Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May
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Читать онлайн книгу Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May страница 12
Auch sie waren aufgefordert worden, sich an dem letzten Unternehmen zu betheiligen; sie hatten zugesagt, aber ihre Zusage noch im letzten Augenblicke zurückgenommen, als sie hörten, daß Gustav Brandt angekommen sei.
Die von verschiedenen Seiten herbeigekommenen Pascher hatten sich, ehe sie sich in den Wald begaben, in einer Hinterstube der Schänke zusammen gefunden. Dort war von dem Bruder der Zofe erzählt worden, daß er Brandt getroffen und was er mit ihm gesprochen habe. Da hatte der Schmied sofort gemeint:
»Hört, ich mache heute nicht mit und rathe Euch, den Gang auf eine andere Zeit zu verschieben. Der Brandt ist schlau, aber noch jung und wohlwollend. Was er gesagt hat, das hat vielleicht eine versteckte Warnung sein sollen. Und wäre dies auch nicht der Fall, so klingt aus seinen Worten eine Siegesgewißheit, welche mir zu denken gibt. Es scheint mir, daß er auf irgend eine Weise von unserem Unternehmen Wind bekommen hat. Ihr wißt, daß ich mich nicht fürchte; aber ich begebe mich auch nicht in eine Gefahr, die ich gar nicht kenne. Ich verzichte für heute!«
Man redete ihm zu, aber er blieb fest, und sein Sohn schloß sich seiner Meinung an. Daher kam es, daß die Beiden daheim blieben, als die Anderen aufbrachen; aber die Sorge um den Ausgang des Unternehmens ließ die Beiden nicht schlafen. Sie begaben sich mit Anbruch des Tages in den Wald, um in der Gegend der Tannenschlucht nach Anzeichen zu suchen, aus denen sie darauf schließen konnten, ob die Schmuggelei geglückt sei oder nicht. Vorher gingen sie nach dem Gute, welches dem Bruder der Zofe gehörte, der ja den Anführer machte. Er war unverheirathet. Sie weckten einen Knecht und erfuhren, daß sein Herr noch nicht wieder zurückgekehrt sei. Das war ein schlimmes Zeichen.
Sie sollten aber bald deutlicher sehen, wie klug sie gethan hatten, sich nicht anzuschließen. Sie hatten kaum den Wald erreicht und waren, einem schmalen Fußpfade folgend, nur wenige Schritte in denselben eingedrungen, so sahen sie einen Menschen am Boden liegen, in welchem sie sogleich den Anführer erkannten.
»Donnerwetter!« rief der Schmied, ganz bestürzt stehen bleibend. »Der ist todt! Wer in einer solchen Blutlache liegt, der hat kein Leben mehr. Wollen einmal sehen!«
Sie bückten sich nieder, um die Leiche zu untersuchen.
»Die Kugel hat ihn von hinten getroffen«, meinte der Sohn. »Er ist verfolgt und auf der Flucht erschossen worden!«
»Ja, ja; das ist richtig! Das hat man davon, wenn man den Rath eines Vernünftigen nicht befolgt. Ein Glück, daß er weder Frau noch Kinder hat! Was aber wird seine Schwester sagen!«
»Pah! Sie wird ihn beerben!«
»Trotzdem! Sie hat große Stücke auf ihn gehalten und uns so manchen guten Wink gegeben. Sie wird dem Brandt Rache schwören, weil er der eigentliche Urheber dieses Unglückes ist.«
»Was thun wir mit der Leiche? Schaffen wir sie nach Hause?«
»Fällt uns gar nicht ein! Das wäre ja die größte Dummheit, welche wir begehen könnten! Wir würden in Verdacht kommen, von dem Unternehmen gewußt zu haben oder gar dabei gewesen zu sein. Das müssen wir vermeiden. Auch von diesem hier braucht man nicht gerade zu wissen, wobei er umgekommen ist. Wir tragen ihn in das Dickicht, wo man ihn nicht leicht findet, bestreuen die blutige Stelle hier mit Baumnadeln, die ja in Masse hier liegen, und machen seiner Schwester heimlich Meldung. Später entdeckt man die Leiche, und dann mag man über die Ursache seines Todes denken, was man will. Uns geht es nichts mehr an. Komm, greife mit an! Dann schleichen wir uns nach der Tannenschlucht. Sehen darf uns aber Niemand.«
Die Leiche wurde in ein dichtes Gebüsch geschafft und die blutige Stelle unkenntlich gemacht; dann verließen die Beiden den Fußweg, auf welchem sie leicht Jemandem begegnen konnten, und drangen vorsichtig querwaldein nach der Schlucht vor.
