Das Dekameron. Джованни Боккаччо
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Primasseau, der schon eine gute Strecke Wegs zurückgelegt hatte und ans Fasten nicht gewöhnt war, bekam solche Lust zu essen, daß er, als der Abt noch immer nicht wiederkommen wollte, eines der drei mitgebrachten Brote hervorholte und es zu verzehren anfing. Der Abt befahl nach einer Weile einem seiner Diener nachzusehen, ob unser Primasseau weggegangen sei. ,Nein, Herr‘, antwortete der zurückkehrende Diener, ,vielmehr verzehrt er ein Stück Brot, das er sich mitgebracht haben muß.‘ ,So mag er denn sein Brot essen, wenn er welches hat‘, sprach darauf der Abt, ,denn das unsrige wird er heute nicht kosten.‘ Der Abt hätte es gern gesehen, wenn Primasseau von selbst gegangen wäre, denn ihn ausdrücklich gehen zu heißen, ziemte sich seiner Meinung nach doch nicht. Als Primasseau indessen das erste Brot verzehrt hatte und der Abt noch ausblieb, begann er vom zweiten zu essen. So ward dem Abte berichtet, der wieder hatte nachsehen lassen, ob er nicht fortgegangen sei.
Endlich fing Primasseau, als der Abt noch immer nicht kam, das dritte Brot zu essen an, und als auch das dem Abt gemeldet wurde, fing dieser an, nachdenklich zu werden, und sprach bei sich selbst: ,Was ist mir denn heute Neues in den Sinn gekommen? Woher dieser Geiz, woher der Ärger? Und wer hat ihn erregt? Schon seit Jahren speise ich von meinem Tische jeden, der gespeist werden will, ohne zwischen vornehm und gering, arm oder reich, Kaufmann und Betrüger zu unterscheiden. Oftmals habe ich ausgemachte Taugenichtse mein Essen verschlukken sehen, und niemals ist mir ein Gedanke wie der heutige in den Sinn gekommen. Wahrlich, das kann kein gewöhnlicher Mensch sein, um dessentwillen der Geiz sich meiner bemächtigt hat. Und sieht er gleich einem Taugenichts ähnlich, so muß doch etwas Besonderes an ihm sein, daß er mich so gegen die Höflichkeit zu verhärten imstande war.‘
Nach diesem Selbstgespräch verlangte er zu wissen, wer es sei, und er schämte sich sehr, als er vernahm, es sei Primasseau, der ihm schon seit langem rühmlich Bekannte, der gekommen sei, um selbst zu sehen, was er von des Abtes Freigebigkeit vernommen hatte. Um das Versehen wiedergutzumachen, erwies er ihm nun desto größere Ehre. Nach dem Essen ließ er ihn mit edlen Stoffen reichlich bekleiden, wie es dem berühmten Primasseau zukam. Dann schenkte er ihm Geld und ein Reitpferd und überließ es ihm, nach seinem Belieben zu gehen oder zu bleiben. Nachdem Primasseau dem Abte auf das herzlichste gedankt hatte, kehrte er endlich, erfreut über solche Gunst, zu Pferde nach Paris zurück, von wo er zu Fuß ausgegangen war.“
Herr Cane, der ein kluger Herr war, verstand ohne jede weitere Erläuterung genau, was Bergamino sagen wollte, und erwiderte ihm lächelnd: „Bergamino, gar treffend hast du deinen Mißmut, deine Geschicklichkeit, meinen Geiz und deine Wünsche bezeichnet. Und wahrlich, noch nie, außer jetzt in bezug auf dich, hat der Geiz sich meiner bemeistert. Aber ich will ihn mit dem Stocke vertreiben, den du mir geschildert hast.“ Wirklich ließ er den Wirt Bergaminos bezahlen, bekleidete diesen mit einem köstlichen Gewand, schenkte ihm Geld und Roß und stellte es ihm frei, zu bleiben oder zu gehen.
ACHTE GESCHICHTE
Guiglielmo Borsiere straft mit feiner Rede den Geiz des Herrn Ermino de’ Grimaldi.
Als Bergaminos Schlauheit zur Genüge gelobt worden war, sah Lauretta, die dem Filostrato zunächst saß, daß es nun an ihr sei zu sprechen, und sie begann, ohne eine weitere Aufforderung abzuwarten, anmutig so zu reden:
Die vorige Geschichte veranlaßt mich, euch zu erzählen, wie ein anderer, der ebenfalls, davon lebte, daß er Hochgeborenen die Zeit vertrieb, die Geldgier eines reichen Kaufmanns mit gutem Erfolg strafte. Laufen auch beide Geschichten auf dasselbe Ende hinaus, so denke ich, soll euch die meinige um ihres günstigen Ausgangs willen nicht minder willkommen sein.
