Messi. Luca Caioli
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Der auch als Billy bekannte Gustavo Ariel Rodas, der andere Star jener Mannschaft, ist das Gegenstück zu Leo, nämlich der Beweis dafür, dass Talent nicht automatisch zum Erfolg führt. Billy war ein offensiver Mittelfeldspieler mit einer ausgezeichneten Technik. Auch er stammte aus Rosario, war jedoch in einem Elendsviertel zur Welt gekommen. Mit 14 war er bereits Einwechselspieler in der 1. Mannschaft von Newell’s und wurde auch zum ersten Mal Vater. Noch vor seinem 16. Geburtstag feierte er sein Debüt in der ersten Liga. Alle sagten ihm eine strahlende Zukunft voraus. Doch heute, mit Anfang 20 und nunmehr zwei Kindern, ist er in Vergessenheit geraten. „So etwas passiert so vielen Spielern, die aus den Slums, aus der Armut kommen“, erklärt Vecchio. „Der Fußball hilft ihnen zwar, dem Leid zu entfliehen, aber wenn es nicht passt, gehen sie in die Slums zurück, fangen an zu trinken, nehmen Drogen und verlieren alle Hoffnung. Bildung macht auf jeden Fall einen Unterschied. Bei Leo gab es einen Vater und eine Mutter, die ihn unterstützt haben und ihm dabei halfen, der zu werden, der er heute ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass die familiäre Umgebung einer der Faktoren für den Erfolg eines Fußballers ist.“ Zum Schluss erzählt Ernesto Vecchio seine schönste Anekdote über Leo: „Wir hatten ein Spiel gegen Torito, einen Verein aus unserer Liga. Leo war krank, und ich wollte ihn nicht einsetzen. Also ließ ich ihn auf der Bank. Es waren nur noch ein paar Minuten bis zum Schlusspfiff, und wir lagen 0:1 zurück. Also ging ich zu Leo und fragte: ‚Bock zu spielen?‘ Er sagte Ja, wärmte sich auf. Kurz bevor er eingewechselt wurde, rief ich in seine Richtung: ‚Hol mir dieses Spiel!‘ Und genau das tat er dann auch. In fünf Minuten machte er zwei Buden und drehte die Partie.“ Nicht ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass der Floh in der Meisterschaft, bei Turnieren und Freundschaftsspielen pro Saison auf 100 Tore kam.
2000 spielt Leo, nun 13 Jahre alt, in der zehnten Liga letztmalig für die Máquina 87, die nun von Adrián Coria trainiert wird. Die wiederum siegreiche Mannschaft tritt im Bella-Vista-Stadion an, in dem auch die Profis trainieren. Am 3. September 2000, nur zwei Wochen vor Leos Abreise nach Barcelona, druckt La Capital das erste, doppelseitige Interview mit ihm: „Lionel Andrés Messi, ein kleiner Aussätziger und kaum zu stoppen“. Die einführenden Zeilen lauten etwa so: „Er tritt in der zehnten Liga an und ist der Spielmacher der Truppe. Dieser Junge ist nicht nur einer der vielversprechendsten Nachwuchs-Aussätzigen, sondern hat auch eine wahnsinnige Zukunft vor sich. Denn trotz seiner mangelnden Größe kann er an einem, an zwei Mann vorbeigehen, alle Verteidiger in die Tasche stecken und Tore erzielen – vor allem aber hat er Spaß mit dem Ball.“
Es folgt ein Schwall von Fragen. Hier eine kleine Auswahl seiner Antworten:
Idole: Mein Vater und mein Patenonkel Claudio.
Lieblingsspieler: Mein Bruder und mein Cousin.
Lieblingsverein: Newell’s.
Hobby: Musik hören.
Lieblingsbuch: Die Bibel.
Lieblingsfilm: Juniors freier Tag.
Möglicher Beruf: Sportlehrer.
Ziele: Die Secundaria abschließen.
Absichten: In die Profimannschaft kommen.
Glücklichster Moment: Als wir Meister in der zehnten Liga geworden sind.
Traurigster Moment: Als meine Großmutter gestorben ist.
Ein Traum: In der Profimannschaft von Newell’s spielen.
Eine Erinnerung: Als mich meine Großmutter zum ersten Mal zum Fuß-ballspielen mitgenommen hat.
Bescheidenheit: Ist etwas, was ein Mensch niemals verlieren sollte.
Was Newell’s bedeutet: Alles, das Beste.
