Das Dekameron. Джованни Боккаччо
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Darauf sagte der Inquisitor: „Und was für eine Stelle war es denn, die solches Mitleid mit uns in dir erweckt hat?“ „Ach, Herr“, sagte jener, „die Worte des Evangeliums waren es, worin es, heißt: Ihr werdet es hundertfältig nehmen.“ „So steht es allerdings geschrieben“, erwiderte der Inquisitor, „was veranlaßt dich aber, uns deshalb zu bedauern?“ „Das will ich Euch sagen“, antwortete der Büßende. „Seit ich hier ins Kloster gekommen bin, habe ich gesehen, daß alle Tage den vielen Armen ein, manchmal zwei große Kessel Suppe hinausgegeben werden, die Ihr Euch entzieht, weil Ihr sie übrig habt. Sollt Ihr die nun alle dort im Jenseits hundertfältig wiederkriegen, so müßt Ihr ja notwendig in all der Suppe ersaufen.“
Die ganze Tischgesellschaft des Inquisitors lachte laut auf. Er aber fühlte wohl den beißenden Tadel der mönchischen Suppenheuchelei und wurde ganz betroffen. Hätte nicht schon der erste Prozeß ihm Schande genug gebracht, so hätte er dem ehrlichen Mann gern noch einen zweiten angehängt, daß er ihn und seine Gesellen in der Faulheit so zum besten gehabt. So aber befahl er ihm ärgerlich, zu tun, was er wolle, und sich nicht mehr vor ihm blicken zu lassen.
SIEBENTE GESCHICHTE
Bergamino beschämt auf feine Weise Herrn Cane della Scala wegen einer plötzlichen Anwandlung von Geiz, indem er ihm eine Geschichte von Primasseau und dem Abt von Clugny erzählt.
Die Königin und alle andern mußten über Emilias spaßhafte Geschichte lachen und den lustigen Einfall des Kreuzträgers loben. Als aber das Gelächter vorüber war und ein jeder sich beruhigt hatte, fing Filostrato, an dem die Reihe war, wie folgt zu reden an:
Lobenswert ist es, ihr schönen Damen, wenn jemand ein festes und unveränderliches Ziel zu erreichen weiß. Fast einem Wunder gleich ist aber die Geschicklichkeit des Schützen zu achten, der einen unerwarteten und plötzlich erscheinenden Gegenstand sogleich zu treffen vermag. Das lasterhafte und schmutzige Leben der Geistlichen ist in vielen Dingen ein so bestimmtes Anzeichen ihrer inneren Schlechtigkeit, daß es zu Spott und Tadel einem jeden, der ihn nur immer suchen mag, leicht genug Anlaß gibt. Obgleich also jener Biedermann recht daran tat, daß er dem Inquisitor die heuchlerische Wohltätigkeit der Mönche vorhielt, die als Almosen verteilen, was sie den Säuen geben oder auf die Straße werfen sollten, so scheint mir doch ein anderer, von dem ich euch, durch die vorige Geschichte veranlaßt, erzählen will, noch viel größeres Lob zu verdienen. Dieser nämlich beschämte Herrn Cane della Scala, der sonst ein freigebiger Herr war, wegen einer völlig ungewohnten und plötzlichen Anwandlung von Geiz dadurch, daß er ihm eine scherzhafte Geschichte erzählte, in welcher er von fremden Personen berichtete, was er von sich und jenem Fürsten verstanden wissen wollte. Damit verhielt es sich nun also:
Herr Cane della Scala, in vielen Dingen ein Liebling des Glücks, war, wie der glänzendste Ruhm fast durch die ganze Welt von ihm berichtet, einer der angesehensten und freigebigsten Fürsten, welche seit Kaiser Friedrich II. in Italien gesehen worden waren. Dieser hatte einmal beschlossen, in Verona ein Fest von wunderbarer Pracht zu geben. Schon waren dazu aus allen Himmelsrichtungen Menschen herbeigeströmt, vor allem solche, die durch allerhand Geschicklichkeiten Höfe zu unterhalten imstande sind, als er plötzlich aus irgendeinem Grunde seinen Willen änderte und die meisten der Gekommenen mit Geschenken verabschiedete.
Nur einer unter ihnen namens Bergamino, der im Reden soviel Gewandtheit und Anmut besaß, wie niemand, der ihn nicht kannte, sich einzubilden vermag, blieb in der Hoffnung, daß es ihm mit der Zeit noch zum Vorteil gereichen werde, in Verona zurück, ohne Geschenke oder Urlaub erhalten zu haben. Herrn Cane aber war es in den Sinn gekommen, daß jedes Geschenk an Bergamino schlechter angewendet wäre, als was man ins Feuer wirft, und so achtete er ihn denn keines Wortes und keiner Botschaft wert. Als Bergamino nach einigen Tagen noch immer nicht an den Hof gerufen und keine Probe seiner Kunst von ihm begehrt worden war, zugleich aber die Zeche für ihn selbst, für Diener und Pferde beim Gastwirt immer mehr anwuchs, fing er an, mißmutig zu werden. Dennoch verweilte er, in der Meinung, daß jetzt zu reisen nicht geraten sei.
