Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May
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Читать онлайн книгу Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May страница 24
»Nur der Titel Frau gewährt ein Privilegium.«
Da stieß er ein kurzes, verlegenes Lachen aus und fragte:
»Wie? Sie wollen meine Frau werden? Die Frau eines Freiherrn, die Frau des Barons von Helfenstein?«
»Warum nicht? Sie sagen mir doch, daß Sie mich lieben, daß meine Gegenwart Sie glücklich mache, daß ich Sie prüfen soll.«
»Kind, das kann ja Alles auch ganz gut ohne diese nüchterne, prosaische Verheirathung geschehen.«
»Pah! Die Maitresse eines Mannes, selbst wenn er ein Freiherr ist, mag ich niemals werden!«
»Maitresse! Welch garstiger Name! Läßt sich denn keine andere, bessere Bezeichnung für ganz dasselbe Verhältniß finden?«
»Die Sache bleibt dieselbe trotz der anderen Bezeichnung. Ich habe Sie lieb und bin bereit, Sie glücklich zu machen, aber nur unter der Bedingung, daß ich Ihre Frau werden soll.«
»Sie kleiner, süßer Schäker! Sie sprechen doch nur im Scherze?«
»O, ich spreche im Gegentheile sehr im Ernste.«
»So thun Sie mir leid! Meine Frau können Sie nie werden. Aber ich hoffe, daß Sie so verständig sein werden, auf diese Dummheit zu verzichten. Wir können glücklich sein, ohne den Pfarrer erst um die Erlaubniß dazu zu fragen.«
»Ich verzichte auf ein unsanctionirtes Glück. Für wen ich so große und schwere Opfer bringe, dessen Person und Besitz muß mir sicher sein.«
»Opfer? Was meinen Sie? Ist ein Kuß, eine Umarmung ein Opfer? Was Einen glücklich macht, kann doch niemals ein Opfer sein.«
»Von Kuß und Umarmung spreche ich ja nicht. Ich habe Ihnen bisher den Frieden meiner Seele, die Ruhe meines Gewissens zum Opfer gebracht, das thut man nur für den Mann, dessen Weib man ist.«
»Frieden der Seele? Ruhe des Gewissens?« fragte er erstaunt. »Es ist mir unmöglich, Sie zu verstehen.«
»Das begreife ich nicht. Ist es nicht gegen alles Gewissen, einen Unschuldigen verurtheilen zu lassen, während der Schuldige in Ehren lebt?«
Er verfärbte sich. Was wollte dieses Mädchen? Hatte auch sie eine Ahnung von dem eigentlichen Sachverhalte?
»Sie sprechen wirklich in Räthseln!« sagte er. »Sie sprechen von einem Schuldigen und einem Unschuldigen. Wer ist damit gemeint?«
»Das begreifen Sie wieder nicht? Da muß ich Sie an jene Mordnacht erinnern. Sie wissen, daß Gustav Brandt eingestanden hat, bei dem Baron gewesen zu sein.«
»Allerdings. Da hat er ihn ermordet.«
»O nein. Ich weiß das sehr genau, denn ich bin darnach auf einen Augenblick im Zimmer des gnädigen Herrn gewesen, welcher in vollstem Wohlsein an seinem Tische saß.«
»Donnerwetter! Darüber schweigen Sie ja! Man könnte sonst denken, daß Sie ihn umgebracht haben!«
»Ich würde meine Unschuld beweisen können.«
»O, das bezweifle ich sehr! Wie wollten Sie das anfangen?«
»Wie nun, wenn auch nach mir noch Jemand beim Baron gewesen wäre?«
»So spät? Man würde es nicht glauben.«
»Höchst wahrscheinlich doch. Hätte ich den Baron getödtet, so wäre derselbe doch von diesem Jemand todt aufgefunden worden und es hätte sofortige Anzeige erfolgen müssen. Das ist aber nicht geschehen.«
Er warf einen forschenden Seitenblick auf sie und fragte, indem seine Stimme einen belegten Klang annahm:
