Festbierleichen. Uwe Ittensohn

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Festbierleichen - Uwe Ittensohn

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nur »de Ochs« genannt, ließ sich wie ein Sack Kartoffeln auf einen umgedrehten Mörtelkübel fallen. Dabei fixierten seine glänzenden Schweinsäuglein gierig den dicken in Butterbrotpapier eingewickelten Batzen. Wie jeden Tag enthielt er drei doppelte Frühstücksbrote, die üblicherweise mit Leber- und Griebenwurst belegt waren.

      Seine Kollegen Deniz Yildiz und Zoltan Sovič, den alle wegen seines fliehenden Kinns nur »die Ratte« nannten, beobachteten ihn feixend.

      Ochsner befeuchtete mit der Zunge seinen dreckstarrenden Daumen, um die dünnen Enden des Papiers besser fassen zu können. Seine Frau, eine tüchtige Pfälzer Hausfrau, legte großen Wert darauf, die Brote gleich in mehrere Lagen Pergamentpapier einzuschlagen, schließlich sollte ihr Harald die Pfälzer Hausmacherwurst frei von Baustaub und Zement genießen können. Mit verzücktem Lächeln wickelte er das Papier auseinander. Dabei leckte er sich mehrfach voller Vorfreude die Lippen. Er merkte nicht, wie Sovič seinem Kollegen Yildiz verschwörerisch den Ellbogen in die Rippen rammte.

      Ochsner war bei der letzten Lage Papier angekommen. Er hob das Papierende an und starrte stumm und mit offenem Mund auf die nun vor ihm liegenden doppelten Brote.

      Yildiz und Sovič, die jede seiner Bewegungen beobachtet hatten, grinsten wölfisch.

      Ochsner reagierte wie in Zeitlupe. Zuerst schienen sich seine Schweinsäuglein ein paar Millimeter aus den Augenhöhlen zu schrauben. Seinem Gesicht entwich jegliche Farbe, als würde sie durch den kurzen Hals in den massigen Körper ablaufen. Dann schloss sich seine riesige Pranke, die annähernd die Ausmaße einer Bratpfanne hatte, um die Frühstücksbrote und drückte alles, Brot, Blut- und Leberwurst, zu einem zähen Klumpen zusammen.

      »Ihr dreggisches Lumbekoores, ihr Saubeitel. Wo hännen ihr dän g’funne?«, tobte er und schleuderte den dicken Klumpen mitten in Sovičs Visage. Trotz der groben Attacke grölte Sovič vor Lachen. Yildiz stieß ihm in die Seite und wieherte, als müsse er demnächst ersticken.

      Das verklumpte Etwas, das einmal Ochsners Mittagessen hätte werden sollen, zerfiel in zahllose undefinierbare Brot- und Wurstfetzen. Nur ein Fragment hatte seine Form erhalten und fiel in Sovičs Schoß. Ein blau angelaufener, wächsern wirkender menschlicher Finger.

      *

      »In de nächstn Dog soi a große Lieferung Bierdos’n füa Russland naus, woast du wos dafo?«, fragte Quirin und biss genussvoll in sein Brötchen.

      »Hab davon gehört. Der Typ aus der Buchhaltung hat das wohl gemanagt, hat mir eine vom Vertrieb erzählt. War wohl angefressen, weil ausgerechnet der Buchhalter einen Neukunden aufgerissen hat«, erwiderte Irina und starrte auf das Brötchen in ihrer Hand.

      »Und?«, brummte Quirin.

      »Und? Und? Das ist eine gewaltige Kalorienbombe. So wie das aussieht, hat allein dafür ein komplettes Schwein sein Leben lassen müssen. Wie kann man so was essen?«

      »Is a a Rind drin. Muasst hoid dei Mei weit gnua aufmach’n.«

      »Wegen des Rinds?«

      »Na, wega dea dickn Scheim.«

      »Witzbold«, brabbelte Irina undeutlich, da sie sich gerade am ersten Bissen versucht hatte.

      »Es geht nix üba a g’scheide Leberkassemmel.« Dabei biss Quirin mit verzücktem Lächeln ein dickes Stück vom Brötchen ab.

      Als er es mit dick aufgeplusterten Backen endlich hinuntergeschlungen hatte, setzte er das Gespräch fort.

      »Ja woast ez, wann des Bier zu de Russ’n nausgeht?«

      »Soviel ich weiß, kommt nächste Woche am Mittwoch eine Spedition vorbei und holt die Dosen ab.«

      Quirin nickte, außerstande, mit seinem vollen Mund eine Antwort zu geben.

