Schneesturz - Der Fall des Königenhofs. Julia Heinecke

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Schneesturz - Der Fall des Königenhofs - Julia Heinecke

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Martin: »Vater im Himmel, wir bitten um Schutz für unser neues Haus. Halte fern von ihm die Angriffe des Feindes. Es mögen die heiligen Engel kommen und uns den Frieden bewahren, und all dein Segen möge immer bei uns bleiben.«

      »Amen.«

      Später, am ersten Abend in ihrer neuen Schlafkammer, ließ Walburga ihren Mann gewähren. Er schob ihr Nachthemd hoch und fuhr mit seiner Hand zwischen ihre Schenkel. Schließlich legte er sich auf sie. Walburga schloss die Augen und betete wie immer, dass dieser Akt ohne Folgen bliebe.

      Am nächsten Morgen standen die zwei Buben vom benachbarten Königenhäusle wieder vor ihrer Haustür und glotzten. Bibiane rannte mit nackten Füßen auf sie zu.

      »Wie heißt du?« Sie zeigte auf den Größeren.

      »Blasius«, erwiderte er, »und du?«

      »Bibiane.«

      Blasius zeigte mit seiner Hand auf seinen jüngeren Bruder. »Das ist Philipp«, stellte er ihn vor.

      »Philo«, sagte dieser. »Ich heiße Philo.«

      »Wie denn nun?«, fragte Bibiane.

      »Ich heiße Philipp wie mein Vater, aber alle sagen Philo zu mir«, klärte der Junge sie auf. Er war etwa gleich alt wie Bibiane, Blasius ein paar Jahre älter.

      »Ihr wohnt ganz schön nah bei uns«, meinte Bibiane.

      »Oder ihr bei uns. Wir wohnen ja schon lange hier«, erwiderte Philo.

      »Rat mal, wie viele Schritte es von eurem Haus zu unserem sind«, forderte Blasius sie auf.

      Bibiane überlegte kurz. »Bestimmt hundert«, befand sie.

      »Es sind viel weniger«, trumpfte Blasius auf.

      »Woher willst du das wissen?«

      »Wir wissen es, weil wir es schon längst gezählt haben«, erklärte Blasius.

      »Kannst du denn nicht zählen?«, wollte Philo wissen.

      Bibiane wurde rot. Sie war in Urach nur sehr wenig zur Schule gegangen, aber das wollte sie nicht zugeben. Ihre Eltern legten mehr Wert darauf, dass Thomas und Lorenz lernten und nicht die Mädchen.

      »Natürlich kann ich zählen«, behauptete sie dennoch. »Das kann ja wohl jeder.«

      »Dann siehst du doch, dass das bestimmt nicht hundert Schritte sind«, sagte Blasius.

      Bibiane, sonst um kein Wort verlegen, schwieg und schaute zur Seite.

      »Komm, wir probieren es mal aus. Eins.« Blasius machte einen großen Schritt und drehte sich dann um. »Na, komm.«

      Bibiane ließ sich nicht lange bitten. »Zwei.« Sie streckte sich.

      »Deine Schritte sind viel zu klein«, befand Philo. »Du musst sie größer machen.«

      Bibiane sprang. »Drei!«

      Bis zum neunzehnten Schritt konnte sie laut mitzählen, dann aber wurde sie still.

      »Was ist?«, forderte Blasius sie auf.

      »Zähl du«, entgegnete Bibiane. Aus den Augenwinkeln sah sie ihren großen Bruder Lorenz vor dem Königenhof stehen, der die Arme verschränkt hatte und sie mit einem spöttischen Grinsen beobachtete.

      »Zwanzig, einundzwanzig, zweiundzwanzig …«

      »Vierundzwanzig!«, rief Bibiane.

      »Du hast eine Zahl vergessen«, sagte Philo. Bibiane schaute verwirrt und war dankbar, dass er sich nicht über sie lustig machte.

      »Also, dreiundzwanzig, dann vierundzwanzig …«

      Sie zählten weiter gemeinsam, bis sie am Königenhof ankamen.

