Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
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»Ausgerechnet der Schönauer!« stöhnte er auf.
Harald Schönauer war der Chef eines Konkurrenzunternehmens. Das heißt, eine wirkliche Konkurrenz war er nicht, denn anders als die Firma Kreuzer stellte die Schönauer GmbH billige Dutzendware her, die im Ausland gefertigt und dann in Warenhäusern und Billigmärkten für wenige Cent verkauft wurde. Doch inzwischen liebäugelte er auch mit der Produktion hochwertiger Füllfederhalter und Kugelschreiber, und Anteile an der Firma Kreuzer würden ihm den Weg in dieses Segment ebnen.
»Du sagtest, er habe dir ein Angebot gemacht…«
Kurt Kreuzer räusperte sich laut und wich dem Blick seines Sohnes aus.
»Er hat gemeint, wir sollten uns zusammentun. Sowohl geschäftlich als auch familiär…«
Es dauerte einen Moment, ehe der Groschen fiel, dann sah der Sohn den Vater an, als habe der eben den Untergang der Welt angekündigt.
»Wie bitte?« hauchte Stefan tonlos.
Sein Vater hob beschwichtigend die Hand.
»Es ist ja erstmal nur ein Vorschlag«, sagte er.
Indes klang es recht lahm.
»Ich möchte dich bitten, in aller Ruhe darüber nachzudenken, bevor du eine Entscheidung triffst«, fügte Kurt Kreuzer hinzu.
Der Juniorchef stellte mit einer heftigen Bewegung seine Tasse zurück, daß es schepperte. Erregt sprang er auf.
»Schlag dir das aus dem Kopf, Vater«, rief er. »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
*
Johanna Kramer erwachte nach einem langen traumlosen Schlaf und fühlte sich viel besser als am Abend zuvor. So recht hatte sie sich kaum an den Schönheiten des Dorfes und an ihren Aufenthalt in St. Johann erfreuen können. Während ihres Spaziergangs am Nachmittag mußte sie immer wieder daran denken, daß dieser Urlaub eigentlich ganz anders hätte verlaufen sollen.
Zu zweit hatten sie fahren wollen, Jürgen und sie. Doch dann war von einem Tag auf den anderen alles anders gekommen.
Jürgen Berthold arbeitete in derselben Firma wie Johanna. Zuerst war es nur Sympathie, die sie füreinander empfanden, doch nachdem der Prokurist die attraktive Sekretärin mehrmals ausgeführt hatte, kam auch noch die Liebe ins Spiel. Zwar waren sie darauf bedacht, es nicht gleich an die große Glocke zu hängen, aber auf einer Betriebsfeier ließ es sich nicht mehr länger verheimlichen, daß sie ein Paar waren. Johanna machte es nichts aus, ihr war es egal, was die anderen dachten. Jürgen indes schien nicht davon begeistert. Den Grund dafür sollte sie schon bald erfahren.
Am nächsten Tag kam eine Kollegin und erzählte ihr brühwarm, daß sie und Jürgen Berthold bis vor kurzem zusammen gewesen wären und sie ihm den Laufpaß gegeben habe, weil er ein untreuer Casanova sei, der jeder Frau nachstieg.
Johanna war geschockt und wollte es nicht glauben. Doch die bittere Wahrheit ließ nicht lange auf sich warten. Am übernächsten Abend, es war ein Freitag, sagte Jürgen eine Verabredung mit ihr ab und gebrauchte dazu die eher fadenscheinige Begründung, er müsse zu seinen Eltern fahren.
Natürlich stellte sie die Frage, warum er sie nicht mitnehmen wolle. Schließlich hätten sie ja nichts zu verbergen. Aber davon wollte er nichts wissen. Daraufhin tat Johanna etwas, das sie besser unterlassen hätte. Sie postierte sich vor dem Haus, in dem Jürgen wohnte, und wartete. Vor zwanzig Minuten hatten sie noch telefoniert, jetzt, nachdem eine halbe Stunde vergangen war, kam er heraus, mit einer anderen Frau im Arm. Es war die Kollegin…
Johanna saß in ihrem Auto und kämpfte mit den Tränen. Sie sah die beiden in Jürgens Auto steigen und davonfahren. Einem ersten Impuls folgend, wollte sie hinterher. Doch dann zwang sie sich, nach Hause zu fahren.
