Sand im Dekolleté. Micha Krämer

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Sand im Dekolleté - Micha Krämer

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Sie sind“, schrie sie ihn weiter an.

      „Aber jute Frau. Et is doch alles janz anders. Beruhigen Sie sich doch mal“, versuchte er die Lage zu deeskalieren und machte einen weiteren Schritt auf sie zu. In ihrem Gesicht stand pure Panik. Lumpi führte sich immer noch auf wie ein Berserker. Plötzlich zog die Rosafarbene ein Ding aus der Tasche ihrer Joggingjacke und machte einen Satz nach vorne. Als Martin begriff, was gerade abging, war es bereits zu spät. Der Stromschlag aus dem Elektroschocker auf seiner Brust war so heftig, dass ihm der Atem und vermutlich auch das Herz kurz stockten. Wie ein nasser Sack fiel er zu Boden. Lichtblitze zuckten vor seinen Augen, dann wurde es dunkel um ihn herum.

      Kapitel 2

      Montag, 21. September 2020, 6:52 Uhr

      Insel Langeoog

      „Ist das nicht ein herrlicher Morgen?“, fragte Onno Federsen seine bessere Hälfte Tine und blinzelte in die tief stehende Sonne.

      „Ja, mal sehen, wie lange noch. Der Herbst steht ja quasi schon vor der Türe. Ich denke mal nicht, dass wir in diesem Jahr noch oft draußen frühstücken können“, säuselte Tine, blickte kurz zum Himmel und nippte dann an ihrem Kaffee.

      Kaffee war noch nie so wirklich Onnos Ding gewesen. Doch jedem, wie es ihm gefiel. Wenn sie beide morgens, wie heute, auf der Terrasse hinter dem Haus beim Frühstück saßen, genoss er, während Tine ihrem Kaffee frönte, seinen Ostfriesentee. Natürlich, wie es sich gehörte, mit Sahne und Kluntjes, die gar nicht dick genug sein konnten. Dazu ein Croissant mit dick Butter und Schokocreme drauf. Das war zwar nicht typisch ostfriesisch aber dennoch sehr lecker und ein absolutes Muss für ihn.

      „Liegt heute irgendwas Besonderes an?“, erkundigte er sich bei Tine und betrachtete die Kondensstreifen der Flugzeuge an dem ansonsten makellos blauen Himmel.

      „Ja, heute ist Grill- und Spieleabend bei Annemarie und Martin“, wusste sie. Onno nickte versonnen. Wenn Tine es sagte, würde es wohl so sein. Er selbst besaß überhaupt keinen Terminkalender. So viele Termine hatte man als Inselpolizist auch gar nicht. Dienstlich kam es eben immer, wie es gerade kam. Wenn etwas passierte, musste man eben hin. Wenn nichts passierte … dann musste man eben nirgends hin. Verbrechen, Unfälle und was sonst noch in Onnos Zuständigkeit fiel, kündigte sich im Vorfeld selten an. Viel passierte hier auch gar nicht. Das Leben als Inselpolizist auf einer autofreien Insel würde Onno daher als eher ruhig bezeichnen. Um die Organisation und Einhaltung von privaten Terminen kümmerte sich Tine. Einen Kalender brauchte sie dafür ebenfalls nicht. Nein, seine bessere Hälfte hatte all diese Dinge in ihrem hübschen Köpfchen gespeichert.

      „Annemarie hat für heute auch diesen Kriminalkommissar aus dem Westerwald und dessen Gattin eingeladen“, wusste Tine ebenfalls.

      „Aha“, antwortete Onno lediglich. Was sollte er auch sonst dazu sagen? Er kannte diese Leute bisher nur vom Hörensagen. Martin, Annemarie, Lotta und Krischan hatten die beiden an Karneval bei einem Besuch im Westerwald kennengelernt. Annemarie und auch seine Kollegin Lotta Dönges schwärmten seitdem ständig vom Kölner Rosenmontagszug, den sie mit den Westerwäldern besucht hatten. Wenn es nach Tine ging, würde diese beim nächsten Mal glatt mit den Freunden dorthin reisen, um mitzufeiern. Onno hatte da keine Lust zu. Er glaubte nicht, dass Karneval sein Ding war. All die betrunkenen, feiernden Menschen. Nein, da blieb er doch lieber auf seiner Insel.

      Das Läuten seines Diensthandys ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. Er nahm das Gerät und schaute auf das Display. Es kam wahrlich nur selten vor, dass die Leitstelle in Wittmund ihn so früh morgens kontaktierte.

