Luis Suárez. Luca Caioli
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Zu Luis’ Glück hielten Wilson Píriz sowie José Luis Espósito, der damals ebenfalls für den Nachwuchs zuständig war (und später als Busfahrer arbeitete), dagegen. Diese beiden Männer hatten seinerzeit Schlüsselpositionen bei Nacional inne. Selbst Luis gibt heute ehrlich zu, dass sie ihn davor bewahrten, in Ungnade zu fallen. Píriz selbst drückte sich hingegen sehr vorsichtig aus: „Ich gehörte zu den Leuten, die ihn wieder auf den rechten Weg brachten, als es für ihn bei Nacional nicht lief und er in der Mannschaft keine Rolle mehr spielte, ja. Aber ich war nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Ich habe ihn verteidigt, und irgendjemand hat mir zugehört. Also durfte Luis beim Verein bleiben.“
Aber Píriz redete nicht nur mit den Verantwortlichen im Verein und überzeugte sie nach langen Diskussionen. Er sprach auch mit dem Spieler selbst, um ihm klarzumachen, was Sache war: „Ich habe ihm gesagt, dass sein Verhalten nicht den Erwartungen entsprach. Wenn er nicht wieder in Topform käme, müsse er gehen. Ich habe ihm erklärt, dass er seinen Lebensstil überdenken solle, in sportlicher und persönlicher Hinsicht. Dass er nun mal hart arbeiten müsse, um Fußballprofi zu werden. Er hat die Botschaft kapiert, seine zweite Chance genutzt, und heute ist er ein Weltklassespieler.“
Auf die Frage, was im damals 14-jährigen Suárez vorgegangen sei, meinte Píriz: „In dem Alter hat ihn die Familiensituation schon sehr beschäftigt. Außerdem war Luis ein Teenager wie jeder andere auch und hat gerne mit Freunden gefeiert, ist auf Geburtstage gegangen. Darauf wollte er nicht verzichten. Er ist ja schon immer zum Training erschienen, aber bei den Spielen hat er dann halt zu wenig Schlaf gehabt, um voll durchzuziehen. Sein Lebensstil war kontraproduktiv. Aber Luis war clever genug, das einzusehen. Er hat auf seinen Bruder Paolo, auf seine Mutter und auf Sofía gehört – seine damalige Freundin und heute seine Frau – und ist aus dem Loch herausgeklettert.“
Welchen Rat er dem zukünftigen Star gegeben habe, wollte ich wissen. „Ich habe ihm beigebracht, was mich das Leben gelehrt hat: ein guter Mensch zu sein, ein aufrechter Kerl; keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen, an sich selbst zu glauben und für die eigenen Ziele hart zu arbeiten. Ich wollte einfach nur, dass er sich klar darüber wird, welchen Weg er gehen will“, sagte Píriz. „Ich hatte ebenfalls eine schwierige Kindheit: Auch meine Mutter musste meine Schwester und mich alleine großziehen. Die ganzen Probleme, die Luis durchlebte, hatte ich selbst mitgemacht. Ich wollte ihn einfach an meinen Erfahrungen teilhaben lassen. Bei Nacional haben wir ihn überall, wo es möglich war, unterstützt. Wir konnten ihm nicht den Vater ersetzen, aber wir konnten alles dafür tun, damit er sich verstanden und unterstützt fühlte.“
Fazit seines Mentors von damals: „Ich habe selbst Kinder, und Luis war wie ein Sohn für mich. Ich habe immer an ihn geglaubt und darauf gewettet, dass aus ihm mal etwas wird, weil ich ihn eben kannte. Er hatte etwas in der Birne, war zielstrebig, erfolgshungrig und hatte viel Herz. So wurde er zu der Persönlichkeit und dem Fußballspieler von heute. Aufgrund seines großen Herzens, seiner offenen und unkomplizierten Art mögen ihn auch seine Mannschaftskollegen, seine Trainer und die Funktionäre.“
In der Tat – mit Herz, Willen und seinen Toren ließ Lucho die unruhigen Zeiten hinter sich und schaffte den Durchbruch in der Jugend. Ricardo Perdomo, Trainer der U15, gab ihm in der Copa Rivera gegen San Eugenio aus Artigas eine neue Chance, sich zu beweisen. Zwar saß Suárez zunächst nur auf der Bank. Dann aber verletzte sich Bruno Fornaroli, damals ebenfalls bei den Bolsos, und Luis wurde eingewechselt. Nacional siegte mit 5:1, und er erzielte vier Treffer. Am Folgetag das gleiche Spiel: 5:0 gegen Oriental und wieder ein Viererpack.
