Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May
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Читать онлайн книгу Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May страница 18
»Dieses Zusammentreffen war ein unfreundliches?«
»Leider. Papa war durch den Hauptmann falsch unterrichtet worden und zeigte sich gegen Brandt höchst unfreundlich, ja, höchst ungerecht.«
»Und wie verhielt sich der Angeklagte dabei?«
»Er beherrschte sich ganz und gar. Er sagte, daß er Papa so sehr viel verdanke und daher schweigen wolle.«
»Meinen Sie, oder meinen Sie es nicht, daß die Unfreundlichkeit oder Ungerechtigkeit des Herrn Barons in Brandt den Vorsatz der Rache, und zwar der Rache durch einen Mord erweckt haben kann?«
»Nein; das werde ich niemals meinen können. Ich habe Brandt nie einer bösen That für fähig gehalten. Ich würde auch jetzt noch auf seine Unschuld schwören, wenn ich nicht das noch rauchende Gewehr in seinen Händen gesehen hätte. Daß er der Mörder des Vaters sei, mag ich noch viel weniger glauben.«
Bei dieser Ansicht blieb sie. Der Richter brach das Verhör ab. Er bemerkte, wie sehr Alma darunter litt. Ihre Augen erhielten zuletzt einen fieberhaften Glanz, und als der Arzt ihren Puls prüfte, gab er den Herren einen Wink, abzubrechen. Draußen meinte er besorgt:
»Sie ist schwächer, als sie scheint. Ich glaube, es wird ein schweres Fieber im Anzuge sein.«
Nun wurde Brandt selbst vorgenommen. Er hatte sich unterdessen gefaßt und war im Stande, mit ruhiger Ueberlegung zu antworten. Er erzählte den ganzen Hergang der Wahrheit gemäß. Der Richter schüttelte den Kopf dazu und sagte am Ende:
»Es ist mir unbegreiflich, daß Sie, anstatt den Thäter zu verfolgen, zu dem Ermordeten zurückkehrten. Es läßt sich ja die Möglichkeit denken, daß ein Anderer sich Ihres Gewehres bedient habe, um einen Act der Rache auszuüben; aber wer könnte das sein?«
»Wer?« fragte Brandt. »Wer anders als Baron Franz!«
Der Amtmann fühlte sich frappirt. Er fragte:
»Welchen Grund zur Rache gegen Sie hätte er da wohl?«
»Die Eifersucht.«
»Ah! Hm! Wieso?«
»Als ich gestern die Heimath erreichte, bestieg ich zuerst den Tannenstein. Oben traf ich auf Baronesse Alma, und ihr Cousin stand im Begriffe, ihr den Heirathsantrag zu stellen. Sie wies ihn mit Ironie ab; er wollte Gewalt brauchen, sich Liebkosungen erzwingen; da trat ich dazwischen. Vielleicht hält er mich für bevorzugt von dem Fräulein.«
»So, so! Hm! Sie haben ihn heut am Orte der That nicht bemerkt?«
»Später, als er mit den Beamten kam.«
»Ihre Unterhaltung mit dem Hauptmanne war eine freundschaftliche?«
»Ja. Er bat mir die gestrige Beleidigung ab und wollte auch dem Baron sagen, daß er mir Unrecht gethan habe.«
»Aber, Herr Brandt, wie kommt der Schlüssel in Ihre Tasche?«
»Auf eine mir unbegreifliche Weise.«
»Sie kennen ihn?«
»Nein.«
»Sind Sie gestern bei Baron Otto von Helfenstein gewesen?«
»Ja, und zwar sehr spät, nach dem Ueberfall um Mitternacht.«
Er erzählte die Ursache, die ihn bewogen hatte, den Baron aufzusuchen, um ihn zu warnen, er sagte auch, wie er ihn gefunden, und welche Antwort er von ihm erhalten hatte.
»Rasiren Sie sich selbst?« fragte da der Richter.
Brandt blickte bei dieser sonderbaren Frage erstaunt auf.
»Ja,« antwortete er ruhig.
»Wo haben Sie Ihr Rasirmesser?«
»Im Forsthause. Ich brachte das Besteck gestern mit. Ich nehme es auf jede Reise mit. Darf ich vielleicht fragen, in welcher Verbindung mein Rasirmesser mit der Erschießung des Hauptmannes von Hellenbach steht?«
»Sie sollen es erfahren. Hier ist der Schlüssel, welcher bei Ihnen gefunden wurde. Nehmen Sie ihn, und folgen Sie uns.«
Er wurde vor das Zimmer des Barons geführt. Es war vorhin natürlich wieder verschlossen worden.
»Oeffnen Sie!« meinte der Amtmann.
»Womit? Mit diesem Schlüssel?« fragte Brandt.
»Ich denke, daß Sie wissen werden, zu welchem Schlosse er gehört, Herr Brandt!«
»Bei Gott, ich habe keine Ahnung davon!«
»Nun, schließen Sie nur auf!«
Er öffnete. Aller Augen waren dabei scharf auf ihn gerichtet. Er blickte in das Zimmer, und ein lauter, fürchterlicher Schrei entfuhr seinen Lippen. Das Entsetzen, welches auf seinem Gesichte lag, war ein wahres. Der Richter hätte jetzt auf die Unschuld des Angeklagten schwören mögen.
»Herr, mein Heiland!« rief Brandt. »Das ist ja der Baron! Todt, oder wohl gar ermordet!«
»Treten Sie ein!« gebot der Amtmann.
Jetzt erst, als er sich in dem Zimmer befand, sah Brandt den fürchterlichen Schnitt am Halse des Todten.
»Gott! Gott!« sagte er, zusammenschaudernd. »Man hat ihm die Kehle durchgeschnitten! Ihm, meinem Wohlthäter, meinem zweiten Vater! Meine Herren, wer hat das gethan?«
»Das wissen Sie nicht?«
»Ich? Wie soll ich es wissen?«
»Sie waren ja zur Stunde seines Todes bei ihm!«
Brandt sah den Sprecher mit starren Blicken an.
»Mein Herr,« sagte er, »ich will nicht hoffen, daß Sie mich für den Mörder aller Welt halten! Herr Gerichtsarzt, Sie haben die Leiche jedenfalls untersucht. Seit wann ist der Baron todt?«
»Seit letzter Mitternacht.«
»Also seit kurz nach meinem Fortgange! Ich wollte ihn warnen, aber er glaubte mir nicht und wies mir die Thür. Nun haben sie ihn doch getödtet!«
»Sie meinen die beiden Schmuggler?«
»Ja.«
»Sie irren. Wie sollten diese Eingang gefunden haben?«
»Gibt es keine Spur hierüber?«
»Die brauchen wir nicht. Der Mörder ist bereits entdeckt.«
»Ah! Wer ist es?«
»Er nahm nach vollbrachter That den Zimmerschlüssel mit, um den Eintritt zu verwehren, damit die That nicht zu früh entdeckt werde. Dieser Schlüssel wurde in Ihrer Tasche gefunden.«
Brandt