Seelenfeuer. Cornelia Haller

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Seelenfeuer - Cornelia Haller

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löffelte. Sie hatte den Geschmack nicht einmal wahrgenommen. Resigniert legte sie nach einigen weiteren Bissen den Löffel weg.

      Elisabeth versuchte ein aufmunterndes Lächeln, obwohl auch ihr weh ums Herz war. Zweifel nagten an ihr. Würde ihre Nichte in Ravensburg ihr Glück finden? Sie selbst konnte ihr schon so lange nichts mehr beibringen. Alles, was sich Elisabeth im Laufe der Jahre angeeignet hatte, wusste Luzia bereits. Zumindest würde Luzia im Haus ihres Bruders Basilius freundliche Aufnahme und Schutz finden. Mit diesen Gedanken tröstete sie sich.

      »Ist es schon soweit?«, fragte Elisabeth ungläubig, als Jakob Luzias Reisetruhe vor dem Haus abstellte.

      »Nicht mehr lange, und die Glocken von Sankt Martin läuten zur achten Stunde. Wie ich Matthias kenne, wird er pünktlich mit seinem Ochsenkarren vor der Tür stehen.«

      Elisabeth nickte. »Dann wird es wirklich Zeit!«, sagte sie zögernd.

      »Wir werden uns gegenseitig besuchen«, flüsterte Luzia sanft.

      Elisabeth nickte, doch auf ihrem Gesicht lag eine große Traurigkeit.

      Obwohl die Abfahrt kurz bevorstand, fiel Elisabeth ständig noch etwas anderes ein, das sie Luzia gerne mitgeben wollte. Schließlich breitete sie auf dem Küchentisch ein sauberes Leinentuch aus. Darauf legte sie einige frisch geräucherte Fische aus dem Bodensee, eine dicke Wurst, einen großen Laib Brot und ein Stückchen Käse. An einem anderen Tag wäre Luzia beim Anblick der vielen Köstlichkeiten das Wasser im Mund zusammengelaufen. Heute fühlte sich ihr Magen an, als wären kalte Steine darin.

      Zur selben Zeit wurden Matthias die letzten Anweisungen eingeschärft.

      »Matthias, benimm dich ordentlich!«, ermahnte ihn Otto, sein Meister. »Sei höflich und hilfsbereit! Hast du mich verstanden?«

      Der junge Mann nickte. »Keine Angst, Meister, ich werde schon zusehen, dass Luzia nichts zustößt und sie heil in Ravensburg ankommt.«

      »Dass mir keine Klagen kommen, hörst du?«

      Matthias versicherte ihm noch einmal seine Aufrichtigkeit. Otto rieb sich den zerzausten Bart. Jetzt, kurz vor der Abfahrt seines Gesellen, kamen ihm doch Zweifel, ob es richtig war, Matthias und Luzia die Reise machen zu lassen. Aber schließlich war es seine eigene Idee gewesen, denn der Junge sollte noch einige Einkäufe für ihn tätigen. Unter anderem stand eine Sense aus Wangen auf dem Einkaufszettel. Der Gedanke, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er das Geheimnis der Wangener Schmiedekunst lüften würde, erfüllte ihn mit Spannung und Vorfreude.

      Als er Matthias mit seiner rauen, schwieligen Hand schließich den Segen gab, war Otto wieder mit sich und der Welt zufrieden.

      Matthias brachte das Ochsengespann vor dem kleinen Häuschen in der Fischergasse zum Stehen. Er und Jakob wuchteten Luzias Reisekiste auf den Wagen.

      »Gott segne dich, und habt eine gute Fahrt!« mit diesen Worten verabschiedete sich Jakob von seiner Nichte.

      »Ich habe etwas für dich«, sagte Elisabeth liebevoll zu Luzia. Sie schob ihr eine Tasche in die Hand. Sie war aus dunkelbraunem Leder und roch nach Bienenwachs. Mit bequemen Henkeln und genügend Platz, für alles, was eine Wehmutter zur Ausübung ihres Berufes brauchte. Die Tasche war wunderschön.

      »Pass auf dich auf!«, rief die Tante und trocknete ihre Augenwinkel, »und schreib uns recht bald …«

      Schnaufend und schwitzend bog in diesem Augenblick Pater selbst in die Fischergasse. Er zog einen kleinen Handkarren hinter sich her. Erschöpft blieb er vor ihnen stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

      »Gott sei Dank, dass ich dich noch erreiche. Eigentlich haben wir uns ja bereits voneinander verabschiedet, aber ich wollte dich nicht gehen lassen, ohne dir dieses Kistchen mitzugeben. Bitte mach es auf und sieh nach, ob dir der Inhalt gefällt!« Luzia glaubte zu träumen. In der alten Holzkiste standen in Reih und Glied Ableger aller Pflanzen des Pfarrgartens.

