Das Dekameron. Джованни Боккаччо
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Tags darauf änderte sich der Wind. Die Schiffe segelten gen Westen und verfolgten während des ganzen Tages glücklich ihre Reise. Gegen Abend aber erhob sich ein heftiger Sturm, das Meer ging hoch, und die beiden Schiffe wurden voneinander getrennt. Von der Gewalt des Windes wurde dasjenige, auf welchem sich der arme, unglückliche Landolfo befand, in der Nähe der Insel Kefalonia mit größter Heftigkeit auf eine Sandbank geschleudert, so daß es wie Glas, das wider eine Mauer geworfen ward, auseinanderbrach und zerschellte. Waren aller Art, Balken und Bretter bedeckten schwimmend das ganze Meer, und obgleich es finstere Nacht war, suchte jeder von den armen Schiff brüchigen, der schwimmen konnte, irgendeinen Gegenstand zu ergreifen, der von ungefähr in seine Nähe kam. Obgleich nun unser unglücklicher Landolfo am Tage zuvor oftmals den Tod gerufen und ihn in Gedanken der Heimkehr als Bettler vorgezogen hatte, erschrak er doch vor ihm, als er ihn jetzt vor sich sah, und ergriff wie die andern ein Brett, dessen er habhaft wurde, in der Hoffnung, daß Gott ihm vielleicht noch zur Rettung verhelfen werde, wenn er sich eine Zeitlang vor dem Ertrinken schützen könnte. So hielt er sich die Nacht hindurch, so gut er konnte, reitend auf dem Brette, während dieses von Wind und Wellen bald hierhin, bald dorthin getrieben wurde.
Als endlich der Tag angebrochen war und Landolfo sich umschaute, erblickte er nichts anderes als Wolken und Meer und eine Kiste, die ihm zu seinem Schrecken mehrmals so nahe kam, daß er fürchtete, sie möchte auf ihn stoßen und ihn verletzen, weshalb er sie auch jedesmal mit aller Kraft, obwohl diese nur noch gering war, mit der Hand von sich stieß. Dennoch geschah es, daß ein Wirbelwind sich plötzlich in der Luft entwickelte, auf das Meer niederfuhr und die Kiste so gewaltig traf, daß sie, gegen das Brett geschleudert, dieses und mit ihm Landolfo tief unter das Wasser stieß. Als Landolfo, dem die Furcht neue Kräfte lieh, schwimmend wieder emporkam, sah er sein Brett weit von sich hinweggerissen, so daß er fürchten mußte, er würde es nicht mehr erreichen. Er wendete sich darum der Kiste zu, die ihm ziemlich nahe war, legte sich mit der Brust auf den Deckel derselben und hielt sie, so gut es ging, aufrecht. In dieser Stellung mußte er den ganzen Tag und die folgende Nacht aushalten, vom Meer hin und her geworfen, ohne Speise, denn wo hätte er sie hernehmen sollen, aber bei häufigerem Trunk, als er gewünscht hätte, ohne zu wissen, wo er sich befand, und ohne etwas anderes als Wasser zu sehen.
Den Tag darauf gelangte er endlich durch Gottes Willen oder durch die Kraft der Winde getrieben, vom Wasser durchweicht wie ein Schwamm, die Kanten der Kiste umklammernd, wie Ertrinkende es tun, an das Ufer der Insel Korfu, wo zum Glück eben ein armes Weib sein Küchengeschirr mit Sand und salzigem Seewasser wusch und blank scheuerte. Als die Alte ihn der Küste nahekommen sah und die menschliche Gestalt nicht an ihm zu erkennen vermochte, floh sie anfangs schreiend und erschrocken. Er aber konnte nichts zu ihr sagen, denn er hatte die Sprache ganz und das Gesicht fast verloren. Dennoch warf ihn das Meer gegen das Land, und die Frau erkannte nun den Umriß der Kiste. Dann blickte sie aufmerksamer hin und ward zuerst die Arme gewahr, die sich über die Kiste spannten, fand alsbald das Gesicht heraus und erriet endlich die Wahrheit. Sein Zustand erregte ihr Mitleid, sie watete einige Schritte ins Meer hinein, das sich inzwischen beruhigt hatte, packte ihn an den Haaren und zog ihn samt der Kiste an Land. Mit Mühe machte sie seine Hände von der Kiste los, lud sie ihrer kleinen Tochter, die bei ihr war, auf den Kopf und trug ihn selbst wie ein kleines Kind ins Dorf. Sie setzte ihn in ein Bad und rieb und wusch ihn solange mit warmem Wasser, bis die entwichene Wärme und ein Teil der verlorenen Kräfte in den Körper zurückkehrten. Als es ihr Zeit zu sein schien, nahm sie ihn wieder heraus, erquickte ihn mit etwas gutem Wein und Gebackenem und pflegte ihn nach ihrem Vermögen einige Tage lang so gut, daß er wieder Kraft gewann und sich bewußt wurde, wo er war.