»So! Hm! Wollen Sie mir nicht eingestehen, daß dieser Jemand in das Reich der Fabel gehört?«
»Haben Sie vielleicht jemals bemerkt, daß ich gern fabulire?«
»Allerdings nicht. Sie sind mir im Gegentheil stets als realistisch, ja sogar als materiell oder substantiell vorgekommen. Aber heut will es mir scheinen, daß auch Sie es mit jenem berühmten Unbekannten zu thun haben, welcher in Untersuchungssachen eine so große Rolle zu spielen pflegt.«
»Sie wären zu dieser Vermuthung nur dann berechtigt, wenn mir Derjenige, von welchem ich behaupte, daß er nach mir beim Baron gewesen sei, nicht bekannt gewesen wäre. Ich habe ihn aber so genau recognoszirt, daß er der Strafe unmöglich entgehen kann. Ich weise nach, daß er der Mörder ist.«
»Donnerwetter!« rief er, sich von seinem Sitze erhebend. »Sie scheinen an jenem Abende ja ganz bedeutend spionirt zu haben!«
»Ich gebe das zu, füge aber die Bemerkung bei, daß ich Ursache dazu hatte. Ich war von einem Herrn, welcher vorgab, mich zu lieben, in den Garten bestellt worden. Er nahm diese Bestellung zurück. Dies erregte mein Mißtrauen und darum beobachtete ich ihn.«
Es begann ihm vor den Augen zu flimmern.
»Meinen Sie etwa mich?« fragte er. »Ich entsinne mich, an jenem Abende mit Ihnen ein Rendez-vous für Mitternacht verabredet zu haben.«
»Ja, Sie sind es, welchen ich meine!«
»Sie irren! Sie haben einen Anderen für mich gehalten!«
»O nein!« lächelte sie. »Liebende pflegen einander genau zu erkennen. Ich ahnte allerdings nicht, was geschehen war; aber ich wollte gern wissen, was Sie zu so später Stunde noch bei dem Barone zu thun gehabt hatten. Darum wollte ich mich unter irgend einem plausiblen Vorwand zu diesem begeben, bemerkte aber, daß Sie den Schlüssel abgezogen hatten. Er fand sich in der Tasche Brandt's. Sie haben im Walde Gelegenheit gefunden, ihn da hinein zu eskamotiren.«
»Weib! Mädchen!« rief er. »Was fällt Ihnen ein! Sie wollen sagen, daß ich der Mörder bin?«
»Ja,« antwortete sie ruhig und bestimmt.
»Sie sind nicht bei Sinnen! Sie leiden an Halluzination!«
»Ich habe diese Krankheit niemals gekannt. Sie wissen, daß neben den Anderen auch wir Beide, Sie und ich, in der Residenz zu erscheinen haben, um während der Verhandlung gegen Brandt als Zeuge zu dienen. Ich habe aus Rücksicht für Sie bisher gezögert; nun aber werde ich endlich die Wahrheit sagen müssen.«
»Warum haben Sie bisher geschwiegen?« fragte er beinahe höhnisch. »Man wird Ihnen nun nicht glauben!«
»Vielleicht doch. Ich hatte zwei sehr triftige Gründe, zu schweigen. Ihnen kann ich sagen, daß ich aus Rache gegen Brandt schwieg, da er die eigentliche Ursache vom Tode meines Bruders ist, und aus Liebe zu Ihnen, den ich nicht unglücklich machen wollte. Den Richtern aber werde ich sagen, daß mir die Verantwortlichkeit, welche ich auf mich zu laden habe, anfänglich zu schwer erschienen sei. Es handelt sich jedenfalls um ein Todesurtheil. Ich glaubte, daß man den Schuldigen auch ohne mich entdecken werde. Nun aber, da ich sehe, daß ein Unschuldiger verurtheilt werden soll, muß eine jede falsche Bedenklichkeit schwinden. Sie sehen ein, daß meine Aussage eine außerordentliche Wirkung hervorbringen wird.«
»Sie wird aber doch