Schneesturz - Der Fall des Königenhofs. Julia Heinecke

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Schneesturz - Der Fall des Königenhofs - Julia Heinecke

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war und nicht gerade unterwegs bei einer Geburt.

      Sie hatte Glück. Theodora, eine ältere Frau mit freundlichem Lächeln, öffnete die Tür ihres winzigen Hauses und ließ sie eintreten.

      »Guten Tag«, sagte Walburga, »ich bin vom Königenhof.«

      »Und bald kommst du nieder«, meinte Theodora fachkundig mit Blick auf ihren Bauch.

      »Nein, eben nicht«, erwiderte Walburga, »das kann überhaupt nicht sein. Es können höchstens fünf Monate sein.«

      »Dann komm rein.«

      Walburga war froh, in die Wärme zu gelangen. Ihre Füße waren durchgefroren. Ihre nassen Schuhe zog sie aus und schlüpfte in die Strohschuhe, die Theodora ihr hinstellte. Über einen schmalen Hausgang ging es linkerhand in eine kleine Stube, in der neben dem Kachelofen ein Bett stand.

      »Leg dich hin«, die Hebamme deutete auf das Bett, »ich werde dich abtasten.«

      Geschickt strichen ihre warmen Hände wenig später über Walburgas Bauch, die sich nach einer Weile entspannte. Theodora schwieg und arbeitete ruhig und gewissenhaft. Schließlich schaute sie auf.

      »Du kriegst Zwillinge.«

      »Zwillinge?« Walburga sah die Hebamme erschreckt an. »Bist du sicher?«

      »Ja, ganz sicher, ich kann beide spüren.« Sie lächelte. »Zwei Kinder sind etwas Besonderes. Du kannst stolz sein.«

      »Wie soll ich mich um zwei Säuglinge gleichzeitig kümmern können?«, fragte sich Walburga leicht verzweifelt. »Und um die anderen Kinder noch dazu?«

      »Wie viele hast du schon?«

      »Zehn.«

      »Dann wird es nicht so schlimm, du wirst sehen.« Theodora stand auf. »Du weißt, wie es geht. Deine großen Kinder werden dir helfen. Versuche, dich zu schonen, mach nur das Nötigste. Ich kann in einem Monat noch einmal nach dir schauen.« Die Hebamme sah Walburga direkt in die Augen. »Wenn du möchtest.«

      Walburga verstand und setzte sich auf. Sie griff nach ihrem Beutel und holte ein ordentliches Stück frisch geräucherten Speck hervor.

      »Ist das ausreichend?«

      Theodora griff zu. »Danke, das passt fürs Erste.«

      Leo und Julius kamen im April 1834 zur Welt. Theodora war an Walburgas Seite, die sich vor Schmerzen wand. Kaum war Leo auf der Welt, versagte ihr die Kraft, doch die Hebamme hieß sie durchzuhalten. Als es am frühen Nachmittag geschafft war, kümmerte sich Theodora um beide Säuglinge, wickelte sie in Decken und legte sie in Walburgas Arme. Dann holte sie Martin.

      »Schau, zwei Buben.« Walburga strahlte ihren Mann erschöpft an. »Beide kräftig und gesund.«

      Martin kam näher ans Bett und betrachtete eine Weile mit zufriedenem Gesichtsausdruck seine neugeborenen Söhne.

      »Sie ähneln sich wie ein Ei dem anderen«, stellte er fest. »Wie sollen wir sie je auseinanderhalten?«

      »Nein, so ähnlich sehen sie sich nun auch wieder nicht«, widersprach Walburga. »Ich kann die Unterschiede schon erkennen. Bald geht es dir auch so.« Die Königenbäuerin glühte vor Stolz. »Wie gesegnet wir mit Kindern sind, nicht wahr, Martin?«

      »Ja, um einen Hoferben brauchen wir uns wahrlich keine Sorgen zu machen.« Er legte seine Hand auf ihre Schultern. »Jetzt erhol dich. Die Magd kommt auch ohne dich in der Küche zurecht.«

      Martin war angesichts zweier weiterer Söhne in bester Stimmung. Nachdem er die Schlafkammer verlassen hatte, ging er direkt in den Bergschopf und kehrte mit einer Flasche Obstbrand in die Stube zurück.

