Seelenfeuer. Cornelia Haller
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»Also ist es beschlossene Sache?«, fragte Luzia nach.
»Bruder Markus wird dich ins Herz schließen und auch du wirst ihn mögen«, versicherte Wendelin und leerte seinen Becher.
»Ich hoffe, das Kind der jungen Schäferin geduldet sich wirklich noch bis morgen. Ich möchte doch so gerne mit den anderen zum Sonnwendfeuer.«
Elisabeth nickte und legte den gewaltigen Hecht zur Seite, den sie gerade schuppte. »Natürlich gehst du hin. Wenn die Schäferin dich braucht, kann man dich benachrichtigen.« Sie seufzte tief. »Die Jugend vergeht viel zu schnell, also nutze jede Gelegenheit zum Tanz.«
Die letzten Worte kamen Elisabeth fast ein wenig traurig über die Lippen. Immerhin hatte die weise Wehmutter bereits die Vierzig überschritten. Doch sie war immer noch eine anziehende Frau. Als Jakob zu ihnen in die Küche kam, lehnte sich Elisabeth bei ihm an.
»Wollen wir auch zum Sonnwendtanz gehen?«, neckte sie ihn.
»Wenn du möchtest, begleite ich dich auch zum Sonnwendfeuer.« Jakobs Worte wurden von einem Augenzwinkern begleitet. Sein ehemals dunkles Haar glänzte mittlerweile eher silbern. Was ihn für seine Elisabeth weitaus wertvoller machte. Silber war nun einmal von höherem Wert als Ebenholz, pflegte er zu sagen. Sein Humor und sein einnehmendes Wesen machten Jakob zu einem gerngesehenen Mann in Seefelden.
»Und du gehst mit Matthias?«, wandte Jakob sich an Luzia.
Luzia hörte die hoffnungsvolle Erwartung in seiner Stimme. Sie wusste, er sähe es gern, wenn sie sich bald entschließen könnte zu heiraten.
»Du weißt, wenn du heute Nacht mit einem Burschen übers Feuer springst, bringt das lebenslanges Glück.«
»Natürlich weiß ich das, und Matthias gibt sicher einen guten Ehemann ab, aber ich bin doch noch viel zu jung zum Heiraten«, versuchte Luzia das leidige Thema zu beenden und begann das Gemüse zu putzen, das in einem Korb auf dem Tisch stand. Sie hoffte, ihr geschäftiges Tun würde ihren Onkel davon abhalten, ihr zum hundertsten Male seine Sicht der Dinge anzutragen. Himmel, wie Luzia diesen Vortrag hasste!
»Zu jung bist du sicher nicht, allenfalls zu störrisch! Dabei solltest du dich freuen, einen wie Matthias zu haben.« Großer Gott, wenn er doch nur schweigen würde, dachte Luzia, während sie den Kohlkopf auf den Tisch warf und in die kleine Vorratskammer neben der Küche stürmte.
»Jakob«, mischte sich Elisabeth mahnend ein, während sie den verbeulten Kessel auf den Haken über dem Feuer hängte.
»Ja, ja, ich meine es ja nur gut«, brummte Jakob.
Diese Unterhaltung hatten sie schon oft geführt. Jakob ärgerte sich über Luzias Starrsinn. Die wenigsten Mädchen wurden gefragt, wen sie heiraten wollten.
Obwohl Luzia in der Vorratskammer rumorte und mehr Lärm erzeugte, als nötig gewesen wäre, redete Jakob unbeirrt weiter: »Im Gegensatz zu manch anderem würde Matthias dich auf Händen tragen. Einen besseren wirst du nicht finden.«
»Ich weiß ja, dass du recht hast«, lenkte Luzia ein, während sie die Tür zur Kammer wieder schloss. Sie wusste, dass Jakob sonst keine Ruhe geben würde. »Aber einen Grobian würde ich ohnehin nicht nehmen. Und sicher auch keinen Dummen. Zudem habe ich noch so viel zu lernen, frag Pater Wendelin, wenn du mir nicht glaubst! Wie gerne würde ich einmal den Kanon der Medizin von Avicenna lesen. Oder die Physica sowie die Causae et curae, welche beide von der großartigen Hildegard von Bingen verfasst wurden«, schwärmte Luzia, während ihre Hände den Kohlkopf zerteilten.
