Der kleine Fürst Staffel 13 – Adelsroman. Viola Maybach
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Читать онлайн книгу Der kleine Fürst Staffel 13 – Adelsroman - Viola Maybach страница 6
Gitta ließ sich auf einen Stuhl fallen. Sie war eine attraktive Rothaarige von Anfang Dreißig mit traurigen Augen. »Ich fasse es nicht«, sagte sie. »Er wird dich unglücklich machen, Corinna.«
»Wird er nicht, ich bin doch überhaupt nicht verliebt in ihn, Gitta«, beteuerte Corinna.
»Und warum triffst du dich dann mit ihm?«
»Weil ich ihn nett finde, deshalb. Man kann mit einem Mann auch nur befreundet sein.«
Gitta stand wieder auf und ging zur Tür, wo sie sich noch einmal umdrehte und mitleidig sagte: »Es mag Männer geben, mit denen das möglich ist, Kleine, aber Felix gehört ganz bestimmt nicht dazu.« Nach diesen Worten ging sie.
Im Laufe des Tages musste Corinna feststellen, dass der halbe Sender zu wissen schien, mit wem sie an diesem Abend verabredet war. Ihr folgten mitleidige, aber auch neidische Blicke, und sie empfand so manchen Gang als Spießrutenlauf. Doch beirren ließ sie sich nicht. Sie war schließlich erwachsen, sie konnte selbst entscheiden, mit wem sie essen gehen wollte.
Nur wenn sie an Oliver dachte, ihren toten Bruder, meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Es war nicht richtig, dass sie noch lebte und sich verabredete, während er …
Jedes Mal drängte sie diesen Gedanken rasch beiseite, denn er nahm ihr die Luft zum Atmen.
*
»Ich dachte, wir beide könnten zusammen hinfahren und den Scheck überreichen, Chris«, sagte Baronin Sofia zu ihrem Neffen.
Prinz Christian von Sternberg war ein schlanker, groß gewachsener Junge mit ziemlich langen dunklen Haaren und ernsten Augen. Unvermittelt konnte ein Lächeln in seinem Gesicht aufleuchten, dann erst merkte man, wie jung er noch war. Die Trauer um seine Eltern hatte ihn vor der Zeit reifen lassen, die meisten Menschen, die ihn zum ersten Mal sahen, hielten ihn für älter.
Er nickte stumm, sah seine Tante dabei aber nicht.
»Wenn es zu schmerzlich für dich ist, fahre ich allein«, sagte sie. »Aber wir haben sie ja seit damals nicht wiedergesehen, weil sie das auch nicht wollte. Doch jetzt kommt es mir so vor, als wäre es an der Zeit …«
Der Junge unterbrach sie. »Ich habe selbst auch schon daran gedacht, Tante Sofia, aber dann hatte ich Angst. Es gibt sowieso Tage, an denen alles wieder hochkommt, und die sind besonders schwer. Gerade jetzt ist wieder so eine Zeit.«
Sie ging zu ihm, um ihn zu umarmen. »Weil es bald ein Jahr her ist«, sagte sie ruhig. »Es geht mir genauso. Und dann steht ja auch der Sommer vor der Tür, alles fängt wieder an zu leben …« Sie brach ab, ihre Augen wurden feucht.
»Letztes Jahr, als der Sommer vor der Tür stand, haben sie noch gelebt«, sagte Christian leise.
»Ja, ich weiß.«
»Ich komme mit dir, Tante Sofia. Wann willst du denn hinfahren?«
»Ich dachte, gegen Ende der Woche. Du musst ja auch Zeit haben, und ihr habt ja immer so lange Unterricht.«
»Am Samstag?«, fragte er.
»Ja, Samstagmittag wäre vielleicht eine gute Zeit. Ich werde Herrn Hagedorn bitten, uns anzumelden, sie soll sich nicht überrumpelt fühlen.«
Eberhard Hagedorn war Butler im Schloss, seit vielen Jahren schon. Er war als junger Mann nach Sternberg gekommen, hatte nie eine andere Stelle innegehabt. Er war eine Respektsperson, nicht nur für die Angestellten. Auch die Teenager hörten auf ihn, Anna und Christian hatten ihm schon einige Geheimnisse anvertraut. Sie wussten, dass sie bei Eberhard Hagedorn gut aufgehoben waren. Darüber hinaus hatte er sie auch schon bei einigen ihrer Abenteuer unterstützt, ohne das jemals wieder erwähnt zu haben. Er war, in jeder Hinsicht, ein ganz besonderer Mensch.
