Tod auf der Finca. Alex Conrad
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Drei Stunden später hatte sie die erst einmal unnötigen Sachen in den Kisten verstaut und beschloss, nach Inca zu fahren, um dort ein wenig spazieren zu gehen und sich die neue Umgebung anzuschauen. Bevor sie ging, schickte sie ihrem Vermieter noch eine Mail mit der Kündigung der Wohnung. Wahrscheinlich müsste sie noch einen Monat zahlen, doch bei dem, was sie in Inca sparte, war es egal.
Auf dem Weg zu ihrer neuen Wohnung fasste sie den Plan, sich auch nach Einkaufsmöglichkeiten umzusehen.
Überrascht bemerkte sie, wie belebt die Straßen an einem Sonntagnachmittag in Inca waren. Spaziergänger mit Kinderwagen oder Hunden bevölkerten die Cafés in der Fußgängerzone. Schade, dass die Wohnung fast eineinhalb Kilometer Fußweg vom Zentrum entfernt lag. Aber, wenn sie sich den Trubel anschaute, sollte sie froh sein, dass es in der Gegend der Wohnung ruhig war, gerade weil es keine großen Geschäfte oder Bars in der Nähe gab.
Sie setzte sich in eine Bar an einer Ecke in der Fußgängerzone, bestellte ein Wasser und ließ die Umgebung auf sich wirken. Aus dem Augenwinkel nahm sie an der Hausecke schräg hinter ihr eine Bewegung wahr. Langsam drehte sie den Kopf, bemüht, nicht direkt zur Hausecke zu starren. Tatsächlich: Ab und zu schien ein Mann um die Ecke zu spähen und sie zu beobachten. Die bereits tiefer stehende Nachmittagssonne blendete Carmen und sie erkannte kein Detail im Gesicht des Mannes – nur, dass er seine Haare kurz geschoren trug. Mist! Sie legte Geld für das Wasser auf den Tisch, sah bewusst in eine andere Richtung und ging mitten zu einer Gruppe Jugendlicher, die laut diskutierend auf sie zukam. Ihre Chance, sich dahinter zu verbergen und einen Kreis zu laufen, um zu sehen, wer sie da von der Ecke aus belauerte.
Kurz darauf hatte Carmen den Häuserblock umrundet … nichts. Der Mann war verschwunden. Sie schnupperte. Roch es hier möglicherweise nach den Resten eines Aftershaves? Das des nächtlichen Angreifers. Sie musste sich irren. Woher sollte jemand wissen, dass sie hier war? Alles Unsinn. Bestimmt hatte derjenige nur seine Freundin necken wollen und ein bisschen Verstecken gespielt. Schließlich kannte sie hier niemand und in Jeans und T-Shirt fiel sie auch kleidungsmäßig nicht aus dem Rahmen.
Carmen schüttelte die Bedenken ab, schlenderte den Rest der Fußgängerzone entlang und erreichte die Hauptstraße, an deren Ende hinter dem Kreisel das Restaurant lag, wo sie sich mit Peter getroffen hatte. Die Polizeistation war auch nicht mehr so weit weg. Nur einige wenige Male war sie mit den Kollegen hierher gefahren, hatte dabei jedoch nicht so sehr auf das Gebäude geachtet. Einen Blick zu riskieren, konnte nicht schaden.
Mit einem hohen Zaun umgeben sah die Comandancia nicht gerade einladend aus, doch das Tor stand offen und davor auf dem Bürgersteig unterhielten sich zwei Männer. Einer der beiden trug Uniform.
Während sie näher kam, vernahm sie laute Wortfetzen. „Ungerecht … wäre dran gewesen … aus Palma.“
Carmen verlangsamte ihre Schritte. Das musste ihr gelten. Bestimmt hatte der Familienvater erfahren, dass nicht er den freien Posten übernahm, sondern jemand anders: sie.
Die beiden Männer sahen sie an.
Carmen rang sich ein Lächeln ab und nickte ihnen zu, als sie an den beiden vorbeiging.
„Und dann auch noch eine Frau“, sagte der Mann in Zivil.
Es kostete Carmen alle Beherrschung, nicht umzudrehen und sich den beiden vorzustellen. Sie hatte es geahnt, das würde alles andere als leicht werden.
