Das Dekameron. Джованни Боккаччо
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Die Dirne, die zuerst Andreuccios vollen Beutel und dann seine Bekanntschaft mit ihrer Alten gesehen hatte, trug sich mit dem Gedanken, ob sie nicht ein Mittel finden könnte, jenes Geld oder wenigstens einen Teil davon zu erlangen, und fragte zu dem Ende die Alte vorsichtig aus, wer der Fremde sei, was er hier suche und woher sie ihn kenne. Diese erzählte ihr alles, was die Angelegenheiten des Andreuccio betraf, kaum weniger genau, als er selbst es hätte tun können, denn sie hatte lange Zeit in Sizilien und dann in Perugia bei seinem Vater gedient. Ebenso gab sie über seine Wohnung und den Zweck seiner Reise die nötige Auskunft. Als das Mädchen solchergestalt seine ganze Verwandtschaft und deren Namen hinreichend kennengelernt hatte, baute es auf dieser Kenntnis eine sinnreiche Erfindung auf, durch welche es seinen Zweck zu erreichen gedachte. Zu dem Ende gab es der Alten, sobald sie zu Hause angekommen waren, Besorgungen für den ganzen Tag, damit sie nicht mehr zu Andreuccio gehen sollte. Dann schickte es ein kleines Mädchen, das zu dergleichen Diensten gut angelernt war, gegen Abend in das Wirtshaus, wo Andreuccio wohnte. Die Kleine fand jenen zum Glück selbst, wie er allein an der Tür stand, und fragte nach ihm. Wie er nun erklärte, er sei es, zog sie ihn beiseite und sagte: „Herr, eine Edeldame aus dieser Stadt möchte, wenn es Euch gefällig wäre, gern mit Euch reden.“ Andreuccio dachte bei diesen Worten einen Augenblick nach, und da er sich für einen hübschen Burschen hielt, vermutete er, die Edeldame werde in ihn verliebt sein, als ob es damals in Neapel keine andern hübschen Leute gegeben hätte. So antwortete er schnell, er sei bereit, und fragte nur, wo und wann jene Dame ihn sprechen wolle. „Herr“, erwiderte die Kleine, „wenn es Euch gefällig wäre zu kommen, so erwartet sie Euch schon in ihrer Wohnung.“ Andreuccio versetzte sogleich, ohne dem Wirt auch nur ein Wort zu sagen: „So geh denn voraus, ich werde dir folgen.“
Auf diese Weise führte die Kleine ihn in das Haus jener Dirne, welches in einer Straße, das finstere Loch genannt, gelegen war, deren Anständigkeit schon der Name erraten läßt. Andreuccio freilich wußte und ahnte davon nichts und trat in der Meinung, an einen ehrbaren Ort und zu einer liebenswürdigen Dame zu gehen, unbefangen hinter der Kleinen in das Haus. Da die Kleine ihrer Gebieterin bereits zugerufen hatte: „Hier kommt Andreuccio“, so trat diese, als er hinaufstieg, an das obere Ende der Treppe. Sie war noch ziemlich jung, schlank gewachsen und von schönem Gesicht, dabei vornehm gekleidet und geschmückt. Als Andreuccio ihr näher kam, ging sie ihm drei Stufen mit offenen Armen entgegen, schlang diese fest um ihn und verweilte, von übermäßiger Zärtlichkeit übermannt, einige Zeit in dieser Stellung, ohne ein Wort zu sagen. Dann küßte sie ihn weinend auf die Stirn und sagte mit gerührter Stimme: „O mein Andreuccio, sei mir willkommen.“ Dieser war über so feurige Liebkosungen ziemlich verwundert und sagte ganz erstaunt: „Madonna, ich freue mich Eurer Bekanntschaft.“ Sie aber nahm ihn bei der Hand und führte ihn in ihren Saal hinauf, von wo sie, ohne ein Wort zu sprechen, mit ihm in ihre Stube ging, die von Rosen, Orangenblüten und anderen Wohlgerüchen auf das köstlichste duftete. Hier sah Andreuccio ein Bett mit herrlichen Vorhängen, viele Kleider, die nach der Landessitte auf Rechen umherhingen, und andere schöne und kostbare Geräte in Menge, um welcher Dinge willen er als ein Neuling nicht zweifeln zu dürfen glaubte, daß sie eine gar vornehme Dame sein müsse.
