. Den unbarmherzigen Griff an seinem Kragen, der ihm die Luft abschnürte. Die Kaltblütigkeit, mit der ihn der Fremde über den mit Steinbrocken und Schutt übersäten Fußboden vor die Haustür schleifte und ihn wie einen Kartoffelsack einfach auf dem Bauch liegen ließ. Berger hörte, wie er die alte Holztür ächzend ins Schloss drückte. Zum Abschluss packte er ihn im Genick und schob sein Gesicht ruckartig so dicht an den Türgriff, als wollte er ihm daran die Nase zertrümmern.

      »Schau her!«, herrschte er ihn an, steckte einen Dietrich ins Schloss und brach ihn ab.

      »So, jetzt kannst du es dir sparen, nach deinem dürren Buchhalterfinger zu suchen. Bis du einen gefunden hast, der die Tür aufkriegt, haben ihn längst die Ratten gefressen. Und überleg erst gar nicht, ins Krankenhaus zu laufen. Man fragt dort zu viel. Und von deinen Antworten würde ich irgendwann hören, und dann wärst du tot. Ein Druckverband, und in zwei Tagen ist alles gut. Sei keine Memme, denk dran, ich habe ein Auge auf dich!«

      In diesem Augenblick näherten sich Schritte. Ein einsamer Fußgänger kam auf sie zu. Eine unbestimmte Hoffnung keimte in Berger auf.

      »Komm, Briederchen, der letzte Wodka war zu viel fier diiech«, lallte Bergers Peiniger leutselig. Er stützte ihn. Dabei legte er wieder seine Schraubzwingenhand um dessen Kehle und drückte sich Bergers Gesicht fest an die Brust, sodass ihn niemand erkennen konnte und er außerstande war, um Hilfe zu rufen.

      Berger würgte. Die Schmerzen, dazu der scharfe Geruch nach Mentholtabak und das aufdringliche Rasierwasser forderten ihren Tribut.

      Der Fußgänger, dem ein knurrender Pitbull an einer Leine folgte, schüttelte nur den Kopf.

      Schweinsbraten

      Montag, 25. Juni 2019, 12.35 Uhr

      »Und des soi a Schweinsbron sei?«, sagte Quirin und stocherte lustlos in der zerfaserten Fleischscheibe vor sich.

      »Wow, der Herr ist wohl ein Feinschmecker? Das kannst du dir in der Mensa abschminken. Was erwartest du für drei Euro?«

      »An echt’n Schweinsbron hoid.«

      »Sei lieber froh, dass ich dich mit meinem Studentenausweis hier reingeschmuggelt habe. Jeden Tag ein durchgeweichtes belegtes Brötchen vom Supermarkt ist auch keine gastronomische Sensation und kostet fast genauso viel.«

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