Da glaubte die gute Frau, es sei nun an der Zeit, ihm die Kiste, die ihn gerettet, wiederzugeben und ihm zu sagen, daß er ferner selbst für sich sorgen möge. So tat sie denn auch, und Landolfo, der sich der Kiste nicht mehr erinnerte, nahm sie dennoch an, als die gute Frau sie ihm brachte, und meinte, wenn sie auch noch so wenig wert wäre, könnte sie ihm doch seinen Unterhalt für den einen oder andern Tag verschaffen. Als er sie aber sehr leicht fand, gab er diese Hoffnung fast wieder auf, bis er sie eines Tages, als seine Wirtin nicht zu Hause war, aufbrach und darin viele lose und gefaßte Edelsteine fand, deren hohen Wert er sogleich erkannte, da er dergleichen Dinge einigermaßen zu beurteilen wußte. Da wurde er wieder froh und dankte Gott, daß er ihn noch nicht ganz habe verlassen wollen. Weil er aber in kurzer Zeit zweimal vom Schicksal hart getroffen worden war, beschloß er, wegen eines dritten Males besorgt, besonders vorsichtig zu Werke zu gehen, um diese Kostbarkeiten sicher in seine Heimat bringen zu können. Zu diesem Zweck wickelte er sie alle, so gut es gehen konnte, in einige Lumpen und sagte zu. seiner. Wirtin, einer Kiste bedürfe er nicht mehr. Wenn sie ihm aber einen Gefallen tun wolle, so möge sie diese behalten und ihm dafür einen Sack schenken.
Die gute Frau war dazu gern bereit. Er aber dankte ihr, so herzlich er nur wußte und konnte, für die ihm erwiesenen Wohltaten, sagte ihr Lebewohl und schiffte, seinen Sack über die Schultern gehängt, in einem Boote nach Brindisi hinüber. Von hier aus ging er, immerfort längs der Küste, bis Trani, wo er einige Tuchhändler fand, die seine Landsleute waren. Diesen erzählte er alle seine Schicksale, nur daß er ihnen nichts von der Kiste berichtete, worauf sie ihn fast um Gottes willen bekleideten, ihm noch überdies ein Pferd liehen und Begleitung verschafften, um nach Ravello zu gelangen, wohin er, wie er erklärte, zurückkehren wollte.
Hier erst glaubte er sich sicher und öffnete, dankbar gegen Gott, der ihn so weit gebracht, seinen Sack. Als er ihn genauer als früher untersuchte, fand er sich im Besitze so vieler und so kostbarer Edelsteine, daß er bei angemessenem und selbst bei wohlfeilem Verkauf derselben mehr als doppelt so reich war wie bei seiner Abreise. Als er Gelegenheit gefunden hatte, die Steine zu verkaufen, sandte er der guten Frau, die ihn aus dem Meer gezogen, zum Dank für die erwiesenen Wohltaten eine bedeutende Geldsumme nach Korfu. Ein Gleiches tat er den Kaufleuten, die ihn in Trani bekleidet. Den Rest aber behielt er für sich und lebte damit ehrenvoll bis an sein Ende, ohne sich weiter auf Handelsunternehmungen einzulassen.
FÜNFTE GESCHICHTE
Andreuccio von Perugia kommt nach Neapel, um Pferde zu kaufen, und gerät in einer Nacht dreimal in Lebensgefahr, entrinnt ihr jedoch jedesmal und kehrt mit einem Rubin in seine Heimat zurück.
Bei den Edelsteinen, die Landolfo fand, begann Fiammetta, welche die Reihe des Erzählens traf, ist mir eine Geschichte eingefallen, die kaum weniger Gefahren enthält, sich aber von der Laurettas dadurch unterscheidet, daß ihre Ereignisse sich nicht etwa im Verlauf mehrerer Jahre, sondern in einer einzigen Nacht abspielten.
Es lebte, wie mir erzählt worden ist, in Perugia ein junger Pferdemakler namens Andreuccio di Pietro, der sich auf die Nachricht hin, daß in Neapel ein guter Pferdemarkt sei, fünfhundert Goldgulden in die Tasche steckte und sich, ohne je zuvor in der Fremde gewesen zu sein, mit mehreren andern Kaufleuten nach jener Stadt auf den Weg machte.
An einem Sonntag in der Dämmerung dort eingetroffen, ging er, den Ratschlägen folgend, die sein Wirt ihm erteilte, am andern Morgen auf den Markt, wo er zwar viele Pferde besah, an vielen Gefallen fand und um sie feilschte, dennoch aber über keines handelseins werden konnte. Um indes zu zeigen, daß er wirklich zu kaufen gedenke, zog er, unvorsichtig und unerfahren wie er war, zu wiederholten Malen vor den Augen aller, die ab- und zugingen, seine Börse voll Gold heraus. Da geschah es denn, daß, während er so marktete und seinen Geldbeutel sehen ließ, von ihm ungesehen eine junge Sizilianerin vorüberging, die zwar wunderschön, aber auch für geringes Geld bereit war, jedermann zu Willen zu sein, und seine Börse ins Auge faßte. Sogleich sprach sie zu sich selbst: „Wie gut wär ich daran, wenn dieses Geld mein wäre“, und damit ging sie weiter. Nun hatte dies Mädchen eine Alte