In Genua lebte vor geraumer Zeit ein Edelmann namens Ermino de’ Grimaldi, der, wie es allgemein hieß, an ausgedehnten Besitzungen und an barem Vermögen den Reichtum der wohlhabendsten Bürger, von denen man zu jener Zeit in Italien wußte, bei weitem übertraf. Wie aber seine Reichtümer die jedes anderen Italieners weit hinter sich zurückließen, so tat er es auch an Geiz und Filzigkeit dem ärgsten Filz und Geizhals auf der ganzen Welt weit zuvor. Denn nicht allein verschloß er seinen Beutel, wenn es galt, andern eine Ehre zu erweisen, sondern auch in dem, was der Anstand der eigenen Person gefordert hätte, ließ er es im Gegensatz zur Gewohnheit der Genueser, die sich adelig zu kleiden pflegen, an dem Nötigsten fehlen, desgleichen auch im Essen und Trinken. Aus diesem Gründe war ihm der Familienname der Grimaldi im Volksmunde verdientermaßen ganz verlorengegangen, und alle nannten ihn nur Herrn Ermino, den Geizhals.
Um diese Zeit nun, als dieser das Seinige an sich hielt und vervielfachte, geschah es, daß Guiglielmo Borsiere, ein lustiger Rat von feinen Sitten und geübter Zunge, der keineswegs den Leuten seiner Profession glich, die wir jetzt zu sehen bekommen, nach Genua kam. Denn zur großen Schande aller derer, die sich gegenwärtig Herren und Edelleute nennen lassen und als solche gelten wollen, können unsere lustigen Räte heute eher für Esel gelten, die im Schmutze des gemeinen Gesindels großgeworden, als für Leute, die an Höfen aufgewachsen sind. Während damals ihr Geschäft darin bestand, mit aller Anstrengung Frieden zu vermitteln, wo unter den Herren Haß oder Krieg entstanden war, Ehen, Verschwägerungen oder Freundschaften zu stiften, die Höfe zu ergötzen und gleich Vätern die Fehler der Bösgesinnten mit scharfem Tadel zu verfolgen — und dies alles um geringen Lohn —, sind sie heutzutage nur bedacht, ihre Zeit damit zu verbringen, daß sie von einem zum andern Bosheiten herumtragen, Zwietracht aussäen, Unanständiges und Schlechtes reden, und, was schlimmer ist, vor den Leuten tun, Schlechtigkeit, Schande und Schmach einander hinter dem Rücken nachsagen und mit falschen Schmeicheleien die Gutgesinnten zu Schlechtigkeiten und Gemeinheiten zu verführen suchen. Von unseren entarteten und sittenlosen Fürsten aber wird der unter ihnen am höchsten geschätzt und durch die größten Geschenke ermuntert, der die meisten Abscheulichkeiten sagt oder tut. Wahrlich eine Tatsache, die unserer Zeit zu großer, beständiger Schande gereicht, und ein augenscheinlicher Beweis, daß die Tugenden von der Erde gewichen sind und die beklagenswerten Sterblichen im Unflat der Sünden zurückgelassen haben.
Um aber auf das zurückzukommen, wovon ich ausgegangen bin und von wo gerechter Unwille mich weiter abgelenkt hat, als ich dachte, so säge ich, daß der genannte Guiglielmo von allen Edelleuten in Genua gern gesehen und mit Ehren überhäuft ward. Als er sich nun schon einige Zeit in der Stadt aufgehalten und mancherlei von dem Geize und den armseligen Gesinnungen des Herrn Ermino vernommen hatte, kam es ihm in den Sinn, diesen zu besuchen. Herrn Ermino waren die Talente des Guiglielmo Borsiere dem Hörensagen nach bekannt geworden, und da er trotz allem seinem Geize noch ein Fünkchen guter Sitten in sich trug, empfing er ihn mit freundlichem Gesicht und höflichen Worten. Unter allerlei Gesprächen, die er mit ihm begann, führte er den Borsiere und einige Genueser, die eben bei ihm waren, in ein ihm gehörendes neues Haus, das er ganz hübsch hatte einrichten lassen. Nachdem er ihm alles gezeigt hatte, sagte er: „Ach, Herr Guiglielmo, Ihr habt so manches gehört und gesehen; könntet Ihr mir nicht etwas raten, was noch niemals dagewesen ist, damit ich’s im Saal dieses Hauses malen lassen könnte?“
Als Guiglielmo diese wenig angebrachte Rede vernahm, erwiderte er: „Herr, etwas noch nie Dagewesenes getraue ich mich nicht zu ersinnen, es sei denn etwa ein gemaltes Niesen oder dergleichen. Wollt Ihr aber, so will ich Euch etwas angeben, das meines Wissens bei Euch noch nicht dagewesen ist.“ „Und was wäre das, ich bitte Euch“, entgegnete Herr Ermino, wenig gefaßt auf die Antwort, die er hernach bekam. Guiglielmo aber