Es wurde ein fürchterliches Wochenende!
Am Montag darauf stellte sie ihn zur Rede, und Jürgen gab zu, die beiden Tage mit seiner früheren Freundin verbracht zu haben. Er bat sie inständig um Verzeihung, doch für Johanna stand fest, daß diese Beziehung zu Ende war.
Ein kurzer Rausch von nicht mehr als vier Wochen, und zurück blieb ein bitteres Gefühl der Enttäuschung. Dabei hatten sie schon so viele Pläne gehabt, über einen gemeinsamen Urlaub gesprochen und konkret überlegt, wohin die Reise gehen sollte. Jürgen war ein begeisterter Surfer, und Johanna hätte es gern gelernt, auf einem Brett zu stehen und sich von dem Wind davontragen zu lassen. Ans Mittelmeer sollte es gehen, wo sie einen Kurs machen und den Surfschein erwerben sollte.
Statt dessen spazierte sie nun durch ein Alpendorf, ganz allein und den Kopf voller trüber Gedanken.
Zum Abendessen war sie in den Biergarten des Hotels gegangen, da es in der Pension nur Frühstück, sonst aber keine Speisen gab. Doch das Essen schmeckte ihr kaum, obwohl es sicher recht gut war. Früh kehrte Johanna in die Pension zurück und ging ins Bett. Mit einem Buch versuchte sie, sich von dem Gedanken an Jürgen Berthold abzulenken und in den Schlaf zu lesen. Aber das gelang ihr erst nach Mitternacht, doch dann glitt sie rasch hinüber.
Jetzt sprang sie aus dem Bett und öffnete den Vorhang vor dem Fenster. Strahlendblauer Himmel begrüßte sie. Johanna ging unter die Dusche, und als sie wenig später zum Frühstück kam, lachte Marion Trenker sie an.
»Guten Morgen, Frau Kramer«, sagte die Wirtin. »Haben Sie gut geschlafen?«
»Das habe ich«, nickte sie. »Ganz wunderbar sogar.«
»Das macht die gute Luft bei uns«, scherzte Marion. »Und die sorgt auch für einen gesunden Appetit. Ich habe im Garten gedeckt.«
Auf dem Rasen standen Tische und Stühle, hübsch eingedeckt. An manchen saßen schon andere Gäste und frühstückten in der warmen Morgensonne.
Johanna hatte einen Tisch für sich allein, der unter einer hohen Ulme stand. Marion Trenker erkundigte sich nach ihren Wünschen und brachte schon bald darauf den Kaffee, Brot und frische Semmeln, eine Aufschnittplatte, Honig und Marmelade. Das Ei wurde frisch gekocht, und wer wollte, konnte es auch gebraten bekommen.
»Das ist ja viel zuviel«, protestierte die Sekretärin.
»Ach was.« Marion schüttelte den Kopf. »Essen Sie nur ordentlich. Dann können Sie sich das Mittagessen sparen.«
Johanna ließ sich viel Zeit. Zwischendurch kam Andreas Trenker und begrüßte sie. Den Cousin des Geistlichen hatte sie gestern noch nicht kennengelernt. Er wünschte ihr einen schönen Aufenthalt in der Pension und gab ihr Tips, was man in St. Johann und Umgebung alles unternehmen konnte.
Darüber, was sie hier eigentlich machen wollte, hatte Johanna noch gar nicht so richtig nachgedacht, als sie den Urlaub buchte. Sie hatte das erstbeste Angebot akzeptiert, das man ihr im Reisebüro unterbreitete.
»Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben«, hatte sie gesagt.