Kapitel 5
Ein echter Gardel
Gespräch mit Adrián Coria, ehemaliger Jugendtrainer Newell’s Old Boys
Der Fernseher läuft. Auf dem Tisch summt ein Computer. Adrián Coria, ein ehemaliger Spieler und Jugendtrainer von Newell’s, hat gerade Urlaub, arbeitet aber trotzdem von zu Hause. Es bereitet ihm immer ein Vergnügen, sich an einen seiner ehemaligen Spieler zu erinnern.
Fangen wir mit dem ersten Eindruck an, als Sie ihn spielen sahen.
„Zur damaligen Zeit wurde viel über Leandro Depetris geredet, einen kleinen blonden Jungen, der mit elf Jahren zum AC Mailand wechselte. Alle sagten die tollsten Dinge über ihn, aber ich sah das nicht so. Ich habe immer wieder zu einem meiner Freunde gesagt: ‚Leo wird zehnmal besser als Depetris. Wenn er groß ist, wird er besser als Maradona sein – und ich bin gewiss kein kleiner Fan von Diego.‘“
Wie konnten Sie sich so sicher sein, einem zwölfjährigen Jungen eine so große Zukunft vorherzusagen?
„Wenn man ihn sah, dachte man erst: Dieses Kind kann niemals Fußball spielen. Er ist ein Zwerg, er ist zu zerbrechlich und zu klein. Aber man erkannte dann sofort, dass er von einem besonderen Schlag war, phänomenal, und dass er es zu etwas Beeindruckendem schaffen würde. Warum? Weil er explosiv war und eine Kontrolle besaß, die ich nie zuvor auf einem Fußballplatz gesehen hatte. Er ist ein Formel-1-Auto, ein Ferrari. Er konnte den nächsten Zug vorausahnen und sich richtig bewegen – in Eins-zu-eins-Situationen machte er Hackfleisch aus einem. Er beherrschte den Ball, der war immer unten und immer wie festgeklebt an seinem Fuß. Er ließ die ganzen großen Jungen hinter sich, die immer noch keine gute Kontrolle über ihre Bewegungen und Koordination hatten. Er war 1,20 Meter groß und brachte Verteidiger von 1,80 Meter aus dem Konzept. Er machte einfach einen gewaltigen Unterschied. Und er hatte einen starken Charakter – er war leistungsorientiert und wollte gewinnen. Ich habe nie gesehen, dass er bei irgendeinem Spielstand aufgegeben hätte. Er wollte alle Spiele gewinnen.“
Auf welcher Position spielte er?
„Hinter den Spitzen. Ich trat mit einem 4-3-1-2-System an. Bei mir hatte Lionel entweder alle Freiheiten oder spielte in der Lücke hinter den Spitzen. Es war beeindruckend, mit anzusehen, wie er seine Gegner in den Spielen auseinandernahm. Die anderen wollten ihn neutralisieren. Die wussten, was er konnte, und versuchten, ihn aufzuhalten. Von allen Seiten wurde auf ihn eingetreten. Aber von ihm … nichts. Er hat sich nie beklagt. Ganz im Gegenteil: Die Fouls scheinen ihn noch weiter angespornt zu haben. Je mehr sie auf ihn losgingen, desto besser konnte er ihnen Paroli bieten. Er holte sich den Ball und war in wenigen Augenblicken schon vor dem Tor. Er hat Spiele im Alleingang gewonnen, so eindeutig, dass man mir immer wieder sagte: ‚Du lenkst diese Mannschaft doch gar nicht mehr, wenn Leo auf dem Platz steht.‘“
Gibt es ein besonders erwähnenswertes Tor oder Spiel?
„Er schoss Tore aller Art. Spiele? Mit ihm haben wir alles gewonnen. Er war ein echter Gardel.“*
Hörte er auf den Rat des Trainers?
„Ja, er zeigte Respekt. Er hörte zu. Er sagte nie: ‚Ich werde spielen‘ und auch nie: ‚Ich bin der Beste.‘ Seine Mannschaftskameraden liebten ihn über alles. Es gab nur eines … er mochte kein Ausdauertraining. Er liebte den Ball. Deshalb musste ich ihn auch einmal vom Training ausschließen. Ich bin bestimmt kein Unmensch oder der Feldwebel persönlich, aber ich habe es immer ganz gerne, wenn die Leute die Dinge ernst nehmen. Wir drehten gerade eine Laufrunde, und er daddelte weiter mit dem Ball