Sie glaubten natürlich, daß der Todte von den Grenzern erschossen worden sei, und hatten keine Ahnung, daß ihn die Kugel eines der Ihrigen getroffen habe. Die beiden Pascher, deren Worte Gustav Brandt auf den Baron von Helfenstein bezogen hatte, waren, von Rachegedanken gegen ihren flüchtenden Anführer erfüllt, auf denselben gestoßen, und der Eine hatte ihn von hinten niedergeschossen.
Als der Schmied mit seinem Sohne in der Nähe der Tannenschlucht angekommen war, wo Beide nun ihre Vorsicht verdoppeln mußten, hörten sie plötzlich seitwärts menschliche Stimmen sprechen.
»Komm!« flüsterte der Vater. »Wir müssen sehen, wer das ist. Aber leise, ganz und gar leise!«
Sie bückten sich auf den Boden nieder und krochen vorwärts, der Schmied voran und sein Sohn hinter ihm her. Bereits nach kurzer Zeit hielt der Erstere inne und winkte, vorwärts zeigend, seinen Sohn zu sich heran. Dieser gehorchte, und Beide erblickten, nur wenige Schritte von ihnen getrennt – den Baron Franz von Helfenstein, der soeben nach einem Doppelgewehre griff, welches an einem Baume lehnte. Er untersuchte, ob es geladen sei, blickte vor sich zwischen den Bäumen hindurch und schien leise vor sich hin zu murmeln.
»Der hat etwas vor! Vielleicht gar etwas Schlimmes!« flüsterte der Schmied.
»Wollen wir hin zu ihm, um ihn zu hindern?«
»Unsinn! Noch wissen wir ja gar nicht, was er beabsichtigt. Und selbst wenn er Böses im Schilde führte, was geht es uns an? Ich wenigstens mag mich auf keinen Fall hier sehen lassen. Paß auf! Alle Teufel! Er zielt; er schießt!«
Ein Schuß krachte; der Todesschrei des Hauptmannes erscholl; der zweite Schuß fiel; dann warf der Baron das Gewehr von sich und sprang davon, kaum acht Schritte von den beiden Lauschern vorüber.
»Herrgott, Vater, er hat Einen erschossen!« stieß der Sohn hervor, lauter, als es mit ihrer Lauscherei im Einklang stand.
»Pst! Um Gotteswillen, still!« antwortete der Schmied. »Da kommt Einer! Ah, der Brandt! Es war sein Gewehr. Er hebt es auf. Er blickt sich um. Wenn er uns bemerkt, wird er denken, daß wir es gewesen sind. Doch nein; er eilt retour. Wir müssen sehen, wen die Kugeln getroffen haben. Komm weiter vor, aber unendlich vorsichtig!«
Sie schoben sich in kriechender Stellung leise, leise weiter, bis sie den Unglücksplatz überblicken konnten. Da lag der todte Hauptmann; in seiner Nähe kniete Brandt am Boden und liebkoste die ohnmächtige Alma, welche er in seinen Armen hielt. Und seitwärts kam – war es möglich! – der Baron, der Mörder herbei. Er überblickte die Scene. Ein teuflisches Lächeln überflog sein Gesicht. Er griff in seine Tasche und zog etwas hervor; es schien ein Schlüssel zu sein. Mit einigen raschen, unhörbaren Schritten näherte er sich von hinten dem vor Bestürzung gar nicht auf die Umgebung achtenden Förstersohne und steckte ihm mit der Geschwindigkeit eines Jongleurs den Schlüssel in die Tasche. Dann trat er zurück und eilte in der Richtung nach der Tannenschlucht davon.
Da faßte der Schmied seinen Sohn am Arme und zog ihn davon. Erst in weiter Entfernung hielt er an:
»Höre, Junge«, sagte er, »Du wirst denken, daß wir Anzeige machen müssen?«
»Natürlich!« antwortete der Sohn.
»Was fällt Dir ein. Das, was wir gesehen haben, kann uns ungeheuren Nutzen bringen, wenn wir uns nicht hineinmengen. Der Baron hat den Hauptmann erschossen; das haben wir gesehen. Er hat Brandt einen Schlüssel in die Tasche gesteckt. Wozu? Das wissen wir nicht; aber ich denke, daß wir es erfahren werden. Es handelt sich hier um eine geheimnißvolle That, welche wir auszunützen suchen müssen, und das können wir nur dann, wenn wir abwarten, was nun noch weiter geschehen wird.«
»Meinetwegen,