Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May страница 26
»Wie? Sterben? Leidet er denn seit Kurzem an einer Krankheit?«
»Ja, und zwar an einer ebenso lebensgefährlichen wie unheilbaren.«
Seine Augen leuchteten befriedigt auf. So war also der Knabe krank geworden! Welch' ein Glück! Er fragte rasch:
»Welche Krankheit wäre das?«
»Ein Vetter, welcher ihn beerben will.«
Bei diesen Worten richtete sie ihre Augen so überlegen forschend auf sein Gesicht, daß er sich nicht zu beherrschen verstand. Er erröthete bis hinter die Ohren, faßte sich aber schnell und sagte:
»Sie sind boshaft, ganz verteufelt boshaft, Ella!«
»O nein, mein Lieber! Ich verstehe es nur, den Grund Ihrer Handlungen ausfindig zu machen. Doch, streiten wir uns darüber nicht! Sagen Sie mir einfach Antwort auf die Frage, welche ich an Sie richten muß!«
Er wiegte den Kopf hin und her und meinte endlich lächelnd:
»Ob ich mich von Ihnen heirathen lassen will?«
»Ja.«
»Nun, vielleicht finde ich mich d'rein!«
»Ich mag kein Vielleicht hören! Antworten Sie bestimmt!«
Da legte er den Arm um sie, zog sie an sich und flüsterte zärtlich:
»Mädchen, Mädchen! Wenn ich Dich nur nicht so lieb hätte!«
Dabei küßte er sie auf den Mund, und zwar in jener Weise, welche den frivolen Roué zu kennzeichnen pflegt. Sie durchschaute ihn; sie wußte, daß er daran dachte, sie zu betrügen; aber sie ließ sich das nicht merken. Sie schlang vielmehr auch ihre Arme um seinen Hals, erwiderte seine Küsse so glühend, als ob sie an seine Liebe glaube und antwortete, indem ihr Gesicht vom Glück zu strahlen schien:
»Mehr als ich Dich liebe, liebst Du mich nicht. Also sag', soll ich Dich für immer besitzen? Soll ich Dein Weib werden?«
»Ja, ja, Du süßes, reizendes Wesen. Mögen die Angehörigen meines Standes mich verurtheilen; ich lache über sie, denn ich bin überzeugt, daß wir endlos glücklich sein werden!«
»Wenigstens meine Aufgabe wird es sein, Dich diesen Schritt niemals bereuen zu lassen.«
»Die meinige auch. Aber nun darf ich wohl auch in Beziehung auf Brandt ruhig sein?«
»Ja, mein Lieber! Vorausgesetzt natürlich, daß Du mir Garantieen bietest, denen ich vertrauen kann.«
»Garantieen verlangst Du?« fragte er enttäuscht.
»Natürlich!«
»Aber warum denn nur?«
»Siehst Du das nicht ein?« meinte sie, ihm sehr zärtlich die Wangen streichelnd. »Ich weiß, was für ein kleiner, liebenswürdiger Schäker Du bist. Ich halte Dich sogar für ein Wenig sehr vergeßlich. Wie nun, wenn Du nach der Verhandlung, nach Brandt's Verurtheilung nicht mehr an das dächtest, was Du mir versprochen hast?«
»Das ist ja ganz und gar nicht möglich!«
»O doch, o doch! Ich werde Dich vielmehr ersuchen, mir das Versprechen der Ehe schriftlich zu geben.«
»Alle Teufel! Wo denkst Du hin?«
»Du meinst, daß dies noch immer keine Sicherheit bietet? Ja, da hast Du Recht. Du wirst Dich also nachher mit mir zum Pfarrer bemühen, um ihm zu erklären, daß ich Deine Verlobte bin.«
»Verdammt! Das werde ich allerdings unterlassen!«
Ihr Gesicht nahm einen hoch ironischen Ausdruck an. Sie fuhr fort:
»Und sodann wirst Du mir das schriftliche Bekenntniß geben, daß Du den Baron Otto von Helfenstein ermordet hast.«
Da fuhr er empor, als ob er auf eine Schlange getreten sei.
»Was fällt Dir ein!« rief er. »Hältst Du mich für einen Dummkopf, für einen verrückten Menschen?«
»Nein, nein! Ich halte Dich für das, was Du bist: für einen Bösewicht, dem Alles zuzutrauen ist, dessen Frau ich aber dennoch werden will, weil ich sonst keinen Baron bekomme. Verstehst Du mich? Ich will Baronin von Helfenstein werden, oder Du gehst auf das Schafott. Dic Ella oder die Guillotine – Du hast die Wahl!«
»Mädchen, ich wähle ja Dich! Aber Deine Forderungen sind ja geradezu beleidigend!«
»Deine Weigerung ist ebenso beleidigend. Ich will doch nicht haben, daß Du denken sollst, eine Frau zu bekommen, welche so leicht zu übertölpeln ist. Nein, Du sollst vielmehr Respect vor mir haben. Du sollst diesen Respect bereits heute bekommen. Du sollst sehen, daß wir einander vollkommen werth sind. Darum sage ich Dir aufrichtig, daß ich Dir nicht das mindeste Vertrauen schenke. Also, erkläre Dich! Ich brenne mir hier eine Cigarette an; wenn ich den letzten Zug gethan habe, ist die Bedenkzeit, welche ich Dir gestatte, zu Ende; dann werde ich handeln.«
Sie langte wirklich nach dem auf dem Tische stehenden Etui, brannte sich eine Cigarette an und begann zu rauchen. Sie legte sich so zierlich in die Lehne des Sophas zurück, als ob es sich um nichts als eine freundschaftliche Unterredung handele. Er aber befand sich in einer Lage, wie in seinem ganzen Leben noch nie.
Er schritt in seinem Zimmer auf und ab und suchte nach Gründen, auszuweichen; aber er fand sie nicht. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er wußte, daß sie nicht ein Pünktchen von ihrer Forderung streichen werde, und sah doch keine Möglichkeit, sich ihrer Hand zu entwinden. Da, jetzt warf sie das nicht zu rauchende Endchen von sich und sagte:
»Nun? Die Entscheidung! Ich gehe!«
Da blieb er vor ihr stehen und fragte in stockendem Tone:
»Was wirst Du machen, wenn ich nicht auf Deine Forderung eingehe?«
Sie zeigte ihm ein ruhiges, überlegenes Lächeln und antwortete:
»Etwas, woran Du gar nicht gedacht haben wirst.«
»Ach! Was könnte das sein?«
»Ich lasse Dich arretiren.«
Kaum hatte er diese Worte gehört, so war aus seinem Gesichte alle Farbe gewichen. Daß sie so etwas beabsichtigen könne, war ihm allerdings nicht in den Sinn gekommen; aber er kannte sie und wußte, daß sie dazu fähig sei.
»Arretiren?« fragte er. »Warum? Was fällt Dir ein?«
»Warum? Aus Vorsicht! Du könntest fliehen, ehe ich meine Aussage gethan habe. Oder Du könntest nun, da Du erfahren hast, was ich weiß, auf irgend eine Weise meinen Angaben zuvorkommen. Es ist daher allerdings am Besten, ich lasse Dich festnehmen.«
Sie stand vor ihm, als ob sie sein Richter sei.
»Weib,« sagte er, »Du bist wirklich ein Teufel!«
»O, nur eine