Als sie sich nun miteinander auf einer Truhe am Fußende ihres Bettes niedergelassen hatten, begann sie also zu ihm zu sprechen: „Andreuccio, ich bin gewiß, daß du dich über die Liebkosungen, mit denen ich dich empfange, gleichermaßen verwunderst wie über meine Tränen, denn du kennst mich nicht und hast vielleicht niemals von mir gehört. Noch mehr aber wirst du vermutlich über das erstaunen, was du jetzt hören wirst: ich bin nämlich deine Schwester. Ich sage dir aber, seit Gott mir die Gnade erzeigt hat, daß ich vor meinem Tode einen meiner Brüder zu sehen bekommen habe (und was gäbe ich nicht darum, euch alle zu sehen), werde ich beruhigt aus der Welt gehen, mag ich sterben, wahn immer es geschehen soll. Doch von alldem hast du vielleicht in deinem Leben nichts vernommen, und so will ich dich darüber belehren. Wie du wohl erfahren hast, lebte Pietro, dein und mein Vater, lange Zeit in Palermo und wurde und wird dort von allen, die ihn kannten, wegen seiner Herzensgüte und Liebenswürdigkeit sehr geliebt. Vor allen andern jedoch, die ihm geneigt waren, liebte ihn meine Mutter, die von adeligem Geschlecht ist und damals verwitwet war, am meisten. Sie wurde, ohne den Zorn ihres Vaters und ihrer Brüder und ihre eigene Ehre zu achten, so vertraut mit ihm, daß ich auf die Welt kam und geworden bin, wie du mich siehst. Dann aber traten Umstände ein, um derentwillen Pietro Palermo verließ und nach Perugia zurückkehrte. So blieb ich damals als kleines Kind mit meiner Mutter zurück, und unser Vater hat sich, soviel mir bekannt geworden ist, seit dieser Zeit weder um sie noch um mich bekümmert. Wäre er nicht dein Vater, so tadelte ich ihn wegen dieses Betragens auf das ernstlichste, schon wegen seiner Undankbarkeit meiner Mutter gegenüber, die allein von treuer Liebe bewogen, ohne zu wissen, wer er war, sich und zugleich alles, was ihr gehörte, seinen Händen anvertraute, von der Liebe ganz zu schweigen, welche er für mich als seine Tochter, die ihm von keiner Magd und keinem gemeinen Weibsbild geboren worden war, hätte hegen sollen. Doch was hilft das! Was einmal falsch gemacht wurde, ist, besonders wenn es vor langer Zeit geschah, viel leichter zu tadeln als zu bessern. Genug, es war so. Er ließ mich als kleines Kind in Palermo zurück, und da bin ich denn ziemlich so weit herangewachsen, wie du mich siehst, bis meine Mutter mich an einen wackeren Edelmann aus Girgenti verheiratete, der meiner Mutter und mir zuliebe gleichfalls nach Palermo zog. Weil aber mein Mann sehr welfisch gesinnt ist, ließ er sich in geheime Verabredungen mit unserem König Karl ein. Ehe diese indes noch zur Ausführung gebracht werden konnten, hatte König Friedrich Wind davon bekommen, und just als ich mich anschickte, die erste Dame der Insel zu werden, mußten wir fliehen. So nahmen wir denn das wenige mit uns, das wir erlangen konnten — wenig war es im Vergleich zu dem vielen, das wir besessen hatten —, ließen Herrschaften und Schlösser zurück und flüchteten hierher, wo König Karl sich uns so dankbar erweist, daß er uns einen Teil des Schadens vergütet, den wir um seinetwillen erlitten, und Landgüter und Häuser in Menge geschenkt hat. Auch gewährt er meinem Gatten, deinem Schwager, so große Einkünfte, wie du zu sehen Gelegenheit haben wirst. Auf solche Weise bin ich hierher gekommen, wo ich es Gott und nicht dir verdanke, dich, meinen geliebtesten Bruder, gefunden zu haben.“ Und mit diesen Worten fing sie aufs neue an, ihn zu umarmen, und küßte ihm unter Tränen auf das zärtlichste die Stirn.
Als Andreuccio diese Fabel so zusammenhängend und unbefangen aus dem Mund des Mädchens hervorgehen hörte, dem freilich niemals das Wort auf den Lippen erstarb, noch die Zunge versagte, als er sich ferner erinnerte, sein Vater sei wirklich in Palermo gewesen und dabei nach eigener Erfahrung die Sitten der Jugend erwog, die gern zu lieben geneigt ist, als er endlich die Tränen der Rührung, die Umarmungen und die keuschen Küsse des Mädchens fühlte, maß er allen Worten vollkommenen Glauben bei und sagte, sobald es schwieg: „Madonna, mein Erstaunen kann Euch nicht anders als natürlich erscheinen, wenn Ihr bedenken wollt, daß mein Vater, was immer der Grund gewesen sein mag, niemals von Eurer Mutter oder von Euch gesprochen hat, oder wenn er es getan haben sollte, mir wenigstens nichts davon zu Ohren gekommen ist, so daß ich von Euch nicht mehr wußte, als wenn Ihr gar nicht auf der Welt wäret. Je mehr ich aber hier allein stand und je weniger ich dergleichen erwarten konnte, desto lieber ist mir nun, in Euch eine Schwester gefunden zu haben. Und wahrlich, ich wüßte nicht, wie Ihr dem Vornehmsten anders als lieb und wert sein könntet. Wieviel mehr seid Ihr es also mir, der ich nur ein kleiner Handelsmann bin. Doch über eines bitte ich Euch, mir noch Aufschluß zu geben: wie habt Ihr erfahren, daß ich hier in der Stadt bin?“ Darauf erwiderte sie: „Heute früh erzählte es mir eine arme Frau, die bei mir ein- und auszugehen pflegt, weil sie nach ihrer Versicherung lange Zeit bei unserem gemeinschaftlichen Vater in Palermo und Perugia gedient hat. Hätte ich es nicht für schicklicher gehalten, daß du zu mir in mein eigenes Haus kämst, als ich zu dir in ein fremdes, so wäre ich längst schon bei dir gewesen.“ Nun fing sie an, ihn auf das genaueste und namentlich nach allen seinen Verwandten zu fragen, worauf ihr Andreuccio vollen Bescheid gab. Um dieser Tatsache willen glaubte er nur