Als sie außer Hörweite war und der Asphalt der Straße in einen Feldweg überging, setzte sie sich zum Nachdenken auf einen großen Stein, der am Wegrand lag. Die Sonne hatte ihn angenehm gewärmt. Sie ging ihren Plan durch. Zuerst einmal wollte sie am nächsten Morgen nach dem Schießtraining ihren Vorgesetzten in Palma aufsuchen und bitten, dass sie am Mittwoch freibekam, um in die neue Wohnung umzuziehen, sofern Peter Zeit hätte oder ihr zumindest seinen Pick-up leihen könnte. Man hatte ihr sogar angeboten, die ganze Woche Urlaub zu nehmen, aber mit dem aktuellen Fall und der anstehenden Befragung der armen verletzten Frau wollte sie Joan auf keinen Fall allein lassen. Das Gespräch am Montag würde sie nutzen und ihren Vorgesetzten bitten, nachzusehen, wann am Mittwoch der Kollege, der übergangen worden war, Dienst hatte, damit sie hingehen und sich vorstellen konnte. Bestimmt wäre das besser, als direkt am Monatsersten, dem Samstag, zu starten.
Sie sah zum kleinen Hausberg von Inca. Ideal für ein etwas stärkeres Lauftraining, befand sie. Beim Aufstehen streckte sie den Rücken. Ja, die Gegend gefiel ihr.
Es kostete sie Mühe, einen anderen Weg zurück zur Wohnung zu wählen, und darauf zu verzichten, erneut am Polizeigebäude vorbeizugehen. Stünden die Kollegen noch dort, sie würde nicht noch einmal schweigend entlangspazieren können.
Ihr Handy klingelte und sie sah auf das Display. Peter! Zögernd ging sie dran. „Hola.“
„Erkundest du die Umgebung?“
Erschrocken drehte Carmen den Kopf, doch es war niemand zu sehen. „Spionierst du mir nach?“
„Nein, wo denkst du hin. Ich musste bei Laura vorbeifahren auf dem Weg zum Notruf eines Pferdebesitzers. Da habe ich dein Auto parken gesehen.“
„Ja, ich wollte den ausnahmsweise freien Sonntag einmal nutzen, denn so viel kenne ich von Inca nicht.“
„Schade, dass du vorher nichts gesagt hast, wir hätten … warte mal, da kommt ein anderer Anruf rein.“
Carmen lauschte der Pausenmelodie.
„Ein Besitzer hat in der Auffahrt seinen Hund mit dem Auto erwischt“, sagte Peter. „Ich muss los. Melde dich, wenn du Unterstützung beim Umzug brauchst.“
Bevor Carmen etwas sagen konnte, hatte er bereits aufgelegt. Vielleicht sollte sie doch ein Umzugsunternehmen beauftragen, statt Peter mit seinem Pick-up um Hilfe zu bitten. Am Ende wartete sie auf gepackten Koffern, während er von einem Einsatz zum nächsten eilte. Außerdem hatte er schon so viel für sie getan. In Momenten wie diesen bedauerte sie die Trennung aus tiefstem Herzen. Sie hatten sich perfekt ergänzt … leider zu perfekt, was ihrer beider Arbeitsauffassung anbelangte. Jederzeit auf Abruf, immer sofort im Arbeitsmodus, wenn es nötig gewesen war. Auf Dauer hatte die gegenseitige Liebe die fehlende gemeinsame Zeit nicht auffangen können. Manchmal sehnte Carmen sich nach seiner starken Schulter, bei ihm hatte sie auch mal schwach sein dürfen. So, wie er sich jetzt um sie kümmerte, vermisste er sie wohl ebenfalls.
Mit gemischten Gefühlen ging Carmen zurück zu ihrem Auto. Als sie den Wagen aufschloss, klingelte ihr Handy. Sie sah auf das Display. Oh nein, Joan. „Sí, was gibt es?“
„Eben habe ich einen Anruf aus der Klinik bekommen. Sie hat es nicht geschafft.“
„Scheiße!“
„Jetzt ist es eine Mordermittlung. Bis wann hast du morgen früh Schießtraining?“, fragte Joan.
„Von halb acht bis neun.“
„Ich hole dich dann vom Training ab und wir fahren gemeinsam zur Einvernahme ins Gefängnis. Ist das okay?“
„Prima, passt.“
Die arme Frau! Trotz aufmerksamer Nachbarn waren sie zu spät gekommen. Was ging in solch eifersüchtigen Männern vor? Das, was ihnen am liebsten war, zu bedrohen, verletzen oder gar zu töten?