Zauberwalzer. Barbara Cartland
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»Wir haben glücklicherweise eine Zuflucht gefunden«, sagte er laut und verließ, ohne auf Henrys Fluchen zu hören, den Raum.
Man hatte den während des Kongresses in Wien weilenden Monarchen und ihrem jeweiligen Gefolge die schönsten Räume der Hofburg überlassen, und da der Zar mit den meisten Begleitern angereist war, hatte er sich den Löwenanteil der verfügbaren Räume gesichert. Sein privater Salon war ein entzückendes Zimmer, dessen Fenster auf die Gärten im französischen Stil hinausgingen und dessen Einrichtung von Gold und Silber glänzte.
Alexander I. war siebenunddreißig Jahre alt, aber er wirkte viel jünger. Er hatte feingeschnittene, regelmäßige Gesichtszüge und eine große, majestätische Figur. Wie einer seiner Kritiker zutreffend bemerkt hatte, war er die ideale Besetzung der Rolle, die er spielte.
Als Richard den Salon betrat, begrüßte ihn der Zar mit einem gewinnenden Lächeln und sagte mit geradezu jungenhafter Ungeduld: »Richard, ich habe eine Idee für heute abend.«
»Für heute abend, Sire?« fragte Richard.
»Ja, du weißt doch, der Maskenball. Wir werden uns alle maskieren, aber jeder weiß, daß wir Majestäten uns nicht so verkleiden, daß man nicht wüßte, wer wir sind. Ich möchte, daß du an meiner Stelle gehst.«
»An Ihrer Stelle, Sire? Ich kann Ihnen leider nicht ganz folgen.«
»Nun, beim letzten Maskenball habe ich auf alle Orden verzichtet - bis auf das Großkreuz von Schweden. Heute abend mache ich es genauso, nur daß du es an meiner Stelle und in meiner Uniform tragen wirst.«
»Ich verstehe, Sire, aber glauben Sie wirklich, wir könnten so die anderen Ballbesucher täuschen?«
»Warum nicht? Schließlich sind wir doch verwandt.«
»Aber doch nur sehr entfernt, und ich dachte eigentlich immer, ich sehe ziemlich Englisch aus.«
Der Zar jedoch zog Richard in seiner Begeisterung vor den Spiegel, der in einer Ecke des Raums stand.
»Sieh selbst«, befahl er.
Richard mußte zugeben, daß in der Tat eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen bestand. Sie waren beide blond und hatten die gleiche Größe und eine ähnliche Statur, besaßen das gleiche entschlossene Kinn und die feingemeißelte Nase. Nur die Augen und der Gesichtsausdruck waren sehr verschieden.
»Siehst du, was ich meine?« fragte der Zar. »Das Haar läßt sich ähnlich kämmen. Das besorgt Butinski, mein Friseur, und den Rest verbirgt die Maske. Ich habe eine etwas hellere Haut, aber da hilft sicher etwas Puder. Wenn du den Saal zusammen mit den anderen Monarchen betrittst, wird niemand Verdacht schöpfen.«
»Und Sie, Sire?« fragte Richard, dem die Idee allmählich ebenfalls gefiel.
»Heute abend werde ich tanzen können, mit wem ich will, und alle werden sie mir die Wahrheit sagen. Ich möchte wissen, was der normale Bürger in Wien von mir hält.«
»Das kann unvorhersehbare Schwierigkeiten heraufbeschwören«, sagte Richard warnend, »aber wenn es Ihnen Spaß macht, dann bin ich dabei.«
»Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann«, sagte der Zar. »Ich freue mich schon ganz schrecklich auf heute abend. Der Tag war ziemlich unangenehm. Metternich erwies sich als ziemlich widerspenstig. Ich glaube, ich bin bald der Einzige der hier versammelten Herrscher und Staatsmänner, der die Ideale und Prinzipien der christlichen Freiheit hochhält.«
Richard war klar, daß Alexander wirklich glaubte, was er sagte. Den meisten Kongreßteilnehmern fiel es allerdings schwer, dem Zaren diese Rolle abzunehmen, wenn man bedachte, wie autokratisch er in Rußland herrschte.
»Weiß der Kaiser von Ihrem Plan?« fragte Richard.
Er wollte von der polnischen Frage ablenken, da er das Thema schon zu oft mit dem Zaren diskutiert hatte.
Der Zar lachte.
»Natürlich nicht, niemand soll davon erfahren, nicht einmal Katharina.«
»Ich schätze, ich werde die Rolle des Zaren sicher nur halb so gut spielen wie Sie die meine.«
Der Zar musterte ihn kritisch.
»Vergiß nicht, noch etwas Puder aufzulegen. Ich glaube kaum, daß mir deine Sonnenbräune stehen würde.«
»Die Wiener Damen haben mir versichert, daß es an Ihrem Aussehen eigentlich nichts zu verbessern gibt.«
Der Zar lächelte.
»Die Damen schmeicheln mir. Aber ehrlich, Richard, ich bin ganz stolz auf meine Idee. Wir gehen folgendermaßen vor: Sobald das Diner vorüber, ist, werde ich hier heraufkommen, wohin du mir unauffällig folgst. Hier wirst du dir meine Maske und mein Kostüm anziehen. Dann verläßt du den Raum, und jeder denkt, daß ich es bin. Unten wartet die Zarin dann auf dich.«
»Sobald ich mit ihr rede, wird sie alles merken«, wandte Richard ein.
»Es besteht kein Grund, mit ihr zu sprechen«, entgegnete der Zar. »Du gehst nur an ihrer Seite zum Ballsaal. Ihr werdet spät dran sein, und die übrigen Gäste werden euch bereits ungeduldig erwarten. Sobald ihr den Ballsaal erreicht, mischst du dich unter die Tänzer.«
»Ich sehe, Sie haben an alles gedacht, Sire«, sagte Richard.
»In einem Krieg muß man selbst die kleinste Einzelheit sorgfältig bedenken«, erwiderte der Zar.
»In einem Krieg, Sire?« fragte Richard.
»Und, im Frieden«, sagte der Zar rasch. »Heute abend kämpfe ich gegen die Einsamkeit an, die den Herrscher umgibt.«
»Und ich, Sire, gehe für Sie auf Abenteuersuche«, sagte Richard lachend.
3
Als die Kutsche langsam durch die engen Straßen fuhr, in denen ein reger Verkehr herrschte, fühlte Elisabeth sich plötzlich ganz jung und sehr hilfsbedürftig.
War es wirklich so klug gewesen, allein nach Wien zu fahren? Ohne Begleitung wagte sie, das Mädchen vom Lande, sich zu einem gesellschaftlichen Ereignis. Sie dachte an ihre Kleider in den großen Lederkoffern; sicher würden sie hier völlig provinziell wirken. Nur gegen den ausdrücklichen Wunsch der Schwestern ihres Vaters hatte sie sich auf den Weg in die große Stadt gemacht. Die Tanten hätten sie an der Reise gehindert, wenn dies möglich gewesen wäre, aber man konnte die letzten Wünsche ihrer Mutter nicht einfach übergehen. Bis zuletzt hatten die Tanten geunkt, daß nichts Gutes dabei herauskommen könnte.
Jetzt fragte sie sich, ob sie nicht doch recht gehabt hatten. Außer dem Fürsten kannte sie wirklich niemanden. Zugegeben, er war sehr freundlich gewesen. Immer noch war sie ganz aufgeregt, daß er sie nicht nur