      »… zweiunddreißig!«, schrie Bibiane. »Es sind zweiunddreißig Schritte.«

      Sie lachte mit den Buben, bis ihre Mutter aus dem Haus kam.

      »Bibiane, was soll das? Geh lieber die Schweine aus dem Stall holen.«

      Bibiane hielt kurz inne, dann drehte sie sich zu ihren neuen Nachbarn um. »Kommt ihr mit?«, fragte sie.

      »Natürlich.«

      Damit war ihre Freundschaft besiegelt.

      Der Hof brachte mehr Arbeit mit sich als der alte in Urach, und jeder musste noch stärker anpacken als zuvor. Der Grund und Boden der Tritschlers hatte sich fast verdoppelt. Sie konnten mehr anbauen als auf dem alten Hof und große Mengen Holz im Wald schlagen.

      Auch im Haus gab es genug zu tun. Gertrudis grummelte, dass sie vor lauter Schaffen weder ein noch aus wüsste, und Walburga musste sie regelmäßig zurechtweisen. Sie fand ihre Magd einfach nur faul. Lange würde sie sich das nicht mehr anschauen, dachte Walburga bei sich, als Gertrudis sich widerwillig ans Bodenschrubben in der Stube gemacht hatte. Aber gerade konnte sie es sich nicht leisten, der jungen Frau den Laufpass zu geben. Es war gar nicht so einfach, gute Arbeitskräfte zu finden, seit es mit der Uhrmacherei so einen Aufschwung genommen hatte. Walburga war sich bewusst, dass die Leute viel lieber in ein eigenes kleines Häuschen zogen, Uhrengestelle bauten oder Uhrenschilder bemalten, wenn sie genügend Geschick hatten, als auf einem Hof in Arbeit und Kost zu stehen. Sie halfen nur noch bei Bedarf beim Bauern aus, um etwas von seinen Kartoffeln und Hafer abzubekommen.

      Martin suchte zusätzliche Kräfte für die Arbeit im Wald und stellte sich gleich nach dem Einzug bei seinen Nachbarn vor.

      »Wenn ihr Arbeit sucht, ich kann fähige Leute immer gebrauchen«, erklärte er. »Im Wald gibt es viel zu tun, jede Hand ist willkommen.«

      Der Löfflerjohann, der mit seiner Frau in der einen Hälfte des Königenhäusles wohnte, ließ sich gerne als Tagelöhner im Wald verpflichten. Auch der Gestellmacher Philipp Beha und seine Frau Maria, die mit ihren Söhnen Blasius und Philo in der anderen Hälfte lebten, gingen auf das Angebot ein. Philipp half beim Fällen, Maria sammelte Reisigwellen, und Blasius und Philo hüteten auf der Weide das Vieh des Königenhofs. Dabei wurden sie schon bald von Bibiane begleitet.

      Walburga seufzte bei diesem Gedanken auf, während sie den Wasserkessel für die Abendsuppe auf die Feuerstelle wuchtete. Die Küche war mit Rauch erfüllt, und der Bäuerin brannten die Augen. Es war ihr gar nicht recht, dass Bibiane jeden Tag Stunden mit den beiden Nachbarbuben auf der Weide fernab des Hofes verbrachte, aber ihre Tochter hatte sich durchgesetzt. Bibiane war im Haus einfach nicht zu halten. Sie musste draußen herumrennen, sonst wurde sie unleidig, fing an, ihre Geschwister zu ärgern oder sich gänzlich der Hausarbeit zu verweigern. Schläge, um ihr diesen Unsinn auszutreiben, blieben wirkungslos. So war Martin auf die Idee gekommen, sie ziehen zu lassen.

      »Dann müssen weder Lorenz noch Thomas das Vieh hüten, und ich kann die beiden mit in den Wald nehmen. Dann lernen sie früh das Holzfällen. Das ist mir recht«, sagte er.

      Walburga musste ihm zustimmen, dass es eine gute Lösung sein könnte, da es mit Bibiane im Haus oft mehr Scherereien als Hilfe gab. Trotzdem war ihr nicht wohl dabei.

      Das Wasser

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