      »Und was war jetzt so wichtig daran?«, bohrte Irina.

      »Nix.«

      »Danke für deine ausführliche Antwort. Typisch Mann, nicht imstande, ein vernünftiges Gespräch zu führen.«

      »I muas’s glei backn, da Braumoasta wart scho.« Dabei schob Quirin den letzten Rest des Brötchens in den Mund und erhob sich.

      Irina schaute ihm nach und begutachtete dann den stattlichen Rest ihrer Leberkässemmel mit der rund drei Zentimeter hohen Scheibe Fleischkäse zwischen den bleichen Brötchenhälften. Wie man so was nur essen konnte? Irgendwie verstand sie immer besser, warum André sich zum überzeugten Vegetarier entwickelt hatte. Sie legte das Brötchen zur Seite, stützte ihr Kinn auf die Hand und starrte in die Richtung, in die Quirin verschwunden war.

      Irgendwie gefiel er ihr mit all seiner Hilflosigkeit. Sie spürte immer häufiger, dass sich unter seinem poltrigen Auftreten ein sensibles Inneres verbarg. Er musste es im Leben nicht gerade leicht gehabt haben. Oft war er melancholisch, sprach nichts und schien zu träumen. Es war, als würde eine unsichtbare Last auf seinen Schultern liegen. Dann waren da noch die Augenblicke, wenn er von seiner Passion, dem Bierbrauen, redete und seine Augen dabei funkelten wie Diamanten. Sein ganzes Wesen rührte sie an. Sie war sich ihrer Gefühle für ihn nicht sicher. Waren es eher Muttergefühle für den unbeholfenen, oft wie ein kleiner Junge agierenden Burschen, die sich bei ihr regten? Oder war da mehr? Immerhin war er mit der sportlichen Figur und den markanten Gesichtszügen nett anzusehen. Und immer, wenn er sie berührte, machte sich dieses eigenartige Kribbeln in ihr breit. Eine körperliche Reaktion, die sie noch nie so intensiv gespürt hatte.

      *

      Achill hatte kaum geredet, bis sie sich mit einem kapitalen Palzki-Burger für ihn und einer Portion Parmesan-Rosmarin-Pommes mit einem Spritzer Trüffelöl für André auf dem bestuhlten Platz vor der Currysau gegenübersaßen. Sie waren in der warmen Jahreszeit gerne hier. Auf dem weitläufigen Sankt-Guido-Stifts-Platz unter den hohen Platanen, in deren Geäst sich meist einige tropische Alexanderfinken mit ihrem prächtigen grünen Federkleid krächzend tummelten, ließ es sich aushalten. Man konnte hier viele Speyerer Originale treffen und bei einem Glas Bier, Grillwürsten, knusprigen Süßkartoffel-Pommes oder einer der innovativen Neukreationen ein Schwätzchen mit Robert, dem Eigentümer, halten. Doch heute hatte André ein klammes Gefühl in der Magengegend.

      Achill hatte ihn vor einer halben Stunde angerufen und spontan hierher eingeladen, oder passender her zitiert. Er kannte seinen Freund viel zu gut, um nicht zu wissen, dass die Aktion am Wasserturm ein Nachspiel haben würde.

      »Ich bin enttäuscht von dir«, begann Achill leise und ausdrucksvoll, um gleich darauf eine Kunstpause einzulegen. André nickte unsicher wie ein Schuljunge, den man gerade beim Abschreiben erwischt hatte.

      »Bist du von allen guten Geistern verlassen? Erst scherst du dich um keinerlei Verkehrsregeln, fährst auf dem Gehweg, dann gegen die Einbahnstraße, verursachst einen Auffahrunfall, schrottest diesen E-Scooter, und dann wirfst du ihn dem Asiaten einfach hinterher. Der hätte tot sein können und du für 15 Jahre im Knast!«

      André schluckte. So pointiert, wie es sein Freund gerade formulierte, hörte es sich in der Tat befremdlich an. Er hatte förmlich das Gefühl, Achill würde von einem Fremden sprechen. So wenig passte das zu ihm.

      »Ich … ich wollte dir doch nur in diesem Fall mit dem Finger … da ist doch was faul, so schnell, wie der Typ abgehauen ist …«, wehrte sich André kraftlos.

      »Selbst wenn er es ist, zu dem der gefundene Finger gehört. Sich auf irgendeine Weise

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