      »Lorenz, hol die Nachbarn«, wies er seinen Ältesten an.

      Kurze Zeit später trafen die ersten Gratulanten im Königenhof ein. Der Gestellmacher Philipp Beha und der Löfflerjohann aus dem Königenhäusle setzten sich gerne und ließen sich einschenken. Der Bauer vom Kajetanshof kam dazu, sogar dem Knecht Wendelin wurde ein Platz am Tisch angeboten.

      »Zwei Söhne auf einmal«, rief Martin und hob das Glas, »das muss mir erst mal einer nachmachen.«

      »Gratulation.«

      »Das Glück dem Tüchtigen!«

      »Prost.«

      Die gefüllten Gläser stießen gegeneinander. Aus der Stube drang bald das dröhnende Lachen der Männer nach oben in die Schlafkammer, in der Walburga mit den Zwillingen lag. Sie war zu erschöpft, um sich über das immer lauter werdende Saufgelage zu ärgern. Ihr Mann stolperte später betrunken die Treppe hinauf und schlief in einer der Gangkammern. Das war Walburga nur recht.

      1835

      Im Sommer 1835 zog Walburgas verwitwete Mutter zu ihrer Tochter ins Wagnerstal. Maria Faller, die von allen Fallermarie genannt wurde, war sechzig Jahre alt, aber keineswegs unbeweglich oder hilfebedürftig. Im Gegenteil, sie entschied sich für den Königenhof, weil sie Walburga mit ihren zwölf Kindern unterstützen wollte.

      Martin hatte nichts dagegen, und Walburga empfand die Anwesenheit ihrer Mutter als Segen. Die Fallermarie hatte kräftige Arme und eine gerade Haltung, als hätte sie in ihrem Leben nie buckeln müssen, dabei kannte sie nichts als harte Arbeit. Sie zog ins Stüble und tat klaglos das, was ihr aufgetragen wurde. Sie brachte eine gewisse Ruhe und Gelassenheit mit auf den Hof, auf dem oft ein schroffer Ton herrschte. Martin neigte zu einer derben, beleidigenden Sprache, wenn ihm etwas gegen den Strich ging, und auch Walburga geizte nicht mit bösen Worten, wenn sie sich angegriffen fühlte. Und das war oft der Fall. Am meisten bekam es Gertrudis zu spüren. Die Magd konnte es ihrer Bäuerin selten recht machen und wurde dafür ständig herumgescheucht.

      »Geh runter zum Waschen«, befahl Walburga heute.

      Es war Sonntag, und die Bäuerin schien nicht gewillt, ihrer Magd am Tag des Herrn Ruhe zu gönnen. Sie stellte einen Weidenkorb voller Kleidungsstücke vor Gertrudis ab. Nach der Feldarbeit der letzten Tage standen sie vor Dreck.

      Gertrudis nickte wortlos. Sie holte zunächst Wasser vom Brunnenstock und setzte es auf den Herd, dann legte sie die Kleidung in eine Wanne und lief damit an den Bach. Am Backhaus konnte sie später auf dem Brett, auf dem sonst die Brotlaibe auskühlten, die eingeweichte Kleidung ausbreiten und die Flecken ausbürsten. Als Gertrudis das heiße Wasser für die Lauge holen wollte, kam die Fallermarie hinzu.

      »Ich helfe dir«, bot sie freundlich an.

      Gertrudis war dankbar. Die alte Frau hatte ein Gespür dafür, wann sie Unterstützung brauchte. Gemeinsam trugen sie den schweren, heißen Kessel zum Bach und schütteten das Wasser in die Wanne.

      »Den Rest schaffe ich allein, danke«, sagte Gertrudis.

      Die Fallermarie ging zurück ins Haus, und mit einem Stock bewegte Gertrudis schließlich die Wäsche in der Aschelauge hin und her.

      Die Magd war keineswegs faul, wie ihr Walburga unablässig unterstellte. Gertrudis tat ihr Bestes, mehr schaffte sie einfach nicht, zumindest empfand sie es so. Denn kaum hatte sie eine Aufgabe erledigt, gab ihr Walburga die nächste. Gertrudis kam nie zum Durchschnaufen. Sie wusste schon, warum

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