      „Polizeihauptmeister Onno Federsen, Dienststelle Langeoog“, meldete er sich korrekt und lauschte dann, was der Kollege ihm zu sagen hatte. Dabei klappte seine Kinnlade immer weiter herunter. Wollten die ihn gerade auf den Arm nehmen?

      „Verstanden, ich fahre sofort hin und überprüfe das“, erwiderte er, als der Kollege fertig war und legte dann auf.

      „Ist was passiert?“, wollte Tine sogleich wissen.

      „Das kannst du aber mal laut sagen, meine Liebe. Angeblich hat ein entblößter Sittenstrolch am Strand eine Frau ermordet. Eine andere hat ihn dabei überrascht und überwältigt“, wiederholte er grob, was man ihm gerade berichtet hatte und erhob sich eiligst. Sein Blick fiel auf die halb volle Tasse Tee auf dem Tisch. Schade drum, gerade jetzt, wo der süßeste Teil an die Reihe kam. Die auf dem Boden der Tasse aufgelösten Kluntjes waren doch das Beste an allem.

      Während er sich nun im Flur hastig seine Schuhe anzog, rief er die Kollegin Lotta Dönges an. Es würde bei einem solchen Einsatz nicht schaden, sie als Verstärkung dabeizuhaben.

      *

      Lotta war gerade im Begriff das Haus zu verlassen, um zur Dienststelle zu radeln, als der Anruf von Onno sie erreichte. Da sie nicht weit weg vom Strand wohnte, ließ sie das Rad aber dieses Mal kurzerhand im Schuppen stehen und sprintete zu Fuß los. Im Sand käme sie mit dem Rad eh nicht gut voran, da machte es keinen Sinn, es mitzunehmen. Sie würde es später holen.

      Angeblich hatte es einen Mord am Strand gegeben und der Täter war sogar noch vor Ort. So etwas hatte sie auch noch nicht erlebt. Ihr war klar, dass sie um einiges früher als Onno an der von der Leitstelle beschriebenen Stelle sein würde. Onno musste ja zuerst noch einmal quer durchs Dorf.

      Im Laufen zog sie bereits ihre Pistole aus dem Holster. Bei einem Mörder wusste man ja nie, was im nächsten Moment passieren würde. Sicher war sicher.

      Noch bevor sie den Strand erreichte, konnte sie es schon hören. Ein Hund bellte wie irre und eine Frau schrie, als sei der Leibhaftige hinter ihr her. Das Geschrei kam von einem der hintersten Strandkörbe ganz im Osten. Lotta glaubte kaum ihren Augen zu trauen. Hoch oben auf dem Korb hockte eine Frau im rosaroten Trainingsanzug und brüllte wie am Spieß, während eine tobende Lumpi immer im Kreis herum laut kläffend um den Korb flitzte.

      „Erschießen Sie die Bestie … Sie müssen sie erschießen!“, brüllte die rosa Frau panisch.

      Lotta senkte ihre Pistole und musste nun doch einmal erst einen Moment überlegen und Luft holen.

      „Lumpi aus … bei Fuß!“, rief sie dann entschlossen.

      Lumpi gehorchte aufs Wort. Nur Sekunden später hockte die Hündin brav neben Lotta im Sand.

      „Super …Fein hast du das gemacht“, lobte sie das kluge Tier erst einmal.

      „Ich verlange, dass Sie den Köter auf der Stelle abknallen … sofort. Vorher komme ich nicht herunter“, kreischte die rosa Frau auf dem Strandkorb.

      „Ähm ja … nee … dann bleiben Sie am besten erst mal da oben … Verstärkung ist unterwegs“, beschied Lotta sie. Was sollte sie auch sonst sagen. Hunde abknallen ging gar nicht, und wenn die nicht runterkommen wollte, war das ihr Problem. Außerdem war sie sich sicher, dass Lumpi ihre guten Gründe gehabt hatte, die rosa Frau zu verbellen.

      „Moin erst mal. Mein Name ist Polizeimeisterin Lotta Dönges. Haben Sie den Notruf abgesetzt?“, stellte sie sich jetzt erst einmal vor und damit auch gleich eine erste entscheidende Frage.

      „Ja, das war ich. Ich habe diesen nackten Wilden dabei überrascht, wie er sich an einer Frau vergangen hat.“

      „Ähm ja … welchen nackten Wilden meinen Sie genau?“, erkundigte sich Lotta, da sie irgendwie gar nicht recht verstand, was die rosa Tante auf dem Strandkorb meinte. Ein Gedanke kam ihr. Vielleicht war die ballaballa oder irgendwo entlaufen? Aber

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