      »Dann habe ich da noch etwas«, sagte der Pater mit einem pfiffigen Lächeln. Langsam zog er einen in Schweinsleder gebundenen Oktavband hervor.

      Die Abbildungen der Pflanzen in dem Buch waren so farbenfroh und wirklichkeitsgetreu, dass Luzia glaubte, die einzelnen Kräutlein riechen zu können.

      »Ich habe doch gesehen, wie beim Betrachten dieser Seiten deine Augen geleuchtet haben. Jetzt soll das Buch dir gehören. Es soll dich immer an unsere gemeinsame Zeit in Seefelden erinnern.«

      »Ich danke Euch von Herzen«, sagte Luzia gerührt und drückte die Hand des Paters.

      »Gott schütze dich, mein Kind, und nun macht euch endlich auf den Weg.«

      Die Holzkiste wurde neben Luzias Reisekiste auf den Karren geladen.

      »Habt tausend Dank!

      »Wir kommen dich besuchen. Vielleicht schon zu Martini!«

      Luzia nickte. Aber sie wusste ganz genau, dass weder Elisabeth noch Jakob gern die weite Strecke zurücklegen würden.

      »Jetzt aber los!«, rief Matthias ungeduldig und schwang sich auf den Bock. Er reichte Luzia die Hand und zog sie auf den Platz neben sich. Sie war ihm dankbar für seine Eile, denn länger hätte sie diesen Abschied nicht ertragen. Jakob reichte ihr den geflochtenen Korb, in dem Nepomuk saß.

      Luzia biss sich auf die Unterlippe. Als die Ochsen den Karren anzogen, atmete sie hörbar aus. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie schon eine ganze Weile den Atem angehalten hatte.

      Sie winkte, bis das Haus ihrer Zieheltern hinter den wenigen Häusern verschwunden war.

      4

      Matthias lenkte den Ochsenkarren geschickt über die festgefahrenen Pfade. Meersburg mit seiner bulligen Burganlage, den hohen Zinnen und dem Wohnturm hatten sie rasch hinter sich gelassen. Bald säumten Felder ihren Weg. Der leichte Wind hauchte den Apfelbäumen seinen Atem ein und sorgte dafür, dass die Blätter im Wind raschelten. Dazwischen blitzte azurblau der wilde Rittersporn und vereinzelt ein paar Weidenröschen. Auf manchen Feldern wurde so spät im Jahr noch Dinkel oder Einkorn geschnitten. Oft winkten ihnen die Leute, wenn sie vorbei fuhren, dann winkten sie zurück, und Luzia spürte, wie ihr das Herz wehtat. Sie schwieg und war dankbar, dass auch Matthias nichts sagte. Einzig das gleichförmige Rumpeln der Räder war zu hören. Die Wege waren trocken, staubig und furchtbar holprig. Schon nach kurzer Zeit fand Luzia alle erdenklichen Sitzpositionen so unbequem, dass ihr immer wieder ein leises Stöhnen über die Lippen kam. Jeder kleine Stein fühlte sich bald wie ein Fels an und die ausgefahrenen Spuren des Fahrwegs erweckten den Eindruck als seien es tiefe Täler. Sie dankte Matthias im Stillen, weil er ihre Sitzfläche mit einem Schaffell gepolstert hatte. Auf dem hölzernen Kutschbock hätte sie noch mehr gelitten.

      Eine Fahrt mit dem Ochsenkarren war auch aus einem anderen Grund kein Honigschlecken, denn die Ochsen zogen die Fliegen an. Sie schlugen mit den Schweifen, um sie zu vertreiben, und dann versuchten die lästigen Störenfriede in Richtung Kutschbock ihr Glück.

      Matthias, der ab und an einen scheuen Blick zu Luzia warf, hätte ihr mit Freuden eine angenehmere Reise geboten. Wenigstens mit einer harmlosen Plauderei hätte er sie gern abgelenkt. Doch wollte ihm heute nichts Gescheites einfallen. Deshalb hielt er vorerst lieber den Mund.

      Matthias hatte sich für die alte Straße entschieden. Diese führte sie ab Meersburg ins Landesinnere

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