»Ist gut, Tante Sofia.«
Eberhard Hagedorn erledigte also den Anruf und teilte wenig später mit: »Sie werden am Samstagnachmittag zum Tee erwartet, Frau Baronin, zusammen mit Prinz Christian.«
»Danke, Herr Hagedorn.« Sofia schob den Scheck sorgfältig in einen Umschlag, beschriftete ihn und legte ihn mitten auf ihren Schreibtisch, damit sie ihn am Samstag nicht etwa vergaß.
*
»Willst du zum Essen bleiben?«, fragte Maren. Corinna war wieder einmal vorbeigekommen, wie sie es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, wenn ihre Zeit es eben zuließ.
»Nein, ich …, ich muss noch arbeiten«, log Corinna. Sie fühlte sich elend. Sie hatte ihre Schwägerin noch nie angelogen, warum tat sie es dann jetzt? Aber es schien undenkbar zu sein, die Wahrheit zu sagen, denn die lautete: Sie ging mit einem Mann aus, der ihr sehr gefiel. Mit einem Mann, an den sie ständig denken musste, obwohl er einen schlechten Ruf hatte. Interessierte er sie vielleicht gerade deshalb? Sie wusste die Antwort nicht. Jedenfalls konnte sie Maren die Wahrheit nicht sagen, denn damit hätte sie ja auch zugegeben, dass ihre Trauer um Oliver nicht länger das beherrschende Thema für sie war, sondern dass sie allmählich anfing, sich dem Leben wieder zuzuwenden.
»Schade«, sagte Maren arglos. »Die Kinder hätten sich gefreut. Ich glaube, sie sind froh, wenn sie nicht mit ihrer traurigen Mutter allein sein müssen. Ich weiß, dass ich mich anders verhalten sollte, Corinna, aber ich schaffe es einfach nicht.« Sie deutete Corinnas Gesichtsausdruck falsch und entschuldigte sich erschrocken. »Ich wollte damit nicht sagen, dass du nicht traurig bist, wirklich nicht. Aber zumindest weinst du nicht so oft wie ich und kannst besser verbergen, wie es in dir aussieht.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Siehst du?«, setzte sie flüsternd hinzu. »Es geht schon wieder los.«
Corinna nahm sie in die Arme. »Du machst doch alles richtig, Maren. Du bist immer für Lili und Paul da, das ist das Wichtigste. Und sie wissen doch, warum du weinst. Hör mal, ich bleibe morgen Abend zum Essen, in Ordnung?«
Maren nickte, wischte sich die Tränen ab und lächelte schon wieder. »Entschuldige bitte, ich gehe mir manchmal selbst auf die Nerven.«
»Ich weiß, wie du dich fühlst«, versicherte Corinna. »Gibt es etwas Neues?«
Maren zögerte mit der Antwort. Dann setzte sie zum Reden an, bemerkte aber, dass Corinna verstohlen auf die Uhr sah, und so entschied sie anders. Was sie zu erzählen hatte, konnte warten. »Geh schon, wenn du noch arbeiten musst. Wir sehen uns dann ja morgen. Und danke, dass du trotzdem noch vorbeigekommen bist.«
Mit einer innigen Umarmung verabschiedeten sich die beiden Frauen voneinander.
*
Moritz saß allein im Büro und wartete auf eine Praktikantin, die sich vorstellen wollte. Felix war im Studio, wo gerade Kulissen für eine neue Serie aufgebaut wurden, die ab der nächsten Woche gedreht werden sollte. Hoffentlich kam das Mädchen bald, er wäre nämlich auch sehr gern ins Studio gegangen. Das war immer eine willkommene Abwechslung für Schreibtischtäter.
Als es klopfte und gleich darauf eine Frau hereinkam, traute er seinen Augen nicht. Die Praktikantin konnte es kaum sein, denn die war achtzehn Jahre alt und hatte gerade Abitur gemacht. Diese Frau hier war mindestens dreißig, hatte hellwache Augen in einem Gesicht, von dem er nicht genau wusste, ob er es hübsch nennen würde. Es war auf jeden Fall ein interessantes Gesicht: der Mund ein bisschen zu groß, die Nase leicht aufwärtsgerichtet, die Augen schräg gestellt.