Jakob nickte. »Ich weiß, und ich wünsche es dir auch von ganzem Herzen, dass du Gelegenheit zum Studium dieser Bücher bekommst. Aber ich kann dir versichern, Matthias würde dir keinen Stein in den Weg legen.«
»Wahrscheinlich nicht, aber Matthias ist eben fast wie ein großer Bruder für mich. Ich mag ihn – aber heiraten könnte ich ihn nicht«, entgegnete Luzia beharrlich. »Außerdem ist er einfach ein Kindskopf.«
Elisabeth knuffte Jakob in die Seite. »Jetzt lass es gut sein! Wir wissen doch, wie Luzia über eine Heirat denkt, oder etwa nicht?«
Jakob gab sich geschlagen und nickte. Der Gedanke, seine starrköpfige Nichte könnte einmal einen Mann heiraten, der sie schlug oder ihr gar noch Schlimmeres antat, erfüllte Jakob mit Grauen. Natürlich gab er Luzia recht: Matthias hatte immer irgendwelche Grillen im Kopf, aber bei ihm hätte sie es gut. Und seine Nichte war auch nicht ohne. Im Gegensatz zu ihr war ein Esel geradezu einsichtig. Und was war eigentlich so falsch daran, dass er ihr einen geeigneten Mann wünschte? Einen, der bereit sein würde, ihre stürmische Natur allenfalls ein wenig zu bändigen. Und es war doch wichtig, dass sie heiratete. Eine unverheiratete Frau besaß keinerlei Rechte und war völlig schutzlos. Sie durfte nichts kaufen, was über Lebensmittel oder Haushaltswaren hinausging, noch etwas anderes verkaufen. Was sollte denn aus Luzia werden, wenn er und Elisabeth eines Tages nicht mehr sein würden?
Der Duft der Sommernacht war überwältigend. Süß und fruchtig brachte er die Kunde schwerer, reifer Sommerfrüchte. Jetzt bot die Natur alles im Überfluss und die Menschen schwelgten in dieser Fülle. Sie feierten den Sommer und mit ihm das Licht, das schon bald wieder sterben würde.
Ein sanfter Wind streifte Luzias warme Haut. Nepomuk strich um ihre Röcke und tat seine Ungeduld mit einem lauten Maunzen kund.
Mit wiegenden Schritten verließ Luzia die schmale Fischergasse und bog landeinwärts in die Schilfgasse ein. Hier standen die Häuser dicht an dicht. Am Ende der schmalen Gasse wohnte ihre Freundin Magdalena.
Luzia war froh, sich für das leichte Kleid aus moosgrünem Flachs entschieden zu haben. Es bildete einen lebhaften Kontrast zu ihrem feurigen Haar. Noch froher war sie allerdings über den glimpflichen Ausgang des Disputs mit ihrem Onkel. Luzia wusste, dass er sich im Grunde nur Sorgen um ihre Zukunft machte, aber trotzdem … Sie atmete seufzend aus.
»Luzia, na endlich, ich dachte schon, die Schäferin hätte dich im letzten Augenblick doch noch gerufen.« Das war die Stimme von Magdalena, die vor dem Haus auf sie wartete.
Luzia schüttelte den Kopf.
»Als ich heute Morgen bei ihr war, sah es nicht danach aus, als habe es das Kleine sonderlich eilig.«
Arm in Arm machten sie sich auf den Weg Richtung Seeufer. Die Freundinnen erreichten schon bald den moosbewachsenen Weg, der sie durch den kleinen Riedwald bis ans Ufer des Bodensees führte. Erdig, feucht, fast ein wenig saftig roch das Moos in der warmen Sommernacht. Sie folgten der in großen Schwüngen verlaufenden Seefelder-Ache. Den murmelnden Bach säumten viele knorrige Weiden. In der Dämmerung wirkten sie wie alte, weise, ehrwürdige Weiber, wie silberweiße, lichtgrüne Nebelfrauen. Luzia liebte die riesigen Bäume, deren weit hinabhängenden Äste teilweise den kleinen Fluss berührten, als würden sie ihn sanft streicheln. Sonst war es zwischen den alten Bäumen einsam und still, aber heute trug der milde Abendwind neben dem Duft von Seegras auch die Stimmen der jungen Leute herüber. In einem Halbrund öffneten sich die Bäume zum Ufer des Bodensees. Zusammen mit der gewaltigen Landzunge, die weit in den See hinausragte, entstand ein großer, fast runder Platz. Die untere Grenze bildete das Wasser.
Hier am Ufer des Sees war Perchta, die uralte Erdenmutter, noch immer allgegenwärtig. Aus jedem Stein, jedem Tropfen Wasser, ja selbst aus der prickelnden Abendluft strahlte ihre Anwesenheit und verzauberte die Menschen.
Als sie den Platz erreichten, sahen sie, dass die Burschen des Dorfes bereits das Feuerholz aufgeschichtet