Um bei dem Feste ehrenvoll erscheinen zu können, hatte er drei kostbare und schöne Anzüge mitgebracht, die ihm von anderen Fürsten geschenkt worden waren. Von diesen hatte er dem Wirt, der bezahlt sein wollte, zuerst einen gegeben, dann nach längerer Zeit den zweiten hinzufügen müssen, und nun war er entschlossen, sich die Sache noch so lange mit anzusehen, wie der dritte vorhielte, von dem er bereits zu zehren begonnen hatte, und dann abzureisen. Nun geschah es, daß er eines Tages, noch ehe das dritte Kleid aufgegessen war, mit betrübtem Gesicht Herrn Cane gegenüberstand, der gerade bei Tische saß. Als Herr Cane es bemerkte, sagte er, mehr um Bergamino zu kränken, als um etwa einen guten Einfall von ihm zu hören: „Bergamino, was fehlt dir, du siehst so verdrießlich aus? Erzähle uns doch etwas.“ Bergamino begann darauf, ohne sich einen Augenblick zu besinnen, folgende Geschichte, die für seine Lage so berechnet war, als hätte er lange Zeit darüber nachgedacht:
„Mein Gebieter, Ihr müßt wissen, daß Primasseau des Lateinischen besonders kundig war und größere Fertigkeit im Dichten besaß als irgendeiner. Diese Fähigkeiten machten ihn so berühmt, daß, wenn man ihn gleich nicht überall von Person kannte, doch schwerlich jemand zu finden war, der nicht dem Namen und dem Rufe nach gewußt hätte, wer Primasseau war. Als er sich nun einst zu Paris in dürftigen Umständen befand, wie es ihm meist zu geschehen pflegte, weil die Vermögenden seine Vorzüge selten zu würdigen wußten, geschah es, daß er von dem Abte von Clugny reden hörte, von dem man behauptet, daß er nächst dem Papst von allen Prälaten der Kirche Gottes das höchste Einkommen habe. Von diesem erzählte man ihm Wunder an Freigebigkeit, wie er immer Hof halte und wie niemand, der dorthin käme, wo er eben verweilte, Essen und Trinken je verweigert worden sei, nur vorausgesetzt, daß er den Abt darum angesprochen habe, während dieser speiste. Als Primasseau, der an der Bekanntschaft ausgezeichneter Männer und hoher Herren besonderes Wohlgefallen fand, diese Nachrichten vernahm, beschloß er, hinzugehen, um die Freigebigkeit des Abtes mit eigenen Augen zu schauen, und fragte daher, wie weit sein jetziger Aufenthaltsort von Paris entfernt sei. Man erwiderte ihm, er wohne jetzt auf einem seiner Güter, etwa sechs Meilen vor der Stadt, und Primasseau dachte, wenn er des Morgens beizeiten aufbräche, könne er bis zur Tafelzeit dort sein.
Da er keinen Begleiter finden konnte, ließ er sich den Weg beschreiben; doch fürchtete er, diesen unglücklicherweise verfehlen und an einen Ort geraten zu können, wo er nicht so bald etwas zu essen bekäme. Um in einem solchen Falle nicht Hunger leiden zu müssen, beschloß er, drei Brote mit auf den Weg zu nehmen, denn Wasser, das er freilich nicht besonders gern trank, dachte er wohl überall zu finden. So steckte er die Brote zu sich, machte sich auf den Weg und traf diesen so gut, daß er noch vor der Essenszeit dort ankam, wo der Abt wohnte. Wie er nun eintrat, sich überall umsah und die große Menge gedeckter Tische wahrnahm und die gewaltigen Zurüstungen in der Küche und was sonst alles zu dem. Mittagsmahle bereitet wurde, da sagte er zu sich selbst: ,Wahrlich, dieser Abt ist wirklich so freigebig, wie man mir erzählt hat.‘ Eine Weile war seine Aufmerksamkeit so beschäftigt, als des Abtes Seneschall, weil die Essensstunde gekommen war, das Wasser zum Händewaschen herumreichen ließ. Nachdem dies geschehen war, setzten sich alle zu Tische, und dabei traf es sich von ungefähr, daß Primasseau den Platz genau gegenüber der Tür bekam, wo der Abt heraustreten mußte, um in den Speisesaal zu gelangen.