Von da an gehörte Luis fest zur Stammelf. Bis Saisonende schoss er insgesamt 25 Tore, 2003 waren es sogar 63. Damit verfehlte er den Rekord von Rubén Sosa – dem deutschen Leser vielleicht noch aus der Saison 1995/96 in Dortmund bekannt – nur um einen Treffer. Mathías Cardacio, der gemeinsam mit Luis durch die Jugend von Nacional ging und bis vor kurzem bei Defensor Sporting im zentralen Mittelfeld spielte, erinnert sich: „Ich habe noch so ein Spiel gegen Huracán de Paso de la Arena im Kopf, in dem Luis elf Buden gemacht hat. Er war der Toptorjäger im 87er-Jahrgang. Ein Siegerjahrgang. Wir hatten eine richtig starke Truppe und einen fantastischen Angriff. Luis, Martín [Cauteruccio, heute bei San Lorenzo in Buenos Aires unter Vertrag] und Bruno waren in der Lage, zusammen 50 oder mehr Tore pro Saison zu schießen. Die waren so gut, dass sie alle Wettbewerbe in ihrer Altersklasse gewonnen haben. Luis und ich waren wie Brüder, wir haben ständig herumgeflachst und eine super Zeit gehabt. Er war ein dufter Typ, immer ein Lächeln auf den Lippen, immer für einen Lacher gut. Wir haben auch Pläne zusammen geschmiedet.“
Nur eins habe Luis die Laune verhagelt: „Was er nicht abkonnte, waren Niederlagen. Außerdem wollte er in jedem Spiel treffen, in jedem. Wenn er kein Tor geschossen hatte, war er ungenießbar.“ So wie bei einer Partie, in der Nacional gegen Tacuarembó zwar 3:0 gewann, Luis aber wie schon die ganze Woche torlos geblieben war. Fuchsteufelswild stürmte er unter die Dusche und heulte vor Wut. Das war 2003, als Suárez für zwei Jahrgänge gleichzeitig spielte: die U17 und U19.
Ricardo Perdomo, auch genannt „El Murmullo“, „der Flüsterer“, weil seine Stimme wie ein Flüstern klingt, erzählte: „Samstag spielte er für die eine Mannschaft, Sonntag für die andere. Manchmal hat er in einer Woche in drei verschiedenen Jahrgängen gespielt. Ihm machte es auch nichts aus, wenn er am Wochenende nicht frei hatte. Er wirkte nie traurig, weil er andere Dinge im Leben verpasste. Fußball war und ist sein Leben. Den liebt er. Das kannst du schon daran sehen, wie er seine Tore bejubelt. Egal, ob es das dritte oder das vierte ist, er feiert mit der gleichen Ausgelassenheit wie bei einem alles entscheidenden Treffer.“
Perdomo war von 2002 bis 2005 Luis’ Trainer. Anschließend wurde der damals 18-jährige auf Perdomos Rat hin zu den Profis von Nacional befördert. Ricardo Perdomo, Jahrgang 1960, war selbst Profi bei Nacional, Rayo Vallecano in Madrid, River Plate in Buenos Aires und Union Española in Santiago de Chile. Einen Cappuccino schlürfend, ließ er die Jugendzeit von „El Pistolero“ Revue passieren.
„Was ich an Luis so mochte, war seine Lernfähigkeit. In nur zwei Jahren hat er sich das Wissen, die Versiertheit und die technische Beschlagenheit angeeignet, die andere Jungs nicht hatten oder für die sie viel länger brauchten. Er war ständig im Lernmodus und hat jede Trainingseinheit als Chance gesehen, besser zu werden. Er hat sich Ziele gesetzt und dann wie verrückt gearbeitet, um sie zu erreichen. Er machte es sich zur Aufgabe, das Kopfballspiel zu verbessern, den Ball sauberer zu passen, den linken Fuß zu stärken und bessere Freistöße zu schießen.“
Eingreifen musste Perdomo nur bei einer Sache: „Bei seiner Ungeduld, weil er möglichst schnell vor das Tor kommen wollte. Manchmal war sein Torhunger einfach zu groß. Er hatte den Ball noch gar nicht richtig abgespielt, da rannte er schon schnurstracks in Richtung gegnerischer Strafraum. Ich fragte ihn, woher denn ein gutes Zuspiel kommen solle, ein Pass in den freien Raum oder eine Flanke, wenn die Ablage nicht stimmte. Und außerdem, wenn er immer wieder denselben Spielzug versuchte, dann würde ein guter Verteidiger nach zwei oder drei Versuchen wissen, was Sache ist. Also haben wir das tausendmal im Training geübt. Das Wichtigste ist die sauber gespielte Ablage; erst der Pass, dann die Aktion.“
Der ehemalige Trainer fuhr fort: „Heute sehen wir das Ergebnis der vielen harten Arbeit. Es ist faszinierend, zu beobachten, wie leicht Luis zum Abschluss kommt: zwei merkwürdige Pirouetten, und zack, ist er in Schussposition. Auch charakterlich ist er über jeden Zweifel erhaben. Er gibt nie einen Ball verloren. Zu den Kindern, die ich trainierte, habe ich immer gesagt: ‚Wenn ihr einem oder zwei Bällen hinterhergeht, habt ihr eine oder zwei Chancen. Aber wenn ihr zehn Bällen hinterhergeht, habt ihr automatisch mehr Torchancen.‘ Luis musste man das aber sowieso nicht zweimal sagen. Der hat das ja immer so gemacht. Neben dem Platz war er ein normaler, herzlicher Typ, aber auf dem