Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May
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Читать онлайн книгу Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May страница 57
»Bedenkt, wer ich bin. Ich kann Euch nach Belieben verderben und erhöhen. Ich fordere von Euch geradezu die Rettung des Riesen. Ich gebe Euch keine Zeit zur Ueberlegung. Auf mein Zeichen werden meine Leute hier eintreten, dann aber ist's für Eure Rettung auch zu spät.«
Da wurde es dem Juden himmelangst. Er ergriff an Stelle seiner Tochter das Wort und fragte:
»Du sprachst von Lohn. Wieviel bietest Du?«
»Fünfhundert Thaler, keinen Pfennig weniger oder mehr.«
»Was sollen wir thun, um ihn zu retten?«
»Wem von Euch hat er die Uhren angeboten?«
»Mir selbst und Rebecca, der Frau meines Herzens.«
»Ihr seid Beide bereits vernommen worden?«
»Ja.«
»Hat man Euch ihm gegenübergestellt?«
»Noch nicht.«
»So wird es bald geschehen! Ihr habt dann nur einfach zu sagen, daß er es nicht gewesen sei.«
»Das geht nicht. Wir haben ja bereits gesagt, daß er es war!«
»Ihr habt Euch geirrt. Es gibt einen Menschen, welcher ihm so ähnlich ist, wie ein Ei dem andern. Dieser hat Euch die Uhren gebracht, er aber nicht.«
»Um das glaubhaft zu machen, müßte man diesen ähnlichen Menschen bringen!«
»Das werde ich auch. Der Riese Bormann ist unschuldig. Der Andere, welcher es gethan hat, gleicht ihm, als ob er sein Zwillingsbruder sei, hat aber ein großes rothes Maal auf der rechten Wange. Wollt Ihr, oder wollt Ihr nicht? Ich zahle Euch die fünfhundert Thaler sofort aus.«
Fünfhundert Thaler! Welch' ein Angebot für einen Juden! Sogar Judith fühlte sich erweicht. Sie fragte:
»Wir bekommen das Geld wirklich sogleich?«
»Ja.«
»Der Riese wird mich nicht wieder belästigen?«
»Niemals. Ich werde ihn anderweit verwenden. Er darf gar nicht in der Hauptstadt bleiben!«
»Gut! Wir willigen ein!«
Vater und Mutter nickten einstimmig dazu, und der Baron zog seine Brieftasche hervor, um die Summe in Banknoten auszuzahlen. Als dies geschehen war, erkundigte er sich bei Salomon Levi:
»Wer war die Frau, welche vorhin bei Dir war?«
»Die Frau eines Schließers an der Frohnveste.«
»Was wollte sie?«
»Zwei Betten und einen Tisch versetzen. Da ich aber diese Sachen bei ihnen lassen sollte, konnte ich nichts geben.«
»Hatten Sie nichts Anderes?«
»Nein. Es ist Alles bereits bei mir.«
»Der Fall geht mich nichts an. Der vorherige aber desto mehr. Also, Salomon Levi, was sagst Du aus, wenn Du dem Riesen gegenüber gestellt wirst?«
»Ich sage, daß er unschuldig ist. Der wirkliche Einbrecher sah ihm täuschend ähnlich, hat aber ein großes rothes Maal auf der rechten Wange. Ist's so richtig?«
»Ja, so ist es richtig. Dabei bleibt Ihr Beide, Du und Rebecca, das Weib Deines Herzens!«
»Verlasse Dich darauf, Hauptmann!«
»Das thue ich. Denkt an meine Macht! Der Ungehorsam gegen mich würde Euch verderben. Wie Du bereits bemerkt hast, kenne ich Alles, sogar die verborgensten Geheimnisse Deines Hauses. Ihr seid Tag und Nacht unter meiner schärfsten Aufsicht. Jeder meiner Leute wird auf das Strengste bewacht. Darum nehmt Euch in Acht. Laßt mich jetzt hinaus! Und daß es Euch nicht einfällt, mir nachzublicken oder gar mir nachzufolgen!«
Er ging, ohne die Maske eher abzunehmen, als bis er aus dem Kreise ihres Lampenscheines war. Der Jude führte ihn hinaus. Als er zurückkam, stellte er sich vor die beiden Frauen hin, schlug die Hände zusammen und sagte:
»Gott der Gerechte! Welch' ein Abend! Ist der Hauptmann bei uns gewesen! Haben wir ihn gesehen stehen hier grad vor uns und gehört den Klang seiner Stimme!«
»Aber wir kennen ihn nicht!« meinte Judith.
»Nein, wir kennen ihn nicht! Hat er doch auf dem Gesichte getragen eine Maske, und ehe er sie aufsetzte, da saß er hier und – – –«
»Er saß erst ohne Maske hier?« unterbrach sie ihn schnell.
»Ja.«
»So mußt Du doch sein Gesicht gesehen haben!«
»Nein. Er hat sich gesetzt in das Finstere. Ich sah nur einen großen schwarzen Bart und zwei Augen, welche leuchteten wie die Augen einer Katze, wenn sie will beißen eine Maus. Er war die Katz' und ich die Maus!«
»Wer mag es sein? Er hat nicht die Sprache und das Wesen eines gewöhnlichen Mannes.«
»Nein; er ist ein vornehmer Mann. Es kann auch gar nicht anders sein, als daß der Hauptmann gehört zu den Leuten, welche sich bewegen in den Kreisen, welche man nennt fein und gebildet. Aber, wie kamst Du zu uns, Judith, mein Tochterleben?«
»Sarah Rubinenthal ist droben bei mir auf Besuch. Ich kam herab, um Mutterleben zu senden nach Chocolade, welche ich der Freundin vorsetzen wollte.«
»So will ich gleich eilen, zu holen Chocolade!« meinte die Alte.
»Und ich will mich sputen, einzutragen die Nummern von diesen fünf Hundertthalerscheinen in das Buch der Kasse. Sie sind sehr leicht verdient,« bemerkte der Alte.
»Und ich werde zur Freundin zurückkehren. Sie wird mich mit Sehnsucht erwarten,« sagte Judith.
»Warum mit Sehnsucht?« fragte der Vater.
»Weil wir sind beschäftigt, zu lesen und zu declamiren aus dem herrlichen Buche, welches hat geschrieben Hadschi Omanah, der berühmte Dichter des Morgen- und Abendlandes.«
»Immer lies, mein Tochterleben! Judith, die einzige Erbin von Salomon Levi wird einst erhalten eine Million. Sie soll haben Geist und Bildung, um zu heirathen einen Grafen, und zu erfreuen mit Stolz das Herz ihres Vaters!«
Das Mädchen ging. Sie stieg die enge Treppe empor und trat dann in ein kleines, einfensteriges Stübchen, welches wirklich allerliebst und gar nicht nach der bekannten, jüdisch überladenen Manier ausgestattet war.
Dort saß am Tische ein Mädchen, vielleicht zwanzig Jahre alt, aber klein, häßlich und ausgewachsen. Aber wie man grad unter den Häßlichen und Buckeligen oft recht geistreiche Menschen findet, so hatte auch dieses von der Natur äußerlich so kärglich bedachte Mädchen ein herrliches Augenpaar, aus dem eine Seele leuchtete, deren der Körper nicht würdig war.
Man macht oft die Erfahrung, daß schöne Mädchen sich ihre Lieblingsfreundin grad unter den Häßlichen suchen. Ist es nur deshalb,